Immerhin fährt Werner Lorant (61) zum Telefonieren rechts ran. Solange er im Auto unterwegs ist, verweigert selbst er die Aussage. Und das will was heißen. Jetzt wundert er sich nur, dass das verwundert. Ja, denkt denn alle Welt nur schlecht von ihm? Lorant sagt, er halte sich immer an die Regeln. Mag sein, dass er in deren Auslegung manchmal großzügig ist. Aber im Grunde ist seine Welt doch einfach, so einfach wie der Fußball. „Ich schaue mir das Training an. Wer gut arbeitet, kann bleiben. Wer schlecht arbeitet, kann nach Hause gehen.“
Das gilt für die Bundesliga wie für die Regionalliga, da macht er diesmal halt, immerhin in der Hauptstadt Berlin, Tennis Borussia, vierte Liga, elfter Platz. Na und? Immerhin ist das kein Tennisverein.
Zuletzt, das nur nebenbei, war immer häufiger Lorant derjenige, der nach Hause geschickt wurde, wenn er es mal wieder übertrieb, er den Präsidenten gar keine andere Wahl ließ, wenn eben der Erfolg fehlte. „Pah!“ Was soll’s? So ist Fußball: ungerecht und unvorhersehbar. Und so ist Lorant: temperamentvoll, gern mal cholerisch, rechthaberisch, laut, autoritär, fanatisch, unbeherrscht und altmodisch.
Er hatte seine große Zeit als Trainer von 1860 München. Neun Jahre lang. Von der Bayern-Liga bis in die Bundesliga. Das macht ihm so schnell keiner nach. Auch er selbst nicht. Nebenbei: Lorant hat seither einen Ruf. Mehr nicht. Trotz vieler Versuche, die alte Platte lief nicht mehr. Zwölf Vereine in den vergangenen neun Jahren. Auch das macht ihm keiner nach. Manchmal waren die Koffer noch nicht mal ausgepackt.
TeBe zahlte zuletzt keine Gehälter
Dunajska Streda war die bislang letzte Station des Trainers Lorant. Jetzt ist er ja Sportdirektor. Heißt? „Das bedeutet, dass ich für die erste Mannschaft zuständig bin.“ Ist das nicht der Trainer? „Auch. Ich muss dem Trainer eine vernünftige Mannschaft hinstellen.“ Der Trainer heißt Thomas Herbst, und der hat diese Woche erst mal mit der Mannschaft gestreikt. Am Dienstag blieb der Trainingsplatz leer. Nicht wegen Lorant, nein, TeBe zahlt die Gehälter nicht, die in der Regionalliga Aufwandsentschädigungen heißen. Der Präsident vertröstet nur, die Spieler sind bockig, und Lorant ist wieder in seinem Element. „Die sollen nicht mit so ’nem Scheiß anfangen. Wer streikt, kann nach Hause gehen. Dann spiele ich eben mit der zweiten Mannschaft.“
Macht der Gegner schließlich auch: Hertha BSC II trat am Karfreitag, 14 Uhr, pünktlich an, die erste Mannschaft von Tennis Borussia auch. Ausgestreikt, Endstand 1:1. Und dass er dem Trainer nicht reinredet, hat Lorant auch schon gesagt. Und doch liegt die Vermutung nahe: Nach Herbst kommt nicht Winter. Nach Herbst kommt Lorant. „So’n Quatsch“, sagt der. Trainer? „Interessiert mich nicht.“ Nur der Verein. Mehr Mitglieder, mehr Fans, mehr Punkte. Das hätten sie gern bei Tennis Borussia. Und er? Erst mal raus aus dieser Liga. Ist nicht sein Niveau. Auch, wenn er sich schon mal in der Bezirksliga versucht hat, achte Liga von oben, sechste von unten. Vergebens, selbst da. Er ist einfach abgehauen. Na und? Jetzt werden bei TeBe wieder andere Ansprüche formuliert.
So ist Lorant auch schon mit dem Satz zitiert worden, Berlin sei groß genug für drei Zweitliga-Klubs. Union könne abwarten, bis die Hertha von oben runter kommt und Tennis Borussia von unten rauf. Heute relativiert er das schon wieder etwas. „Wenn ich sage, ich will in die Zweite Liga, dann meinen die Leute: Der hat doch einen an der Waffel.“
Jetzt muss er Klinken putzen
Auf gar keinen Fall. Seit Lorant unter der Woche in der Nacht mit dem Auto in München losfuhr, um am Mittag seinen Dienst anzutreten, hat er schon so manche Klinke geputzt. Fährt durch die Stadt und übers Land, redet, redet, redet. Reden kann er wirklich, immer auf der Suche nach wahren Freunden und solventen Sponsoren. Sein Name und seine Beziehungen sollen genutzt werden, so hat der Präsident Mario Weinkauf den Coup begründet.
Es fehlen dem Verein dem Vernehmen nach 200.000 Euro kurzfristig, noch mal so viel mittelfristig, langfristig soll es ein Kooperationspartner richten. Und dann wird sicher auch ein Gehalt für den Sportdirektor drin sein. Bis dahin arbeitet Lorant ehrenamtlich, Tatsache, für lau, vorerst zumindest, einem guten Berliner Freund zuliebe, der eine Marketingfirma hat, aber scheinbar keine Penunze.
Warum tut er sich das an?
Erst mal muss die Lizenz her, schwierig genug, am Donnerstag wurden die Unterlagen zum Deutschen Fußball-Bund (DFB) nach Frankfurt gebracht. Seither ist das große Bangen angesagt. Warum Lorant sich auf so was einlässt? Eine Berliner Zeitung wurde schon frech: Lorant werde „den Schaukasten Berlin für seine fußballerische Resozialisierung nutzen“. Der schüttelt jetzt seine mittlerweile schneeweiße Mähne, sagt wieder was vom „Scheißdreck, der da geschrieben wird“. Was soll denn bitteschön dieser Mist, und was heißt denn Schaukasten Berlin? Also ehrlich, er war schon in der ganzen Welt. Da ist Berlin nichts Besonderes. Er kann was erzählen.
Trotz allem, die Türkei war das Beste, sehr gute Fußballspieler, fantastische Fans; einmal, ganz am Anfang, hat er mit Fenerbahce 6:0 gegen den Erzrivalen Galatasaray gespielt, so was bleibt haften, seither ist er ein Held in Teilen Istanbuls. Als er Jahre später wieder kam in die Türkei, war alles vergleichsweise armselig, Kayseri Erciyesspor, das ist SüperLig, letzter Platz, das ist Südanatolien, ganz weit weg von der Hauptstadt, Fußballperipherie – und wieder geflogen. Sechs Spiele, sechs Niederlagen, das war dann noch mal Kasimpasaspor, gefeuert, nie wieder Türkei.
Iran, sagt er, war noch gut, die Koreaner sind so fleißig, und dann China, viel zu groß, das Land, das reine Chaos, wegen Olympia durften sie nicht auf die Plätze, mussten 300 km entfernt trainieren, „nee, China hätte ich mir echt sparen können“. China sparte sich Lorant, er flog schon nach drei Monaten.
Ein Vielflieger im doppelten Wortsinn also. Was könnte so einem denn ausgerechnet Tennis Borussia anhaben? „Nichts. Gar nichts.“ Aus Schaden klug? Von wegen, das würde ja Einsicht voraussetzen. Er aber: „Warum soll ich mich ändern? Ich werde denen hier schon verklickern, was ich will.“ Bis dahin: immer feste druff.