Berlin. Der WM-Dritte Richard Schmidt gilt beim Degenturnier um den „Weißen Bären“ als Favorit. Zumindest will er die Finalrunde erreichen.
Wenn die Freundin von Degenfechter Richard Schmidt Pech hat, dann kommt in den nächsten Wochen eine ganze Menge Arbeit auf sie zu. Denn jedes Mal, wenn ihrem Freund auf der Planche ein großer Erfolg gelingt, setzt sie sich hin und bastelt eine Collage zur Erinnerung, die sich der Fechter dann zu Hause an die Wand hängen kann. Zurzeit arbeitet sie noch immer am Bild zu den letztjährigen Weltmeisterschaften in Leipzig, wo Schmidt völlig überraschend die Bronzemedaille geholt hatte. Falls er an diesem Wochenende auch noch bei der 58. Auflage des „Weißen Bären“ in Berlin gewinnen sollte, wird wohl bald noch ein weiteres Kunstwerk fällig.
Durch Bronze auf Rang 19 der Weltrangliste geklettert
Die Veranstaltung im Olympiapark (Sonnabend/Sonntag, jeweils ab 9 Uhr) hat zwar nicht den Stellenwert einer Meisterschaft oder eines Weltcups, doch gerade für die einheimischen Fechter geht es dort um viel Prestige. „Es ist ein Traditionsturnier und durch den Austragungsort im historischen Kuppelsaal etwas ganz Besonderes“, meint Richard Schmidt. Der Saal war 1936 eigens für die Fechtkämpfe bei den Olympischen Spielen in Berlin errichtet worden – nun finden dort seit zwei Jahren die Finalrunden des „Weißen Bären“ statt.
Schmidt kam bislang noch nicht in den Genuss, dort zu fechten, weil er 2016 und 2017 jeweils schon vor dem Viertelfinale die Segel strich. Dieses Mal rechnet er sich deutlich mehr aus. „Ich fahre auf jedes Turnier, um zu gewinnen“, sagt der 25-Jährige. Er ist in guter Verfassung: In der Weltrangliste hat Schmidt sich bis auf Rang 19 vorgekämpft, von Platz 135 im vergangenen Sommer. Und beim topbesetzten Grand Prix in Doha (Katar) schaffte er es kürzlich immerhin bis die Runde der besten 16. In Berlin ist er damit einer der Favoriten.
Für Tokio würde er sogar sein Staatsexamen verschieben
Gute Chancen haben aber auch Lukas Bellmann, die aktuelle Nummer eins der deutschen Rangliste, und Benjamin Steffen, der mit der Schweizer Mannschaft zuletzt zweimal hintereinander WM-Bronze gewann. Am Start ist mit Matteo Tagliariol aus Italien außerdem der Olympiasieger von 2008. Er ist 34 Jahre alt, doch an guten Tagen immer noch einer der Besten.
Solche Namen machen Richard Schmidt keine Angst mehr. Auch früher schon hatte er sich zugetraut, gegen die Topleute bestehen zu können, doch erst die WM-Bronzemedaille im vergangenen Jahr hat ihm gezeigt, dass das tatsächlich so ist. „Das war ein schönes Gefühl und eine große Motivation für die kommenden Jahre. Wenn man so etwas einmal erlebt hat, dann will man natürlich mehr“, sagt er. Sein großes Ziel sind die Olympischen Spiele in Tokio – dafür würde der Offenbacher sogar sein juristisches Staatsexamen verschieben.
Trainerwechsel brachte Schwung ins Nationalteam
Schmidts Medaille war bei den Weltmeisterschaften die einzige für das deutsche Team und zugleich die erste Einzelmedaille im Degenfechten seit 16 Jahren. Großen Anteil daran hatte sein Heimtrainer Mario Böttcher, der seit Herbst 2016 auch als Bundestrainer tätig ist. „Er hat neuen Schwung reingebracht“, sagt Richard Schmidt. Böttchers Vorgänger, der Franzose Didier Ollagnon, hatte auf die immer gleichen Leute gesetzt, ganz egal, wie gut diese gerade in Form waren. „Das hat einige frustriert, weil sie es nie in die Mannschaft geschafft haben, auch wenn sie sich noch so sehr anstrengten“, so Schmidt.
Inzwischen erfolgt die Nominierung wieder knallhart nach Leistung. Schmidt sagt: „Das hat den Konkurrenzkampf belebt. Gleichzeitig ist ein neues Teamgefühl entstanden, weil nun klar ist, dass sich die Mitglieder der Mannschaft ihren Platz auch wirklich verdient haben.“