Berlin. Die Füchse Berlin verlieren bei Rekordmeister Kiel und verpassen einen wichtigen Schritt Richtung Meisterschaft.
Der Mann des Spiels hatte eine schlechte Selbstwahrnehmung. Wie viele Paraden Niklas Landin am Sonntagnachmittag gegen die Füchse Berlin präsentiert hatte? Irgendwas um die 15, mutmaßte der Torhüter des THW Kiel. Weit daneben. Es waren 23 – sein persönlicher Karrierebestwert in der Handball-Bundesliga.
„Die Paraden sind eine Sache“, sagte der dänische Weltmeister in seiner gewohnt bescheidenen Art. „Aber zwei Punkte gegen den Spitzenreiter sind eine andere.“ Beides war allerdings untrennbar miteinander verbunden. Landin hielt, nahm den Füchsen die Spielfreude und fügte dem Tabellenführer aus der Hauptstadt eine empfindliche 29:36 (15:17)-Niederlage zu.
Titelkampf in der Handball-Bundesliga ist spannend wie lange nicht
„Wir gehen heute als verdienter Verlierer von der Platte“, bilanzierte Berlins Trainer Jaron Siewert. Seine Mannschaft behält zwar Platz eins in der Liga, weist aber jetzt nicht mehr die wenigsten Minuspunkte vor. Diesen Vorteil haben nun die Kieler, die noch ein Spiel weniger absolviert haben und nur deshalb auf Rang zwei stehen.
Statt also einen großen Schritt Richtung Meisterschaft zu machen, ist den Füchsen die Konkurrenz eng auf den Leib gerückt. Die gute Nachricht aus Berliner Sicht: Entschieden ist nach der Niederlage in Kiel nichts, der Titelkampf verspricht so viel Spannung wie lange nicht mehr.
Mit der Tabellensituation beschäftigte sich nach dem Spitzenspiel in der Ostseehalle aber erst mal niemand. Der THW feierte Landin und die Revanche für die derbe Pleite in der Hinrunde (26:34). Die Füchse haderten mit der zweiten Niederlage gegen ein Top-Team innerhalb kürzester Zeit. Das 29:34 in Magdeburg ist erst drei Wochen her.
Berliner hadern mit eklatanter Abschlussschwäche
Der Grund dafür war schnell gefunden: eine eklatante Abschlussschwäche. „Wenn du auswärts 29 Tore wirfst und Niklas Landin 23 Paraden hat, dann hast du es offensiv nicht so schlecht gelöst – abgesehen vom Abschluss“, erklärte Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar. „Wenn der beste Torhüter der Welt dann noch einen Rekord aufstellt, wird es natürlich eng.“
Vor allem die Außenspieler Tim Freihöfer, Milos Vujovic und Robert Weber verzweifelten an Landins Armen und Beinen, denen kaum ein Ball entwischte. Kapitän Paul Drux brachte nur einen seiner vier Würfe im Tor unter. Und Superstar Mathias Gidsel hatte zu keinem Zeitpunkt die Chance, das Spiel so an sich zu reißen, wie es der 24 Jahre junge Däne in dieser Saison schon so häufig geschafft hatte.
„Es ist frustrierend, wenn du die Dinger nicht reinmachst“, wusste Kretzschmar. „Wenn Landin in deinem Kopf ist, ist es schwer, da rauszukommen.“ Die Füchse fanden keinen Weg, hatten zudem auch noch Probleme mit der exzellenten Abwehrarbeit der Kieler und erhielten wenig bis gar keine Unterstützung von ihrem eigenen Keeper Dejan Milosavljev (insgesamt sieben Paraden).
Kleine Fehler werden sofort bestraft
Nach 20 Minuten schlug sich das Ungleichgewicht zwischen den Pfosten auch im Ergebnis nieder. Kiel zog auf vier Treffer davon (10:14/24. Minute). „Wir hätten mit einer Führung in die Pause gehen können, hatten genügend Chancen, aber haben zu viele Bälle weggeworfen“, sagte Spielmacher Fabian Wiede.
Stattdessen ging es mit zwei Toren Rückstand in die Kabine. Nach einem kurzen Berliner Aufbäumen zu Beginn der zweiten Hälfte, kamen die Füchse plötzlich nicht mehr mit dem Tempo des THW klar. Die Konsequenz: 21:27 nach 42 Minuten, sechs Tore zurück.
Für die Füchse Berlin geht es am Dienstag in der European League weiter
„Ich bin sehr enttäuscht“, erklärte Rechtsaußen Weber, der nur fünf seiner neun Würfe in Tore ummünzen konnte. „Wir haben uns gute Chancen rausgespielt, sind aber zu häufig an Landin gescheitert.“ Kiels Keeper, der den Rekordmeister am Saisonende verlassen wird, wuchs in der Schlussphase einmal mehr über sich hinaus und ließ fast gar nichts mehr zu. In den letzten zehn Minuten landeten nur noch drei Berliner Versuche in den Maschen.
„Im Großen und Ganzen haben wir heute ein gutes Spiel gezeigt“, erzählte Wiede, der mit den Füchsen am Dienstag in der European League im Achtelfinal-Rückspiel gegen Skjern (20.45 Uhr, DAZN) wieder gefragt ist. „Aber Niklas Landin war wieder mal eine Nummer zu groß für uns.“
Der Vielgelobte strahlte einfach nur, freute sich, dass sich seine Kieler im Rennen um den Titel zurückgemeldet haben. „Das war ein richtiges Spitzenspiel“, so Landin. Und mit dieser Einschätzung lag er dann doch noch goldrichtig.