Berlin. Seinen größten Erfolg in der Formel E konnte Stoffel Vandoorne nur bedingt auskosten. Dritter war der Belgier von HWA Racelab Mitte April beim Rennen in Rom geworden, doch weil sich die anschließende Dopingkontrolle verzögerte, kam er kaum dazu, den anwesenden Journalisten von seiner Gefühlslage zu berichten. Die Szene stand exemplarisch für den bisherigen Verlauf der Saison, in der HWA bislang meist nur eine Nebenrolle spielt.
Vorfreude auf Rennen in Berlin ist riesig
Zwar lief es für das deutsche Team, das seit 2018/19 neu in der Formel E ist, zuletzt etwas besser, nachdem es in den ersten fünf Läufen komplett leer ausgegangen war. Entsprechend groß ist auch die Vorfreude auf das Rennen in Berlin am Sonnabend auf dem früheren Flughafen Tempelhof (13 Uhr, live bei ARD und Eurosport). In der Teamwertung rangiert HWA allerdings immer noch nur auf Platz neun unter elf Mannschaften.
„Sportliche Ergebnisse sind für uns in diesem Jahr zweitrangig, wir wollen in erster Linie Erfahrung sammeln“, sagt Teamchef Ulrich Fritz. Es sind überraschend leise Töne, wenn man bedenkt, dass HWA mit elf Fahrertiteln und über 180 Siegen in der DTM zu den erfolgreichsten Rennställen im internationalen Motorsport gehört. Und dass hinter dem Formel-E-Engagement von HWA noch eine andere, viel größerer Marke steckt: Mercedes nämlich.
Mercedes bald in Formel 1 und Formel E
HWA Racelab ist gewissermaßen nur die Vorhut und soll Mercedes den Weg in die Elektrorennserie bereiten, ehe das Unternehmen im nächsten Jahr dann selbst als Werksteam einsteigt. Damit wird Mercedes der erste Autobauer, der sowohl in der Formel 1 als auch der Formel E antritt.
„Die Formel E wird eine komplett neue Spielwiese für uns sein“, sagt Mercedes-Motorsportchef Christian Wolff. Die Voraussetzungen sind allerdings ganz andere als in der Königsklasse, wo die Silberpfeile seit Jahren dominieren. „Es wäre vermessen zu glauben, dass man hier reinkommt und alle sofort in Grund und Boden fährt“, meint Ulrich Fritz. „Die anderen Teams haben zum Teil vier Jahre Vorsprung. Es wird sicher ein, zwei Jahre dauern, ehe wir richtig angekommen sind.“
Formel E ist ein Sport für Spezialisten
Doch der Druck ist groß. Für die Hersteller ist die Formel E die ideale Plattform, um zu zeigen, was sie in Sachen Elektromobilität können. Neben Mercedes stößt bald auch noch Porsche dazu, BMW, Audi, Jaguar und Nissan sind schon länger dabei. Doch je mehr Firmen mitmischen, desto mehr gilt es, sich zu behaupten, auch aus Prestigegründen. Mit HWA übt Mercedes deshalb schon einmal, worauf es ankommt, ehe es ab der nächsten Saison ernst wird.
Nicht nur für das Team ist die Serie eine neue Erfahrung, sondern auch für die Fahrer – neben Stoffel Vandoorne noch der zweifache DTM-Champion Gary Paffett (Großbritannien) –, die auf einmal nicht mehr bloß schnell fahren müssen, sondern zugleich möglichst effizient. „Die Formel E ist ein Sport für Spezialisten. Es braucht Zeit, sich in das Thema hineinzudenken“, sagt Ulrich Fritz.
Technische Probleme mit der Antriebswelle
Momentan bekommt HWA seinen Elektromotor noch von Venturi geliefert. Die häufigen technischen Probleme mit der Antriebswelle sind also nicht unbedingt selbst verschuldet. Erst im Herbst wird es einen eigenen Wagen geben. Allerdings sind in der Formel E viele Bauteile vorgegeben, so dass Mercedes sich den Erfolg nicht einfach erkaufen kann, egal wie viel Geld man in die Entwicklung steckt.
Klar ist aber, dass ein Ergebnis wie in dieser Saison in der Zentrale nicht so gern gesehen würde. „Es muss schon ein deutlicher Schritt nach vorn zu erkennen sein“, weiß auch Ulrich Fritz. Ex-Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg, früher selbst bei Mercedes und heute Anteilseigner bei der Formel E, traut Mercedes sogar zu, mittelfristig ganz vorn mitzufahren. So wie es die Silberpfeile aus der Königsklasse gewohnt sind.