Berlin. Der neue Eisbären-Trainer Serge Aubin spricht in der Morgenpost über seine Ziele in Berlin und den Weg, den er dafür einschlagen will.

Die neue Wohnung ist schon gefunden, in der Nähe des Tiergartens wird sich Serge Aubin demnächst niederlassen. Für zwei Jahre steht der 44-Jährige beim EHC Eisbären unter Vertrag. Als neuer Trainer soll der Kanadier den Rekordmeister der Deutschen Eishockey Liga (DEL) wieder näher an die Spitze führen. In Österreich wurde der frühere Stürmer bereits Meister, zuletzt stand er in Zürich an der Bande. Die Morgenpost sprach mit ihm über seine Ziele in Berlin und den Weg, den er dafür einschlagen will.

Berliner Morgenpost: Herr Aubin, Sie waren gerade zum Nachwuchscamp der Eisbären in der Stadt und haben sich mit dem neuen Umfeld etwas vertraut gemacht. Aber zunächst: Wie war es denn in der Heimat, konnten Sie sich erholen?

Serge Aubin: Ich war nur kurz in Kanada. Wir haben gerade unser Haus in Val-d’Or verkauft und leben jetzt komplett in Europa.

Das ist ein sehr ungewöhnlicher Schritt für einen Nordamerikaner. Warum haben Sie das gemacht?

Unsere Kinder sind seit 2006 in Europa aufgewachsen, für sie ist das hier das Zuhause. Sie sprechen, im Gegensatz zu mir, fließend deutsch. In den vergangenen Jahren waren wir schon immer nur einen Monat in Kanada gewesen, weil es sich wegen der Schule nicht anders einrichten ließ. Der einzige Unterschied jetzt ist, dass wir uns im Urlaub eine andere Unterkunft suchen müssen. Aber wir haben ja die Familie dort. Das wird schon klappen.

Und wo wohnen Sie aktuell?

Noch bin ich in Zürich, aber bald ziehen wir nach Berlin. Wir haben uns entschieden, den Ort zu unserem Zuhause zu machen, an dem ich arbeite. Das erlaubt mir, auch im Sommer im Umfeld der Mannschaft zu bleiben, was ich sehr gut finde.

Als Sie im Januar in Zürich entlassen worden sind, waren Sie sofort ein großes Thema in Berlin. Warum hat es bis zur Unterschrift so lange gedauert?

Nach der Episode mit den ZSC Lions wollte ich erst einmal etwas Zeit haben, um über alles nachzudenken. Das hatte ich seit ungefähr 20 Jahren nicht. Wenn ich zurückblicke, war das wirklich gut für mich. Ich hatte endlich mal Zeit, ein wenig die Akkus aufzuladen und neuen Spaß an der Arbeit zu finden. Andererseits mussten sie hier auch sorgfältig überlegen, was sie wollen und haben mit einigen Trainern gesprochen.

Mit Sportdirektor Stéphane Richer verbindet Sie eine gemeinsame Zeit in Hamburg. Hat Ihnen das bei der Entscheidung geholfen?

Durch unsere Zeit in Hamburg weiß ich, was er will, wie er Dinge erledigt haben möchte. Wir denken sehr ähnlich, das gilt auch für Geschäftsführer Peter John Lee. Das hat für mich einfach gepasst, es ist eine große Gelegenheit für mich. Ich hatte losen Kontakt auch zu anderen Klubs, aber mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass es die richtige Entscheidung ist. Ich kenne das Herz der Eisbären, wir haben hier mit Hamburg gespielt und hatten es immer schwer. Dahin wollen wir zurück, dass es jeder Gegner hier schwer hat.

Serge Aubin 2017 mit dem Meisterpokal, den er mit den Vienna Capitals gewann.
Serge Aubin 2017 mit dem Meisterpokal, den er mit den Vienna Capitals gewann. © imago/GEPA pictures | GEPA pictures/ Daniel Goetzhaber

Ihnen schlägt eine gewisse Skepsis entgegen seitens der Fans wegen der früheren Verbindung zum Sportdirektor. Beschäftigt Sie das?

Um ehrlich zu sein, denke ich darüber nicht nach. Die Fans hier sind sehr leidenschaftlich. Daran erinnere ich mich sowohl als Spieler und auch als Trainer. Sie wollen ein Team sehen, das kämpft, das wetteifert – und das ist doch absolut in Ordnung. Ich gebe immer alles, dort, wo ich bin. Das war schon immer so. Und ich verlange das auch von den Spielern. Jeder muss sich der Verantwortung, die er trägt, bewusst sein. Das werde ich den Spielern sagen, und zwar mit sehr klaren Worten.

Wie viele haben Sie denn schon kennengelernt? Wie betrachten Sie Ihr neues Umfeld?

Bislang habe ich wohl die halbe Mannschaft getroffen. Ansonsten musste ich mir erst einmal das Analysesystem der Eisbären, das neu für mich ist, auf meinem Computer installieren lassen, damit ich mich eingehender mit dem Spiel der Mannschaft beschäftigen kann. Beurteilen will ich die Spieler aber nicht danach, was sie in der Vergangenheit gemacht haben, sondern danach, wie ich sie erlebe, wenn wir in die Vorbereitung starten.

Was genau zu verbessern ist im Vergleich zur Vorsaison, können Sie also noch gar nicht genau sagen?

Ich bin gerade dabei, mit dem Videosystem auf die Fähigkeiten der Spieler zu schauen und mache mir Gedanken, wo ich die Spieler einbauen kann in das System beziehungsweise wie ich mit ihnen spielen kann, um Erfolg zu haben. Grundsätzlich habe ich einen Plan, wie ich spielen will. Ich möchte, dass wir ein laufstarkes Team sind. Das ist wichtig heutzutage. Ich möchte, dass wir mit Leidenschaft spielen, ich möchte eine schlaue Mannschaft, die das Spiel bestimmt, den Puck kontrolliert, die unerbittlich ist, wenn wir den Puck nicht haben. Dynamisch und mitreißend soll die Mannschaft agieren. Dazu muss ich sichergehen, dass jeder seine Aufgabe schnell versteht, auf das Eis geht und einfach spielen kann, ohne dabei nachdenken zu müssen. Aber das wird etwas dauern.

Dazu brauchen Sie Talent im Team, das ist die eine Sache. In der vergangenen Saison wirkte die Mannschaft oft nicht bereit, ihre beste Leistung abzurufen. Wie wollen Sie dieses Problem angehen?

Das ist eine Entscheidung, die wir von Anfang an treffen müssen. Wir verlassen uns nicht darauf, den einfachen Weg zu finden, wir nehmen den harten Weg. Ich möchte, dass wir eine Mannschaft sind, die hart arbeitet. Die mit der Einstellung in ein Spiel geht, alles zu tun, was nötig ist. Dafür brauchen wir jeden Spieler, jede Reihe, denn das ist nicht leicht. Darum möchte ich die Jungs erst einmal auf einer persönlichen Ebene kennenlernen. Sehen, wie sie ticken.

Sie sind noch ein recht junger Trainer. Könnte das vielleicht ein Vorteil sein, um schnell eine gute Beziehung zum Team aufzubauen und es auf die richtige Linie zu bekommen? Ihr Vorgänger Clément Jodoin (67) hatte da ein paar Probleme.

Ich verstehe, wie die Spieler denken und fühlen, wenn die Saison sich hinzieht und im Januar die Aufregung vielleicht etwas verflacht ist. Die Kommunikation liegt mir ganz gut, denke ich. Meine Spieler sind alles für mich, ich kümmere mich um sie. Ich möchte, dass sie alles für das Team und den Sieg geben. Sie sollen aber auch Spaß haben, eine enge Gruppe sein. Ich werde sie fordern, aber wenn alles mit Vertrauen passiert, funktioniert es.

Nachdenklich: Serge Aubin bei den ZSC Lions. Im Hintergrund Craig Streu, der ihn als Assistent auch nach Berlin begleitet.
Nachdenklich: Serge Aubin bei den ZSC Lions. Im Hintergrund Craig Streu, der ihn als Assistent auch nach Berlin begleitet. © picture alliance/KEYSTONE | Melanie Duchene

Sie sollen vermehrt mit jungen Profis spielen, Sie sollen offensiv spielen und das im besten Fall auch noch erfolgreich. Hohe Anforderungen für die erste Saison. Oder?

Wir wollen die jungen Spieler entwickeln, das ist wichtig für den langfristigen Erfolg des Klubs. Aber ich verstehe auch den Markt in Berlin, wir sind hier, um zu gewinnen. Natürlich ist die Liga eng, natürlich sind Mannheim und München sehr stark, aber es geht immer ums Gewinnen. Es ist eine große Chance für uns zu zeigen, was wir haben. Wir jagen sie, wir wollen auch dort oben hin. Jeder Trainer fängt jetzt damit an, die Vorbereitungen zu treffen, dass er das letzte Spiel der Saison gewinnt. Auch ich bin hier, um zu gewinnen.

In der Vergangenheit war der Erfolg ein ständiger Begleiter der Eisbären. Inzwischen wächst die Sehnsucht nach dem Erfolg immer stärker, weil er schon etwas zurückliegt. Wie gehen Sie damit um?

Ich möchte sicherstellen, dass wir unser Potenzial maximieren, dass wir das Beste herausholen. Wenn wir immer an unserer Grenze spielen, muss niemand etwas bereuen, dann werden die Fans sehr stolz sein. Wie weit uns das bringt, wird man sehen. Aber wenn wir es tun, werden wir eine Menge Spiele gewinnen. Doch das ist nicht einfach, es fängt damit an, wie bereit man ist, hart zu arbeiten, wenn niemand zusieht. Am Dienstagmorgen, wenn wir schuften, um Freitagabend etwas abliefern zu können.