Wolfsburg. Die Botschaft war eindeutig: „Zweimal Vollgas“ lautete das Motto, unter dem der VfL Wolfsburg abermals in den Relegationsspielen den Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga sichern will. Der erste Teil des Vorhabens ist am Donnerstagabend insofern geglückt, als dass der Werksverein in einem recht sehenswerten Hinspiel gegen Holstein Kiel ordentlich auf die Tube gedrückt hat. Am Ende siegte der arrivierte Bundesligist gegen den aufmüpfigen Zweitligist verdient mit 3:1 (2:1).
Divock Origi (13.), Josip Brekalo (40.) und Yunus Malli (56.) trafen für Wolfsburg, Kingsley Schindler (34.) zum zwischenzeitlichen Ausgleich für Kiel. Die Entscheidung fällt zwar erst im Rückspiel am Pfingstmontag (20.30 Uhr) im ausverkauften Holstein-Stadion, aber die Niedersachsen sind nun klar im Vorteil. Sie haben aufgrund ihrer individuellen Klasse den teils offenen Schlagabtausch am Mittellandkanal für sich entschieden, wo eines der besseren Entscheidungsspiele der jüngeren Vergangenheit ablief.
„Vielleicht verdient einer beim VfL fast so viel wie bei uns die ganze Mannschaft“, hatte Kiels Sportchef Ralf Becker zuvor gesagt, „aber wir haben eine gute Truppe.“ Aufgepumpt mit Selbstbewusstsein – und dem Wissen, irgendwie in dem ungleichen Duell allein aufgrund der völlig unterschiedlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen gar nichts verlieren zu können. Wie sehr die krisengeplagte Autostadt um den Erstliga-Verbleib zittert, war auch an dem Offenen Brief abzulesen, der im VfL-Stadionmagazin erschien. „Hinter uns allen liegen schwierige Wochen und Monate und Euer Frust ist nur allzu verständlich“, stand da im Namen der Wolfsburger Mannschaft. Verbunden mit der Aufforderung: „Bitte glaubt uns, dass auch wir Spieler extrem enttäuscht sind über unsere Saisonverlauf.“ Bezeichnend, dass erneut Einpeitscher Chris Heise das Stadionmikrofon erhielt, um im Stile eines Marktschreiers die Sinne zu schärfen: „Ganz Deutschland wünscht uns den Abstieg. Wir werden in zweimal 90 Minuten zeigen, dass wir es verdient haben, erste Liga zu spielen.“
Den Nachweis wollte Cheftrainer Bruno Labbadia bis auf eine Änderung – Felix Uduokhai für den verletzten Paul Verhaegh – mit derselben Formation und Ausrichtung wie beim letzten Bundesligaspiel gegen den 1. FC Köln (4:1) antreten. Und tatsächlich startete die Werkself mit ähnlichem Tatendrang und belohnte sich früh: Nach Solo von Yunus Malli konnte Kiels Keeper Kenneth Kronholm den Schuss von Renato Steffen nicht festhalten und Liverpool-Leihgabe Origi staubte gedankenschnell ab.
Doch die „Störche“ versuchten immer wieder mit schnellem Umschalten – meist einem vertikalen Pass auf Torjäger Marvin Ducksch, Ablage auf die Außenpositionen – selbst Akzente zu setzen. Die Mannschaft von Trainer Markus Anfang verriet zumindest im Ansatz, warum sie im Unterhaus die meisten Treffer erzielt hatte. Und nachdem bei einigen Vorstößen im letzten Drittel die Präzision fehlte, brachte ein tolles Solo von Dominick Drexler an der Torauslinie den Ausgleich: Schindler brauchte nach seiner Hereingabe nur noch den Fuß hinhalten. Der Holstein-Fanblock jubelte ausgelassen. Der VfL zeigte sich indes nicht geschockt, und es war kein Zufall, dass der überaus talentierte Unruheherd Brekalo nach einer zu kurzen Kopfballabwehr die Kugel volley zum 2:1 in die Maschen drosch. Kronholm brachte seine rechte Hand zu spät in Abwehrposition.
Anfang hatte verlangt, „etwas Historisches zu schaffen“. Doch es gelang nach der Pause nicht, dieses Vorhaben zu unterfüttern. Im Gegenteil: Die „Wölfe“ wirkten auch nach Wiederanpfiff extrem bissig und hatten in Tornähe die besseren Unterschiedsspieler: Beeindruckend, wie der Belgier Origi etwa den sträflich freistehenden Malli fand, der fast ohne Gegenwehr auch noch den Gäste-Torwart umkurvte und zum 3:1 einschob. Die Schlussphase gehörte dann ganz den nie aufsteckenden Gästen, für die erst Ducksch (82.) und dann der eingewechselte Aaron Seydel (84.) die großen Gelegenheiten zum 2:3-Anschluss vergaben. Der VfL Wolfsburg geriet noch gewaltig ins Schwimmen und war über das Endresultat am Ende heilfroh.