Der Rückflug geriet zu einer schweigsamen Angelegenheit. Was sollten die Spieler von Alba Berlin auch sagen angesichts der sportlichen Blamage? Die Enttäuschung beim Basketball-Bundesligisten stand jedem der Profis ins Gesicht geschrieben. Als sie Donnerstagmittag am Flughafen Tegel ihre Sporttaschen vom Gepäckband nahmen, war auch die Spannung aus ihren Körpern gewichen. Die meisten igelten sich mithilfe von Kopfhörern und lauter Musik ein. Ein sportlicher Trauerzug.
Nach dem Titelgewinn vor zwei Jahren war der achtmalige Deutsche Meister 2009 in der Vorschlussrunde ausgeschieden. Nach der 58:69 (27:31)-Niederlage am Mittwochabend gegen die in der Normalrunde nur auf Rang sieben platzierten Frankfurt Skyliners ereilte die favorisierten Berliner, die als Zweiter aussichtsreich ins Play-off gestartet waren, nun sogar bereits im Viertelfinale das vorzeitige Saisonende – eine herbe Enttäuschung angesichts des mit 7,5 Millionen Euro höchsten Etats der Liga. Leider liegt Alba damit im Berliner Trend.
Den leiteten in der abgelaufenen Saison die Eisbären ein. Sie gehören in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) zu den Top Vier beim Budget. Nach zwei Meisterschaften in Folge sollte in diesem Jahr Nummer drei folgen. Die Hauptrunde dominierten die Berliner auch nach Belieben, doch dann war im Play-off-Viertelfinale Schluss. Und als wäre derlei sportliche Talfahrt nicht genug, verabschiedete sich Hertha BSC Anfang Mai aus der Beletage des deutschen Fußballs. Ein Jahr nachdem im Hauptstadtfußball dank eines vierten Platzes Hoffnungen auf internationales Flair genährt wurden, folgt nun der bittere Gang in Liga zwei.
Stellt sich die Frage: Warum sind die besten Mannschaften der Hauptstadt plötzlich so schlecht? „Das ist zurzeit eine Pechsträhne, wie es sie im Sport leider immer mal wieder gibt“, sagt Manfred von Richthofen, einst Präsident des Landessportbundes Berlin und heute Ehrenpräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). „Das Abschneiden der großen Vereine schmerzt mich, denn mein Berliner Sportlerherz wünscht sich doch schon sehr, dass in den Sportarten wie Fußball, Eishockey oder eben Basketball die Meister aus unserer Stadt kommen.“ Allerdings dürften die sportlichen Enttäuschungen jetzt nicht in einen Topf geworfen werden. „Alba und die Eisbären haben in den Normalrunden in ihren Ligen sehr gut gespielt, dennoch langte es in beiden Fällen nicht zum Titelgewinn. Bei Hertha hingegen hat man das Unglück schon früh kommen sehen.“
"Da fehlt dann manchmal einfach die nötige Konzentration"
Zwei Jahre in Folge wurde Berlin vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) zur Sportstadt Nummer eins gekürt, auch weltweit gehört die Hauptstadt zu den führenden Sportmetropolen. Fürchtet von Richthofen nun um den Ruf der Sportstadt Berlin? „Nein, keineswegs“, sagt der frühere Hockeyspieler, die Berliner müssten keine Angst haben, in die Zweitklassigkeit zu sinken, wenngleich der Wiederaufstieg für Hertha BSC sehr hart werde: „Einsätze in der Provinz mit einem fanatischen Publikum werden nicht leicht zu bewältigen sein. Aber ich bin sicher, dass die Eisbären und Alba wieder mit glänzenden Aussichten in ihre nächsten Spielzeiten starten.“
Und dann gebe es in den zuschauerwirksamen Sportarten ja auch noch die Handballer der Füchse Berlin, die Hoffnung auf die Zukunft machen. „Sie haben einen erstaunlich guten Lauf, obwohl sie erst seit drei Jahren in der ersten Liga spielen.“ Auch die Volleyballer des SCC seien stets vorn mit dabei. Oder die Wasserfreunde Spandau 04, die vor ihrem 30. Titelgewinn stehen.
Deren Klubpräsident Hagen Stamm ist erschüttert ob des sportlichen Misserfolges der drei Hauptstadt-Vereine. „Ich habe es noch nie erlebt, dass wir Berliner in den großen Ballsportarten keine Chance auf die Titel hatten“, sagt der frühere Weltklasse-Center, „sonst gab es immerhin einen Verein, der uns Paroli geboten hat.“ Stamm kennt sich mit sportlicher Dominanz und ihren Risiken und Nebenwirkungen aus. „Es besteht dann im Play-off durchaus mal die Gefahr, alle Viere von sich zu strecken, weil man die gesamte Saison über keinen Minuspunkt kassieren musste. Da fehlt dann manchmal einfach die nötige Konzentration.“ Oder ist es vielleicht die Arroganz des Hauptstädters, der eine sich anbahnende Katastrophe zu lange einfach nicht wahrhaben will. „Nein“, sagt Stamm, „aber vielleicht ist das eine gewisse Leichtsinnigkeit. Eine Meisterschaft ist kein Selbstläufer.“
"Der Abstieg von Hertha ist eine Katastrophe für Berlin"
Box-Coach Ulli Wegner trainiert zwar keine Mannschaften, fühlt aber als Berliner mit ihnen. Das frühe Scheitern von Alba und den Eisbären bringt er nicht in Zusammenhang mit Überheblichkeit. „Wenn du als klarer Favorit ins Play-off gehst, dann hast du natürlich ein bisschen das Gefühl von Überlegenheit“, sagt der mehrmals zum „Berliner Trainer des Jahres“ gewählte Wegner, „die Spieler sind aber alle Profis und kämpfen um ihre Verträge, das heißt, sie kämpfen auch um ihr Geld. Und Geld verdient man nur durch Erfolg.“
Das weiß auch Bob Hanning. Und der Geschäftsführer der Füchse Berlin ist froh, dass es im Handball kein Play-off gibt. Für ihn sind die Eisbären als Hauptrundenerster gefühlter Meister und Alba als Zweiter Vize-Meister. „Beide Mannschaften haben über Jahre bewiesen, dass sie führend in ihrer Sportart sind“, sagt der Manager, „es wäre doch uninteressant, wenn sie jedes Jahr alles gewinnen würden. Das Viertelfinalaus ist für beide sehr schade, aber es gehört zum sportlichen Leben dazu.“ Es gebe keine Höhen ohne Tiefen und keine Freude ohne Trauer: „Ich bin mir sicher, dass Alba und die Eisbären noch Geschichte schreiben werden.“ Im Fußball verhalte sich das anders. „Hertha ist ein Zugpferd, ein Marke, die weltweit wahrgenommen wird. Der Abstieg von Hertha ist eine Katastrophe für Berlin.“
Die Politik steht auch weiter zu ihren Klubs. „Was die Berliner Vereine in der Ersten und Zweiten Liga leisten, bleibt spitze“, sagt der für den Sport zuständige Innensantor Ehrhart Körting, „und wenn es mal eine Durststrecke gibt, muss man das für eine Saison mal ertragen. Nächstes Jahr wird es auch wieder besser. Die Stadt steht hinter ihren Vereinen.“