Bastian Schweinsteiger ist der neue Kapitän der DFB-Elf. Eine Wahl, die nett ist und wie eine Auszeichnung für das Lebenswerk wirkt. Zielführend ist sie aber nicht, meint Jörn Meyn.

Fußball findet im Hier und Jetzt statt. Pep Guardiola, Trainer des FC Bayern, hat das gesagt, als er unlängst den 32 Jahre alten Xabi Alonso wegen Verletzungssorgen verpflichtete. Aus seiner Sicht hat er recht. Guardiola ist ein Vereinstrainer, der sich wöchentlich die Existenzfrage gefallen lassen muss. Anders ist es beim Bundestrainer. Joachim Löw hat die Aufgabe, sein Weltmeisterteam für das Fernziel EM 2016 weiter zu entwickeln. Da geht es nicht um Pragmatismus, sondern um Weitsicht und Mut.

Mit der Ernennung Bastian Schweinsteigers zum neuen Mannschaftskapitän der deutschen Nationalelf aber hat Löw nach dem Prinzip „Hier und Jetzt“ gehandelt – und damit eine mutlose Entscheidung getroffen. Richtig ist zwar, dass Schweinsteiger mit 108 Länderspielen der erfahrenste aller Führungsspieler beim DFB ist, dass er schon neben seinem Vorgänger Philipp Lahm wie der heimliche Anführer auf dem Feld agierte. Richtig ist auch, dass er sich spätestens mit seiner Darbietung eines Gladiators im WM-Finale vor 52 Tagen gegen Argentinien ein Denkmal gesetzt hat. Die deutsche Sehnsucht nach einem unbeugsamen Helden – Schweinsteiger hat sie erfüllt.

Doch richtig ist auch, dass sich die Karriere des 30-Jährigen im Herbst befindet. Die EM wird sein letztes Turnier sein. Zudem verhinderte sein Körper zuletzt oft ein Mitwirken im Nationalteam. Von zwölf Testspielen zwischen der EM 2012 und der WM 2014 bestritt Schweinsteiger nur zwei. Lediglich an jedem zweiten WM-Qualifikationsspiel nahm er teil. Der Kämpfer Schweinsteiger wirkte bisweilen wie ein Ritter in rostiger Rüstung. Dazu kommt ein anderes Hindernis: Innerhalb der Mannschaft sei Schweinsteiger ein Kommunikator, sagt Löw zwar richtig. Aber nach außen war er es nie.

Auszeichnung für die Lebensleistung

Löws Entscheidung wirkt daher wie eine Auszeichnung für die unbestrittene Lebensleistung des Nationalspielers Schweinsteiger. Das ist nett, aber nicht zielführend. Und sie ist auch eine politische: Nach Oliver Kahn, Michael Ballack und Lahm ist Schweinsteiger der vierte Münchner in Folge im Amt. Zudem scheut Löw offenbar auch die Debatte um einen „enteierten“ Schweinsteiger, die aufgekommen wäre, hätte sich der Bundestrainer gegen ihn entschieden. Dass man in Deutschland im Umgang mit altgedienten Helden keinen Spaß versteht, weiß Löw seit der Degradierung Ballacks.

Die Rücktritte Lahms, Miroslav Kloses und Per Mertesackers sind eine Chance auf eine Erneuerung. Die Ernennung eines Jüngeren – ob Sami Khedira, Manuel Neuer, Thomas Müller oder Mats Hummels – hätte diese vorangebracht. Die Wahl Schweinsteigers aber dämpft jenen Aufbruch. Löw hat sich für die naheliegende Variante entschieden und damit den Mut vermissen lassen, der ihn noch bei der WM ausgezeichnet hat.