Nations League

Ronaldo und die Sehnsucht nach einem Titel

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Florian Haupt
Cristiano Ronaldo (l.) und Joao Felix könnten Portugals neuer Supersturm werden

Cristiano Ronaldo (l.) und Joao Felix könnten Portugals neuer Supersturm werden

Foto: Luis Vieira / picture alliance/AP Photo

Das erste Final-Turnier der Nations League in Portugal umweht schon jetzt mehr als ein Hauch von Geschichte. Dank der Halbfinalisten.

Porto. Das muss man auch erst mal hinbekommen: Schon bevor João Félix auch nur eine Minute für Portugal gespielt hat, avanciert er bereits zum Politikum. Bei der Ankunft im Teamquartier nahe Porto beleidigten den jungen Star von Benfica Lissabon ein paar Fans, und sogleich wurde allseits Nestbau betrieben zum Schutz des Debütanten.

Nein, der klassische Nord-Süd-Konflikt zwischen Porto und Lissabon spiele keine Rolle, weder im Team noch im Umfeld, versicherte der erfahrene Abwehrchef Pepe, Spieler des FC Porto. Von „ein paar Idioten“ sprach der Sportminister João Paulo Rebelo.

Ein Quartett auf historischer Mission

Heute soll es dann andere Schlagzeilen geben im Zusammenhang mit dem Wunderstürmer. Die Gastgeber des Finalturniers der Nations League blicken im Halbfinale gegen die Schweiz (20.45 Uhr, DAZN) einer potenziell historischen Begegnung entgegen. Wenn Nationaltrainer Fernando Santos mitspielt, wird Portugals Zukunft erstmals mit dem größten Helden aus Vergangenheit und Gegenwart zusammentreffen. Dann darf also João Félix (19) mit Cristiano Ronaldo (34) ein Angriffsduo bilden.

Nicht der einzige Reiz dieses Kurzturniers, das bis Sonntag seine Premiere feiert und in dessen anderem Halbfinale sich morgen England und die Niederlande (20.45 Uhr, DAZN) duellieren. Zwischen 2,5 Millionen Euro für die Teilnahme und sechs Millionen Euro für den Turniersieg gibt es zu verdienen, aber viel mehr als ums Geld geht es um Chancen.

Wo der Europameister von 2016 den bei der EM 2004 knapp verpassten Heimsieg nachholen kann, bewegen sich die anderen Starter erst recht auf historischer Mission. Die Niederlande warten seit der EM 1988 in Deutschland auf eine internationale Trophäe. Die Engländer seit der WM 1966. Und die Schweiz hat jenseits des Jugendbereichs überhaupt noch nie etwas gewonnen.

Vorurteile schon in Gruppenphase widerlegt

Der Titelhunger der vier Finalteilnehmer fügt sich wie bestellt in eine Nations-League-Premiere, die alle üblichen Vorurteile gegen neue Wettbewerbe widerlegt hat. Schon die Vorrunde brachte hochwertige und dramatische Partien. Die Schweiz etwa qualifizierte sich in einem epochalen Spiel gegen Belgien, als sie einen 0:2-Rückstand noch in ein 5:2 verwandelte.

Die Holländer um die neuen, jungen Ajax-Stars eliminierten nach drei verpassten Endrunden den Weltmeister Frankreich und dessen Vorgänger Deutschland, England ließ Vorvorgänger Spanien hinter sich und schaffte die Revanche für das verlorene WM-Halbfinale gegen Kroatien.

„Alle wissen, was wir bei der WM geleistet haben, und darauf sind wir sehr stolz“, erklärt Englands Kapitän Harry Kane: „Aber noch stolzer sind wir darauf, was wir in der Nations League geschafft haben.“

Schweizer Seferovic wieder auf Titelmission

Ähnlich wie in der Champions League, wo die gealterten Dominatoren von Real Madrid bis Bayern München allesamt scheiterten, haben sich in der Nations League eher die jungen Mannschaften durchgesetzt. Das gilt insofern ebenfalls für Gastgeber Portugal, als er die Vorrunde ohne Cristiano Ronaldo bestritt. Allerdings auch noch ohne João Félix.

Der filigrane Shootingstar, der diese Saison zum jüngsten Hattrick-Schützen der Europa-League-Geschichte avancierte (im Viertelfinale gegen Eintracht Frankfurt), trifft heute unter anderem auf den Mittelstürmer seines Vereins: Haris Seferovic, der dank 19 Treffern allein seit dem Jahreswechsel die Torjägerkrone der portugiesischen Liga gewann.

Seferovic ist im Übrigen auch der Spieler, der die Schweiz zu ihrem bisher größten Fußballerfolg schoss – er erzielte 2009 den goldenen Treffer im Finale der U17-Weltmeisterschaft gegen Gastgeber Nigeria. Noch so ein Detail, das einen Hauch von Geschichte über dieses Finalturnier weht. Auch wenn es zum ersten Mal stattfindet.