Berlin. Beim ersten Training wäre Yacouba Pfälzner am liebsten gleich wieder abgehauen. Er kannte ja niemanden in seinem neuen Leichtathletik-Verein. Am Ende blieb er doch und hat diese Entscheidung bis heute nicht bereut. Davonlaufen tut er jetzt nur noch der Konkurrenz. Bei den deutschen U20-Meisterschaften in Rostock krönte sich der Zehlendorfer in diesem Jahr zum Sprintkönig, indem er erst die 100 Meter und tags darauf auch noch die 200 Meter für sich entschied.
Es war das erste Sprint-Double bei deutschen Jugendmeisterschaften seit 2012. Dabei war der Start über 100 Meter eigentlich nur zum Warmlaufen gedacht. Yacouba Pfälzner wollte ursprünglich nur den Vorlauf absolvieren, um sich dann ganz auf die doppelt so lange Distanz zu konzentrieren. Aber dann lief es so gut, dass er auch über 100 Meter voll durchzog.
„Das war ein geiler Wettkampf“, sagt der 19-Jährige. Über 200 Meter verbesserte er sich am nächsten Tag sogar gleich um eine halbe Sekunde und unterbot in 20,86 Sekunden auch den fast 30 Jahre alten Berliner Rekord von Lars Olbricht (20,91) aus dem Jahr 1989.
In Mali geboren, von einer Tübinger Familie adoptiert
Dabei hatte Pfälzner sich eine Zeit von unter 21 Sekunden erst für das kommende Jahr vorgenommen, wenn er in die Juniorenklasse U23 aufrückt. Der Doppelerfolg kam auch deshalb überraschend, weil der Berliner kurz zuvor bei der U20-WM nur als Ersatzläufer dabei gewesen war. Wieder einmal war er bei einem internationalen Ereignis nur Zuschauer – so wie schon 2016, als er um eine Hundertstel die Norm für die U18-EM verpasst hatte. „Da hat sich einiges angestaut, was ich jetzt in Rostock endlich alles herauslassen konnte“, sagt er.
Yacouba Pfälzner ist in Mali in Westafrika geboren, wurde aber schon als Baby im Alter von wenigen Monaten von einer Tübinger Familie adoptiert und kam nach Deutschland. „An meine leiblichen Eltern habe ich keine Erinnerung“, sagt er. Mit sieben zog er dann mit seiner neuen Familie nach Berlin, spielte zunächst Fußball und kam als Zehnjähriger zur Leichtathletik.
Sein großes Vorbild ist Weltrekordler Usain Bolt (Jamaika). „Sprinter sind einfach die Coolsten“, meint Pfälzner. Die Sprintentscheidungen wolle niemand verpassen. Das merke er selbst bei Jugend- und Regionalmeisterschaften.
„Ich stehe gern im Rampenlicht“
Ihn selbst stört der Rummel nicht: „Ich stehe gern im Rampenlicht“, sagt der 19-Jährige. Wenige Tage vor den Europameisterschaften in Berlin durfte er beim Test-Länderkampf sogar im Olympiastadion laufen, inklusive Einmarsch durchs Marathontor und Präsentation auf der großen Leinwand. „Da hat man sich schon ein bisschen vorstellen können, wie es in ein paar Jahren sein könnte“, sagt er.
Für seinen Trainer Sven Buggel steht fest: „Er hat das Potential, in Deutschland zu den Besten zu gehören.“ In Berlin könnte Pfälzner in die Fußstapfen des mittlerweile 33 Jahre alten Lucas Jakubczyk treten, des deutschen Meisters von 2012 und dreimaligen EM-Medaillengewinners mit der Staffel. Jakubczyk war es übrigens auch, der ihn als 16-Jährigen in die Sprintgruppe des SCC Berlin holte.
Mittlerweile wird Pfälzner von Sven Buggel betreut. Unter seinen Trainingskollegen sind auch viele 400-Meter-Läufer. Für ihn selbst sei diese Strecke allerdings nichts: „Nie im Leben, da mache ich eher Ballett“, meint Pfälzner.
Ab April bei der Polizei
„Er hat manchmal seinen eigenen Kopf“, sagt sein Coach über ihn. Er sei niemand, der einfach nur Anweisungen ausführt. Stattdessen würde er sich intensiv mit der Materie auseinandersetzen und auch regelmäßig eigenen Input geben, so Buggel.
Yacouba Pfälzner weiß eben, was er will, und er kann das im Training auch artikulieren. „Ich möchte mich bei den Männern etablieren und international starten“, sagt er. Neben dem Sport wird der junge Sprinter im April 2019 seinen Dienst bei der Polizei antreten. Berlins Verbrecher werden sich warm anziehen müssen. Bei Pfälzners Spurtstärke könnte Abhauen bald keine Option mehr sein.