Berlin. Fußball und Tango eint mehr als man annehmen möchte. Da ist die Leidenschaft für den Tanz an sich, ob auf dem Rasen oder dem Parkett. Der Stolz natürlich. Und die Verzweiflung. „Du hast eine Lücke in dir, die du nicht ausgleichen kannst“, beschrieb Jaimes Friedgen, einer der einflussreichsten Tänzer dieser Zeit, wie man den Tango zur Perfektion bringt.
Eine solche Lücke ist es, die auch Lionel Messi antreibt. Die reserviert ist für den letzten großen Triumph, der dem südamerikanischen Ballzauberer fehlt. Einer, der alle Meisterschaften, Pokalsiege, wohl auch Champions-League-Triumphe in den Hintergrund drängen dürfte. „Bevor ich meine Karriere beende“, sagte Messi also, „will ich einen Titel mit Argentinien gewinnen.“
Ungeachtet aller dramatischer Finalniederlagen, aller Rücktritte aus der Nationalmannschaft startet der laut „Forbes“ mit 127 Millionen US-Dollar (knapp 113 Millionen Euro) bestbezahlte Sportler der Saison 2018/19 bei der Copa America in Brasilien seinen nächsten Tanz. Ziel ist das Finale am 7. Juli in Rio de Janeiro, im Maracana-Stadion – und endlich der Titel mit den „Albiceleste“.
Selbst Pelé und Maradona holten nie die Copa
Der argentinische „Clarin“ sieht in der Copa America schon jetzt die „Copa Messi“. Weil der 31-Jährige es ist, der der Südamerika-Meisterschaft Glanz verleihen soll in Abwesenheit Neymars. Der Brasilianer fehlt wegen seiner Verstauchung im rechten Sprunggelenk und dürfte derzeit ohnehin wegen der Vergewaltigungsvorwürfe andere Sorgen haben.
Messi also, immer wieder Messi. Einer, der sich in bester Gesellschaft befindet mit den Größten der Großen seiner Zunft. Ob der unnachahmliche Pelé oder der epochale Diego Maradona – ein Triumph bei der Copa America, dem ältesten Turnier der Welt (seit 1916), ging stets an ihnen vorbei.
Der Brasilianer Pelé scheiterte 1959 trotz acht Turniertreffern, der Argentinier Maradona gleich bei drei Anläufen (1979, 1987, 1989). Messi startet nun seinen fünften Versuch. Mit einem gewaltigen Unterschied: Pelé und Maradona durften bereits WM-Titel feiern. Messi ist bis heute der Unvollendete.
„Vom Kopf erschöpfter als von der Physis“
Schon der erste Auftritt in der Nacht zum Sonntag in Salvador gegen Kolumbien (0 Uhr, DAZN) wird zeigen, wie groß Messis Leidenschaft in diesem Sommer ist. Oder seine Verzweiflung.
Das desaströse Aus in der Champions League gegen den späteren Sieger FC Liverpool (3:0, 0:4), die Pleite im spanischen Pokalfinale (1:2 gegen den FC Valencia) – Argentiniens Nummer 10 ist „vom Kopf erschöpfter als von der Physis“, wie Messi gestand. Nicht die besten Voraussetzungen, diese Lücke in sich zu füllen und Argentiniens Sehnsucht nach 26 titellosen Jahren endlich zu stillen.
Der notwendige Umbruch, den Nationaltrainer Lionel Scaloni einleitete, macht es nicht einfacher. „Wir sind diesmal nicht wie sonst Favorit“, gestand Messi, neben Sergio Agüero und Angel Di Maria (beide 31) Korsettstange beim 14-maligen Titelträger: „Für die meisten ist es das erste große Turnier.“
Messi kassierte vier Finalniederlagen
Für ihn ist es das neunte. Die Weisheit, die er aus seinen vier Finalniederlagen bei der Copa (2007, 2015, 2016) und der WM (2014) mitnimmt, lautet: „Das Leben ist Stolpern, Aufstehen, es erneut versuchen und für seinen Traum kämpfen.“
Mit jener Mischung aus Leidenschaft, Stolz und Verzweiflung, mit der Jaimes Friedgen auch den Tango charakterisierte: „Du betrachtest ihn als etwas, mit dem Du diese Lücke zu füllen versuchst.“