Er ist der Alleinunterhalter im deutschen Sturm. Damit hat Miroslav Klose (30) im finalen EM-Schauspiel gegen Spanien eine Hauptrolle. Gegen Portugal und die Türkei traf er bereits. Nun hat er vor, sich „einen großen Traum“ erfüllen: „Wir wollen den Pokal mit nach Hause bringen.“
Morgenpost Online: Herr Klose, 2002 standen Sie schon einmal in einem großen Finale. Denken Sie jetzt, vor dem Endspiel gegen Spanien, noch an das Spiel gegen Brasilien zurück?
Miroslav Klose: Ja, je näher das Endspiel rückt, desto öfter denkt man noch einmal an 2002 zurück. Aber diesmal wollen wir gewinnen und den Pokal mit nach Hause bringen.
Morgenpost Online: Haben Sie aus dem Finale 2002 etwas gelernt, das Sie 2008 umsetzen können?
Miroslav Klose: Das wird man sehen. Ich denke, dass jeder Spieler, der schon damals dabei war, heute davon profitiert. Außerdem spielt diesmal ja Michael Ballack mit.
Morgenpost Online: Der vor sechs Jahren wegen einer Gelbsperre leider fehlte.
Miroslav Klose: Genau. Zum Glück haben sich ja die Regeln dahingehend geändert, dass alle Gelben Karten nach dem Viertelfinale verfallen, man also wegen einer Verwarnung im Halbfinale nicht im Endspiel gesperrt sein kann. Das ist wichtig, denn im Finale sollen beide Mannschaften in Bestbesetzung antreten. Das ist diesmal der Fall.
Morgenpost Online: Braucht ein Fußballer einen großen Titel, um nachhaltig in Erinnerung zu bleiben?
Miroslav Klose: Ja! Man spielt ja Fußball, um Titel zu gewinnen. Das ist immer das große Ziel. Nun habe ich zum Glück in der Bundesliga schon meine ersten Erfolge gefeiert, aber mit der Nationalmannschaft ist das noch mal etwas anderes. Wir waren 2002 und 2006 kurz davor, diesmal wollen wir den Pokal in den Händen halten.
Morgenpost Online: Was ist das Faszinierende an einem Turnier wie der EM?
Miroslav Klose: Vor allem das Gruppenerlebnis. Nicht nur in der Mannschaft, sondern auch mit den Fans. Diese Faszination zu teilen, ist super, ein überragendes Gefühl.
"Am wichtigsten ist, dass wir mutig sind"
Morgenpost Online: In Deutschland fiebern Millionen mit, die Bundeskanzlerin kommt extra nach Wien. Ist man sich als Fußballer bewusst, was man auslösen kann?
Miroslav Klose: Wir alle sind uns bewusst, was da in Deutschland passiert. 2006 haben wir das ja auch hautnah mitbekommen. Diesmal sehen wir in den Zeitungen und im Fernsehen, welche Begeisterung schon wieder in Deutschland herrscht. Das ist sensationell. Fußball fasziniert die Menschen, das ist doch eine tolle Sache.
Morgenpost Online: Beendet die deutsche Mannschaft 2008 den Weg, den man 2006 mit Jürgen Klinsmann eingeschlagen hat?
Miroslav Klose: Ich hoffe es. Sicher war 2006 ein Riesenerlebnis. Aber den Weg haben wir ja eigentlich schon 2004 genommen, als Klinsmann kam. Es wäre super, wenn wir nun ernten, was wir vor Jahren gesät haben.
Morgenpost Online: Dafür muss Spanien geschlagen werden – wie geht das?
Miroslav Klose: Man hat gesehen, dass wir uns schwer tun, wenn der Gegner den Ball laufen lassen kann. Dann kommen wir schwer in die Zweikämpfe. Deshalb müssen wir von der ersten Minute an richtig draufgehen, den Spaniern keine Luft zum Atmen lassen. Und aufpassen, dass wir nicht in einen Konter hineinlaufen. Aber am wichtigsten ist etwas ganz anderes.
Morgenpost Online: Was denn, bitte?
Miroslav Klose: Dass wir mutig sind. Wir müssen unseren Weg nach vorne suchen. Wie gegen Portugal. Dann haben wir auch Erfolg.
"Wir glauben immer an uns"
Morgenpost Online: Liegen der deutschen Mannschaft eher offensiv spielende Gegner?
Miroslav Klose: Abwarten, ob sie wirklich so spielen. Wir wissen ja noch nicht, ob sie alle Spieler an Bord haben, David Villa ist angeschlagen. Unklar ist daher, ob sie mit einem oder zwei Stürmern spielen, ob Guiza vorne spielt oder ein Fünfer-Mittelfeld aufläuft. Fakt ist: Egal, wie der Gegner spielt, wir müssen unser Ding durchziehen.
Morgenpost Online: International wurde erneut das Phänomen diskutiert, dass Deutschland oft Erfolg hat, ohne brillant zu spielen. Woran liegt das?
Miroslav Klose: Das liegt am Teamgeist, den wir haben. Wir glauben immer an uns. Auch nach dem 2:2 gegen die Türken. Da habe ich in die Gesichter meiner Mitspieler geschaut und gesehen, dass keiner gezweifelt hat und alle den Sieg wollten. Das merkt auch der Gegner.
Morgenpost Online: Sie hatten mit zwei Toren im Viertel- und Halbfinale maßgeblichen Anteil am Einzug ins Endspiel. Aber wo war der berühmte Klosesalto?
Miroslav Klose: So etwas kommt immer aus dem Bauch heraus. Schön wäre es, wenn ich nach dem Finale meinen Salto schlagen könnte. Viel wichtiger aber fand ich, dass ich meine Tore diesmal spät im Turnier erzielt habe. Früher habe ich mir immer vorgenommen, schnell da zu sein, früh meine Tore zu machen. Nun war es so, dass ich zwar konzentriert gestartet bin und für die Mannschaft alles gegeben habe, aber nicht so auf mich fokussiert war. Meine Tore habe ich quasi in der Rückrunde geschossen. Da waren sie umso wichtiger.
"Die Mannschaft steht an erster Stelle"
Morgenpost Online: In den ersten Spielen haben Sie vor dem Tor oft quergespielt. Hätten Sie als Stürmer nicht egoistischer sein müssen und selbst schießen sollen?
Miroslav Klose: Das versuche ich ja schon seit zehn Jahren. Aber es geht nicht. Das ist halt meine Art, Fußball zu spielen. Die Mannschaft steht an oberster Stelle, es zählt nur, gemeinsam erfolgreich zu sein. Da zählt es nicht, ob ich drei, zwei oder kein Tor mache. Wichtig ist, dass wir am Ende den Pott hochhalten. Vor zwei Tagen kam ein Fan zu mir und sagte: ‚Miro, im Finale machst du zwei Tore.’ Da habe ich geantwortet: ‚Und wenn wir 2:3 verlieren?’ Das hat er dann eingesehen.
Morgenpost Online: Sie hatten mit Ihrem Vereinskameraden Luca Toni gewettet, wer bei der EM mehr Tore schießen würde. Er blieb ohne Treffer, Glückwunsch.
Miroslav Klose: Ja, das wird ihn teuer zu stehen kommen.
Morgenpost Online: Worum ging es?
Miroslav Klose: Um ein Abendessen. Mal sehen, wohin ich mich einladen lasse. Bestimmt nicht zum Italiener. Da muss Luca nämlich nie bezahlen.
"Konkurrenzdenken habe ich da überhaupt nicht"
Morgenpost Online: Mario Gomez soll von Bayern München heiß umworben sein. Fürchten Sie einen weiteren Konkurrenten?
Miroslav Klose: Im Gegenteil! Mario ist ein sensationeller Stürmer, ich freue mich über jeden guten Mann, der zum FC Bayern kommt. Konkurrenzdenken habe ich da überhaupt nicht. Und um meinen Stammplatz fürchte ich auch nicht. Außerdem brauchen wir ja Ersatz für die Schlange.
Morgenpost Online: Für wen, bitte?
Miroslav Klose: Oh, Entschuldigung. Schlange ist der Spitzname von Jan Schlaudraff, der zu Hannover 96 geht. Da ist es mir doch lieber, sie holen als Ersatz einen Superstar als einen kleinen Fisch.
Morgenpost Online: Ballack hat kritisiert, dass während der EM über Gomez’ Wechsel verhandelt wurde.
Miroslav Klose: So was kann man nicht ganz ausblenden. Es wird viel geschrieben, viel geredet. Das muss dann jeder mit sich selbst ausmachen. Ich glaube aber nicht, dass Mario das so belastet hat, dass er nicht frei aufspielen konnte. Das war alles Pech. Wenn ich den Ball gegen Polen besser quer spiele, macht er ihn rein und hätte jetzt vielleicht schon fünf Tore auf dem Konto.
Morgenpost Online: Nach dem Halbfinalsieg gegen die Türkei dirigierte Podolski erst den Fanchor, warf sich danach wie ein Rockstar in die Menge. Wäre das auch etwas für Sie?
Miroslav Klose: (lacht) Um Gottes Willen! Ich bin doch froh, dass wir ein Original haben, der uns das abnimmt. Nein, im Ernst: Poldi und auch Schweini sind dafür geboren, so etwas zu machen. Ich weniger.