Die WM 2014 war kein Zufall, sondern ein typisch deutsches Produkt. Der Titel ist ein Verdienst von vielen - aber besonders der von Bundestrainer Joachim Löw, meint Hajo Schumacher.
Jawoll. Geschafft. Endlich wieder Weltmeister. Das wurde aber auch Zeit. Acht Jahre hat das Projekt Pott gedauert. Nun ist er da, verdient wie nie.
Nach einem 1:0 gegen die Argentinier ist der Pokal zurückgekehrt ins deutsche Wohnzimmer. Mit einer Präzision und Zuverlässigkeit, die manchem Produkt „Made in Germany“ gut täte, spielte sich die deutsche Elf durchs Turnier, ohne viel Dusel, mit taktischer Brillanz, extremer Fitness, erwachsen, entspannt und mit reflektierter, nicht tumber Disziplin. Für diese Mannschaft muss man sich nicht schämen – mehr Kompliment geht in Deutschland nicht.
Der Macher des Erfolges – wer hätte das vor vier Wochen gedacht – heißt Joachim Löw. Zurückhaltend souverän hat er diesen Start-Ziel-Triumph gebaut. Unbeirrt wie flexibel hat der Bundestrainer den Rhythmus des Turniers aufgenommen und die Grundregel der WM befolgt – mit jedem Spiel zu wachsen. Während anderswo Generale, Genies und Superstrategen selbstgefällig wirkten, hat Löw bewiesen, dass Erfolg keinen Sambazamba braucht, sondern Akribie, mediale Zurückhaltung, ein ordentlich sitzendes Hemd und ein loyales Team. Ob Manager Bierhoff, der dem DFB Millionen für professionelles Arbeiten abtrotzt, ob Chef-Stratege Siegenthaler oder Sportpsychologe Hermann, der die mentale Klebe für das Team liefert. Diese Mannschaft ist Weltklasse.
So erlebte Berlin den Sieg der Deutschen im WM-Finale
Kluge Arbeit lohnt sich
Vergleiche von Fußball mit Politik und Gesellschaft hinken wie Marco Reus. Özil, Khedira und Mustafi sind nicht Beleg für tolle Einwanderungspolitik, sondern zeigen eher, dass vor allem der Fußball einen gerechten Weg nach oben bietet. Der Titel beweist weder die Kraft der deutschen Wirtschaft noch ein neues teutonisches Bewusstsein. Eines aber zeigt dieser Triumph eindrucksvoll: Kluge Arbeit lohnt sich. Die WM 2014 war kein Zufall, sondern ein typisch deutsches Produkt, zu verdanken dem Beharrungsvermögen einiger unerschrockener Köpfe, die geduldig eine Wand aus mauligen Besitzstandswahrern einrissen, jener Teil des Landes, der sich über ein paar Euro Diätenerhöhung empört, aber milliardenschweren Unsinn träge toleriert.
Nach dem WM-Schock von 1998 – zu vergleichen mit dem Desaster des bräsigen brasilianischen Fußballs gerade jetzt – war es der unbequeme neue DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, der die Talentförderung neu aufbaute, und die Vereine machten mit. Der eigenwillige Jürgen Klinsmann etablierte zum Sommermärchen 2006 eine moderne Führungskultur, die Hierarchie durch Leistung ersetzte. Sein unerschrockener Assistent schließlich tüftelte sorgsam weiter.
Stabiles Ensemble exzellent ausgebildeter Fußballer
Löws größte Leistung: Er stellte keine Brigade Kampfpanzer auf, sondern organisierte ein stabiles Ensemble exzellent ausgebildeter Fußballer, die schnell und bemerkenswert fair spielten, gleichwohl den Gegner respektierten, die ihre Meinung äußerten, ohne in Hochmut zu verfallen. Vor allem schafft Löw das Kunststück, die seit vier Jahren leise wachsende Kluft zwischen Nation und Mannschaft behutsam zu schließen. Jetzt ist Löw ganz oben, bei Herberger, Schön, Beckenbauer. Nach Sepp, Helmut, Franz heißt der vierte Stern Jogi.
Dieser WM-Erfolg schafft einen emanzipierten Stolz, der nichts mit vier Wochen Plastikpatriotismus an Autodächern zu tun hat. Die Botschaft lautet: Wer gut ist, der kann hier was werden, wenn viele daran glauben und mitarbeiten. Dieser Geist ist mehr wert als jede Trophäe.