Eisbären Berlin

Eisbären-Chef Lee: „Wir haben leblos gespielt“

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Stéphane Richer (links), Sportlicher Leiter Stefan Ustorf und Peter John Lee von den Eisbären Berlin

Stéphane Richer (links), Sportlicher Leiter Stefan Ustorf und Peter John Lee von den Eisbären Berlin

Foto: Lisa Ducret / ZB

Klub-Boss Lee und Sportdirektor Richer sprechen über Veränderungen bei den Eisbären und den Widerstand gegen einen möglichen Trainer.

Berlin. Alle warten in diesen Tagen. Kurz nach dem Ausscheiden im Viertelfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) haben die Eisbären Berlin sich von neun Spielern getrennt. Ein neuer Trainer soll bald eingestellt werden. Es ist viel in Bewegung beim EHC, der zuletzt eher eine träge Personalpolitik verfolgte. Die Morgenpost sprach mit Geschäftsführer Peter John Lee und Sportdirektor Stéphane Richer, der die halbe Saison auch den Trainerposten übernommen hatte. Sie reden über Notwendigkeiten, über Erwartungen und über Widerstand.

Berliner Morgenpost: Herr Lee, Sie sind ein Mann, der nicht gern loslässt. Diesmal trennte sich der Klub gleich von einer ganzen Reihe von Spielern. Wie geht es Ihnen damit?

Peter John Lee: Schwer ist es immer. Eine sportliche Karriere findet meist nicht am gleichen Ort statt. Als Mike Bullard im Jahr 2000 ging, war damals im Welli eine Stimmung, als hätten sich die Beatles getrennt.

Ganz so extrem war es beim diesjährigen Abschlussfest nicht, aber gerade bei Spielern wir Jens Baxmann und Micki DuPont, die lange für die Eisbären spielten, war die Stimmung doch schon sehr gedrückt. Hatten Sie auch eine Träne im Auge?

Lee: Vielleicht ein bisschen. Diese Spieler haben viel für den Klub geleistet, sind tolle Menschen, aber wir müssen an die Eisbären denken, daran, wie es weitergeht.

In solchen Momenten ist es sicher gut, jemanden zu haben, der die Aufgabe übernimmt, den Spielern mitzuteilen, dass es nicht weitergeht.

Stéphane Richer: Für mich ist das auch nicht leicht. Peter und ich haben selbst gespielt, wir wissen, wie es ist, keinen Vertrag mehr zu bekommen. Das ist der weniger schöne Teil von unserem Geschäft. Wir haben entschieden, dass wir dieses Jahr einen großen Schnitt machen – und Micki sowie Jens bei diesem Schnitt dabei sind. Wir denken, es ist Zeit für uns, nach vorn zu schauen.

Wann war Ihnen klar, dass es mit ein paar wenigen Wechseln nicht getan ist diesmal?

Richer: Sicher war das Verletzungspech ein großer Faktor für das Ergebnis in der Hauptrunde, mit dem wir nicht zufrieden sind. Aber aufgrund der Verletzungen konnten wir auch viele Dinge sehen. Einmal, dass unsere jungen Spieler vielleicht nicht reif genug waren, jetzt schon in der DEL zu spielen. In so einer Situation brauchst du dann wiederum mehr Leistung von deinen Topleuten. Allein wegen der Verletzungen haben wir die Top vier nicht verpasst.

Welche Problemfelder wurden genau ausgemacht

Lee: Man kann das vielleicht nicht immer eins zu eins übertragen, aber wenn man sich an den Statistiken orientiert, fehlen uns unter anderem durch die Verletzungen im Vergleich zum Vorjahr 40 Tore von deutschen Top-Spielern. Wenn du dir das Torverhältnis in der Liga anschaust, wären wir mit 30 Toren mehr eine der besten offensiven Mannschaften gewesen.

Richer: Wir brauchen Leute, die Tore schießen und trotzdem die Einstellung mitbringen, in der Defensive zu arbeiten, in die Zweikämpfe zu gehen, Bullys zu gewinnen.

Lee: Wir haben den jungen Spielern immer gesagt, dass das Toreschießen ein Bonus ist. Wichtig ist, dass du keine Gegentore bekommst, wenn du auf dem Eis bist. Wenn du Tore schießt, aber trotzdem im Minus bist, dann ist das keine Produktion. Offensive kommt von der defensiven Arbeit.

Diese Botschaft kam bei einigen erfahrenen Profis nicht an. Wie oft haben Sie an der Einstellung mancher Spieler gezweifelt?

Lee: Stéphane und ich haben die gleiche Auffassung, wie wir Eishockey spielen wollen. Was mich tief getroffen hat, ist die Art und Weise, wie wir die ersten Monate gespielt haben. Das war so leblos. Wir hatten Gründe, dass nicht alles lief. Aber diese Leidenschaft, nicht einmal nur dafür, für die Eisbären, sondern überhaupt Eishockey zu spielen, die war nicht da. Am Ende hat alles wieder gestimmt, aber das habe ich auch am Anfang erwartet. Vor Weihnachten war nach ein oder zwei Gegentoren oft alles vorbei.

Richer: Nur mit dieser Leidenschaft haben wir eine Basis, auf der man aufbauen kann. Für mich ist jetzt auch wichtig, dass die neuen Spieler, die kommen werden, gute Beispiele sind für unsere jungen Spieler. Wir wollen wieder diese Kultur etablieren, mehr junge, deutsche Spieler aufzubauen. Dafür brauchen wir gute Vorbilder aus der neuen Generation von Eishockeyprofis, die jeden Tag hart im Kraftraum arbeiten, diszipliniert sind, sich immer verbessern wollen und dafür stets alles tun.

Trotzdem klingt es schon nach etwas Risiko, wenn der Top-Torjäger weg ist in Jamie MacQueen, in DuPont der Top-Verteidiger.

Richer: Wenn du wie die Eisbären große Pläne hast, dann ist das die Richtung, in die du gehen musst. Wir wollen oben mitspielen, das war in den letzten drei Jahren zweimal nicht der Fall. Unsere Erwartungen sind groß, dazu gehört auch die Vorrunde. Die Fans kommen hierher, sehen diese besondere Umgebung. Sie sollen aber auch ein besonderes Gefühl haben, wenn sie wieder weggehen. Das war zuletzt nicht genug. Was wir erwarten, ist, dass wir eine Mannschaft haben, die vom ersten Tag an Leidenschaft zeigt. Im Training und im Spiel. Wir wollen eine Mannschaft, die zusammenhält.

Auf der Torhüterposition stehen Entscheidungen noch aus, ob es mit Kevin Poulin weitergeht, ist nicht sicher.

Lee: Gehen wir nur mit Marvin Cüpper und Maximilian Franzreb in die Saison?

Richer: Nicht nur mit den beiden. Aber wir schauen unsere Optionen an, ob wir mit den beiden und einem weiteren Deutschen starten, mit Poulin oder einem anderen ausländischen Torwart. Wir reden mit dem Agenten von Poulin. Er hatte einen sehr guten Start, dann war er sehr durchschnittlich, am Ende war er wieder ok. Ich weiß, dass er ein Fanliebling ist, am Ende des Tages müssen wir alles analysieren.

Der neue Trainer soll bezüglich der Torhüter mitreden dürfen. Tut er das schon?

Richer: In den letzten Gesprächen, wo es für uns um die finale Entscheidung ging, haben wir mit den letzten drei Kandidaten auch über die Mannschaft gesprochen. Wir wollen einen Trainer, der bereit ist, mit der Mannschaft zu arbeiten, die wir haben. Der unserer Meinung ist darüber, wie wir Eishockey spielen wollen. Es soll keiner kommen, der dann plötzlich sagt, dass er anders spielen möchte als besprochen. Wir wollen aktiv spielen, in der Offensive. Das haben wir in den Gesprächen mit den Kandidaten diesmal deutlicher herausgestellt, um keine Überraschung zu erleben. Der Trainer muss auch mit jungen Spielern arbeiten wollen, weil wir diese Richtung einschlagen werden und uns dabei an den ersten Meisterschaften der Eisbären orientieren.

Der vermeintlich heißeste Kandidat, Serge Aubin, kommt bei vielen Fans nicht gut an, weil er mehr als alter Kumpel aus ihren Hamburger Zeiten wahrgenommen wird, Herr Richer. Haben Sie schon mal vorab solchen Widerstand gegen einen Trainer erlebt?

Richer: Im Eishockey gibt es keine Kumpels, es ist und bleibt ein Geschäft. Ein Fan hat beim Abschlussfest zu mir gesagt: Du weiß, dass du es schwer hast bei uns, denn du warst in Hamburg und Mannheim.

Lee: Das Herz der Fans muss man sich verdienen.

Richer: Jemand, der mich kennt, weiß, dass mein Herz dort ist, wo ich gerade arbeite. Es war nicht einfach, die Pfiffe als Trainer jedes Spiel hören zu müssen.

Lee: Unsere Fans sind mit viel Feuer dabei, dagegen ist nichts zu sagen. Aber letztlich müssen wir so entscheiden, wie wir es als richtig empfinden. Es gibt ja Beispiele dafür, dass der eine oder andere nicht willkommen war. Ein Stefan Ustorf spielte bei den Capitals und in Mannheim, den wollte hier keiner sehen. Jetzt hängt sein Trikot unter dem Dach.

Wann ist es soweit, wann kommt der neue Coach?

Richer: Innerhalb der nächsten vier Wochen können wir unseren neuen Trainer vorstellen. (Marcel Stein)