Berlin. Am Sonntag gegen 14 Uhr wird beim 46. Berlin-Marathon in jedem Fall Geschichte geschrieben. Dann, so haben es die Organisatoren ausrechnen lassen, wird der einmillionste Teilnehmer in der langen Veranstaltungsgeschichte durchs Ziel laufen. Einem Hobbyläufer wird diese Ehre zuteil werden, so viel ist klar, denn die echten Stars werden zu diesem Zeitpunkt längst fertig sein mit ihrem Rennen. Und wenn es nach Gladys Cherono geht, wird das Publikum dann schon den ersten historischen Moment des Tages erlebt haben.
Uta Pippig gewann dreimal in Berlin
Die Kenianerin will die Erste sein, die zum vierten Mal beim Berlin-Marathon gewinnt. Drei Siege hat sie bereits zu Buche stehen: Nach den Erfolgen von 2015 und 2017 war sie auch im Vorjahr nicht zu schlagen, als sie mit 2:18:11 Stunden den 13 Jahre alten Streckenrekord deutlich unterbot. Damit hat Cherono bislang jedes ihrer Rennen in der Hauptstadt gewonnen.
In der ewigen Bestenliste liegt sie zurzeit noch gleichauf mit Aberu Kebede (Äthiopien), Uta Pippig und Renata Kokowska (Polen), die ebenfalls drei Mal triumphierten. Mit einem weiteren Erfolg würde sich die 36-Jährige zur alleinigen Rekordhalterin krönen.
Die Außenseiterrolle ist Cherono los
„Ich werde mein Bestes geben“, sagt sie. Das Training sei gut gelaufen, die Form ähnlich gut wie im vergangenen Jahr. Damals war Cherono trotz aller vorherigen Erfolge nicht unbedingt die erste Sieganwärterin gewesen – das war eher Tirunesh Dibaba, als dreimalige Olympiasiegerin und fünfmalige Weltmeisterin eine der besten Läuferinnen aller Zeiten. Doch Gladys Cherono ließ sich davon nicht beeindrucken und wies Dibaba am Ende klar in die Schranken. Dieses Mal trägt sie selbst die Last der Favoritin. „Als Marathonläuferin muss ich mit diesem Druck umgehen können“, sagt sie. Am Ende werde es darauf ankommen, wer im Vorfeld am besten trainiert hat und wer seine Leistung am Wettkampftag am besten abrufen kann.
Die Titelverteidigerin hat auch schon schwere Zeiten durchgemacht. Nach ihrem ersten Berlin-Erfolg 2015 hatte sie im Jahr darauf Pech, denn aufgrund eines Ermüdungsbruchs verpasste sie die Chance, sich für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro zu qualifizieren. „Als ich verletzt war, hatte ich nicht gedacht, dass ich wieder diesen Leistungsbereich erreichen könnte“, sagt sie. Das Gegenteil war der Fall. Mittlerweile scheint auch mit den 2:18:11 Stunden noch nicht das letzte Wort gesprochen zu sein.
Cherono hat in Berlin starke Konkurrenz
Cheronos möglicher Rekordsieg ist nicht der einzige Grund, weshalb das Frauenrennen beim Berlin-Marathon in diesem Jahr ganz besonders im Mittelpunkt steht. „Nach dem Weltrekord von Eliud Kipchoge im vergangenen Jahr, der ohnehin schwer zu toppen gewesen wäre, haben wir den Fokus dieses Mal mehr auf die Frauen gelegt“, sagt Renndirektor Mark Milde.
Mit Cherono, der zweimaligen 5000-Meter-Olympiasiegerin Meseret Defar sowie der aktuellen Olympia-Dritten und ehemaligen Weltmeisterin im Marathon, Mare Dibaba, rechnen sich für Sonntag gleich drei Weltklasseläuferinnen beste Siegchancen aus. „Es ist mit das stärkste Frauenfeld, das wir in Berlin jemals an den Start gebracht haben“, sagt Milde. Überhaupt ist das vermeintlich schwache Geschlecht im Laufsport momentan das interessantere, zumindest was die Spannung angeht.
Fokus liegt diesmal auf den Frauen
Bei den Männern ist der Kenianer Eliud Kipchoge nicht erst seit seinem Weltrekordlauf die klare Nummer eins. Im Oktober will er in einem extra für ihn auf die Beine gestellten Rennen als erster Mensch einen Marathon unter zwei Stunden absolvieren, wenngleich die Zeit aufgrund der besonderen Umstände nicht als Weltbestmarke anerkannt werden würde. Bei den Frauen dagegen gibt es nicht die eine Athletin, die alles dominiert, was es für die Zuschauer umso spannender macht. Selbst nach der Absage von Olympiasiegerin Vivian Cheruiyot stehen in Berlin noch genügend starke Läuferinnen im Feld, die Gladys Cherono den Sieg streitig machen wollen.
Allen voran Meseret Defar, auf der Bahn nach ihren zwei Olympia-Goldmedaillen und den beiden WM-Titeln längst eine Legende. Insgesamt neun Mal verbesserte sie im Stadion den Weltrekord. Auf der Straße wartet die 35-Jährige allerdings noch auf den Durchbruch. Ihr Debüt über 42,195 Kilometer war vor einem Jahr mit 2:27:25 Stunden zwar ordentlich, gemessen an ihrem Potenzial aber keinesfalls überragend.
Auch die Bahn-Legende Defar hat viel vor
„Der große Unterschied zur Bahn ist, dass man beim Marathon Geduld haben muss“, sagt sie. Trotzdem will sie lieber früher als später ebenfalls unter 2:20 Stunden laufen. „Ich habe mir Berlin ausgesucht, weil die Strecke schön flach ist und die vielen Zuschauer immer für eine tolle Stimmung sorgen“, sagt sie. Nach einem achten Platz in Amsterdam 2018 und Rang vier in Nagoya in Japan im Frühjahr peilt Defar nun ihren ersten Marathonsieg an. Auch sie will in Berlin Historisches erreichen.