Champions-Serie

Alica Schmidt: Ein schönes Gesicht ist nicht alles

| Lesedauer: 5 Minuten
Philip Häfner
Alica Schmidt versteht es, sich in Position zu bringen. Am liebsten in ihrem Sport, im 400-Meter-Lauf.

Alica Schmidt versteht es, sich in Position zu bringen. Am liebsten in ihrem Sport, im 400-Meter-Lauf.

Foto: Jörg Krauthöfer / FUNKE FOTO SERVICE / FUNKE Foto Service

Die Leichtathletin Alica Schmidt wurde berühmt durch ihre vielen Fans bei Instagram. Inzwischen läuft sie aber auch sehr schnell.

Berlin. So ganz kann es Alica Schmidt immer noch nicht begreifen. Diese Zahl – 456.000. So viele Menschen folgen der Berlinerin momentan auf Instagram, womit sie von allen Leichtathleten hierzulande vermutlich die größte Fangemeinde besitzt. Sprinterin Gina Lückenkemper vom SCC Berlin, das neue Gesicht der deutschen Leichtathletik, kommt auf 141.000 Follower, Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler auf 78.000, Weitsprung-Ass Malaika Mihambo auf etwas mehr als 10.000.

Alica Schmidt: „Heißeste Leichtathletin der Welt“

Sportlich mögen die drei deutlich erfolgreicher sein, doch im Internet ist Alica Schmidt die Nummer eins. „Das ist ziemlich irreal“, meint die 400-Meter-Läuferin über ihre Popularität in den sozialen Medien. „Wenn ich diese Zahl lese, wird mir manchmal erst bewusst, wie viele Leute ich mit meinen Beiträgen erreiche.“ Sogar auf der Straße wird die 20-Jährige gelegentlich angesprochen.

Alles begann vor zwei Jahren, als ausländische Medien auf ihr Instagram-Konto aufmerksam wurden. Britische und australische Zeitungen schrieben über die „heißeste Leichtathletin der Welt“ – in einigen Ländern gab es sogar Fernsehberichte. „Ich habe keine Ahnung, warum gerade ich diesen Titel bekommen habe“, sagt Schmidt. Niemand habe sie vorher kontaktiert. Am Ende hätten die meisten wohl bloß voneinander abgeschrieben.

Sportartikelhersteller buhlen um Alica Schmidt

So ist ihre Geschichte eben nicht bloß ein Lehrstück für die Wirkungskraft des Internets, sondern auch dafür, was im heutigen Journalismus gelegentlich falsch läuft. „Das macht einem schon Angst, wenn die eigene Person so unkontrolliert durchs Internet wabert“, meint Alica Schmidt.

Zu Beginn sei ihr der plötzliche Ruhm unangenehm gewesen. Mittlerweile hat sie sich allerdings damit arrangiert. Immerhin kann sie inzwischen gut davon leben, hat Verträge mit namhaften Sportartikelherstellern. „Ich bin glücklich, dass es sich so gut mit dem Sport ergänzt“, sagt sie.

Sie will nicht nur ein Internetsternchen sein

Denn das ist ihr wichtig: dass sie nicht bloß als Internetsternchen wahrgenommen wird oder als Model, sondern als Athletin. Sechs Mal pro Woche trainiert sie beim SCC Berlin. „Der Sport steht ganz klar an erster Stelle“, betont sie, weshalb sie auch eine Anfrage des „Playboy“ abgelehnt hat, der ebenfalls auf sie aufmerksam geworden war. Alica Schmidt ist überzeugt, dass gerade das auch der Grund ist, warum sie im Internet so gut ankommt: „Es gibt Tausende Mädels auf Instagram, die gut aussehen und trotzdem nicht so viele Fans haben. Es braucht daneben noch etwas, das einen interessant macht. Und bei mir ist das eben der Leistungssport.“

Anfangs hielt die Leistung noch nicht ganz mit der Zahl ihrer Follower mit. Es gab doch einige Läufer, die deutlich schneller waren als sie. Mittlerweile macht Alica Schmidt jedoch auch auf der Tartanbahn deutliche Fortschritte.

Sportliche Heimat beim SCC gefunden

In dieser Saison steigerte sie ihre Bestzeit bereits um eine halbe Sekunde auf 53,66 Sekunden und erreichte damit kürzlich bei den deutschen Meisterschaften im Olympiastadion Platz sechs. Damit landete sie vor ihrer Vereinskollegin und WM-Teilnehmerin Svea Köhrbrück und nur eine Hundertstel hinter der dreimaligen deutschen Meisterin Ruth Sophia Spelmeyer (Hannover).

Zuvor hatte Schmidt bei den U23-Europameisterschaften Bronze mit der 4x400-Meter-Staffel gewonnen. Schon ihre zweite internationale Staffelmedaille nach Silber bei der U20-EM vor zwei Jahren. „Ich bin sehr froh, dass das Training bei Sven Buggel direkt gefruchtet hat“, sagt sie. Im vergangenen Herbst hatte sie sich seiner Trainingsgruppe beim SCC angeschlossen, zuvor war sie für den SC Potsdam gestartet. Schmidt wohnt zwar nach wie vor in der Landeshauptstadt. „Aber beim SCC habe ich jetzt meine sportliche Heimat gefunden. In Potsdam habe ich früher immer allein trainiert. In Berlin habe ich gemerkt, wie viel ich durch das neue Training und eine richtige Trainingsgruppe noch aus mir herausholen kann. Dadurch habe ich in diesem Jahr noch einmal enorm an Spaß dazugewonnen.“

Die Lästereien werden weniger

Auch ihre Strecke hat sie inzwischen gefunden. Nachdem Schmidt bis 2018 auch noch über 400 Meter Hürden antrat und dort im Vorjahr DM-Fünfte wurde, konzentriert sie sich jetzt ganz auf die Stadionrunde ohne Hindernisse. „Ich mag es, an meine Grenze zu gehen und mich auszupowern. Ich liebe es, wenn ich nach einer Einheit so richtig erschöpft bin“, sagt sie. Und je besser sie wird, desto leiser dürften die kritischen Stimmen derjenigen werden, die ein Problem damit haben, wie sich Schmidt im Internet vermarktet.

„Ich weiß, dass hinter meinem Rücken geredet wurde“, sagt sie – auch weil im Netz zum Teil falsche Dinge kolportiert wurden. So hieß es in einem Artikel, sie wolle Olympiasiegerin werden, was sicher nicht realistisch ist. „So ein Satz ist natürlich eine Einladung für hämische Kommentare, wenn es dann einmal nicht läuft“, sagt sie. Olympia ist zwar tatsächlich das Ziel. Allerdings wohl eher in der Staffel und erst 2024 in Paris. Falls ihr das gelingt, dürfte die Zahl der Fans bald noch weiter in die Höhe gehen.