Berlin. Der Neue wirkt eher schmal. Die 80 Kilogramm, die er wiegen soll, sind so gut verteilt auf seinen gut 180 Zentimetern Körpergröße, dass man sie ihm kaum ansieht. Nur das Gesicht erscheint mächtig, was aber ausschließlich am dichten Vollbart liegt, den Landon Ferraro trägt. Diese haarige Pracht verleiht ihm deutlich mehr Präsenz, als es sein Körper sonst tun würde.
Von der offiziellen Verpflichtung am Freitagmittag bis zu den ersten Eindrücken in Berlin ging alles sehr schnell. „Es ist aufregend, hier zu sein. Berlin ist ein neues Abenteuer“, sagt der Stürmer, der nun Teil der Eisbären Berlin ist. Er durfte schon zusehen beim 6:2 gegen Krefeld. „Das war ein tolles Spiel und eine tolle Stimmung in der Halle“, so der 28-Jährige, der bis vor wenigen Tagen noch im Camp der Vancouver Canucks um einen Vertrag in der nordamerikanischen NHL kämpfte. Weil er ihn nicht bekam, wechselt er nun in die Deutsche Eishockey Liga (DEL).
Familie mit großer Eishockeytradition
Vieles ist natürlich neu, Berlin ist die erste Europastation für den Kanadier. Aber es gibt auch Vertrautes. „Louis-Marc Aubry ist mir als einer der ersten begegnet in der Halle. Es gab eine dicke Umarmung, es ist schön, jemanden zu haben, den man besser kennt“, erzählt Ferraro. Beide spielten einige Zeit in Grand Rapids in der AHL zusammen, der Liga unter der NHL. Bei Aubry erkundigte sich Ferraro auch zunächst über die Eisbären, nachdem er kurzfristig das Angebot erhalten hatte. Nun spielen beide wieder gemeinsam.
Noch nicht am Sonntag in Ingolstadt (16.30 Uhr, Magentasport). Ferraro muss noch Tests erledigen, Papierkram, nächste Woche könnte er dabei sein. „Er ist vielleicht nicht besonders auffällig, aber er gibt uns Tiefe. Er spielt ein gutes Eishockey und versteht das Spiel sehr gut. Was kein Wunder ist bei seinen Eltern“, sagt EHC-Trainer Serge Aubin. Der Vater heißt Ray Ferraro, spielte über 1300 Mal in der NHL. Die Stiefmutter ist Cammi Granato, Olympiasiegerin und Weltmeisterin mit den USA. Sein Onkel Tony Granato lief über 850 Mal in der NHL auf. Das Eishockey ist stark in seiner Familie. Obwohl zwei seiner jüngeren Brüder tatsächlich Fußball spielen.
Gesparte Energie soll jetzt freigesetzt werden
Landon Ferraro musste in letzter Zeit öfter zuschauen, als er spielen konnte. Kreuzband, Leiste. „Ich hatte immer wieder Verletzungen, aber jetzt ist alles wieder gut. Natürlich braucht es aber Zeit, um sich auf dem Eis und mit dem Puck richtig wohl zu fühlen“, so Ferraro. Er müsse sich erst an das Tempo gewöhnen. Dann seien „viel Geschwindigkeit und viele Schüsse von mir zu erwarten“. Der Angreifer ist allerdings sehr zuversichtlich, was das betritt. „Ich habe durch die Verletzungen auch viel Energie gespart“, sagt er mit einem Lächeln. Jetzt will er diese Energie rauslassen.
Obwohl Ferraro, der 84 Partien in der NHL zu verzeichnen hat und 387 Partien in der AHL, nun eher schmächtig wirkt, wird es mit ihm nun dennoch eng bei den Eisbären. Da es bis auf Florian Busch derzeit keine Ausfälle gibt, muss der Trainer aufgrund der Kadergröße nun mehr selektieren. Für Fabian Dietz und Sebastian Streu, der gerade schon in Weißwasser beim Kooperationspartner in der zweiten Liga spielte, wird gemeinsam kaum mehr Platz sein. Einer von beiden dürfte daher immer nach Weißwasser geschickt werden. Für den bis November nach Düsseldorf ausgeliehenen Charlie Jahnke sinken die Chancen auf Einsätze ebenfalls deutlich, seine Rückkehr würde kaum mehr Sinn ergeben.
Der Trainer ist in einer komfortablen Position
Doch nicht nur für die jungen Spieler wird der Platz rar, da davon auszugehen ist, dass im Normalfall alle neun Ausländer auch spielen werden. Aus dem Kader, wie er am Freitag aussah, müsste mit Ferraro auch einer der etablierten deutschen Spieler weichen. Selbst für Kapitän André Rankel, für Nationalspieler Leonhard Pföderl und Verteidiger Constantin Braun wird der Konkurrenzkampf stark zunehmen. Für einen Trainer sicher keine schlechte Ausgangslage. Die Profis müssen sich noch mehr aufdrängen, Präsenz zeigen. Ein dichter Bart hilft dabei aber eher nicht.