Stuttgart. Serhou Guirassy hat den VfB Stuttgart in der Bundesliga nach oben geschossen. Das weckt Begehrlichkeiten. Ex-Stürmer Cacau schwärmt.

Es ist eine Sensation, manche sprechen von einem Wunder, was da vor sich geht im Südwesten Deutschlands. Der VfB Stuttgart, zuletzt gefangen im trüben Abstiegskampf, ist plötzlich auf den zweiten Bundesliga-Platz gestürmt. Und ganz vorne trifft und trifft und trifft einer, der im Alter von 27 Jahren auf einmal durchstartet und nicht mehr aufzuhalten ist: Serhou Guirassy. Wie konnte das gelingen?

Um die Stuttgarter Innenstadt herum erheben sich Berge, Straßen schlängeln sich hier nach oben – das erinnert ein wenig an die Hollywood-Hills. Unten aber lärmt es im Kessel, am Hauptbahnhof wird noch immer am Bahnprojekt Stuttgart21 gehämmert. Das Stadion des wichtigsten Klubs der Stadt liegt knapp fünf Kilometer entfernt in jenem Kessel, daneben befindet sich ein Werk der Mercedes-Benz-Group, dem börsennotierten Mammut-Unternehmen.

An Geld und Arbeitsplätzen mangelt es hier in Baden-Württemberg nicht, Mercedes und Porsche, ebenfalls in der 600.000-Einwohner-Großstadt beheimatet, haben im Sommer sogar rund 100 Millionen Euro in den VfB Stuttgart gepumpt. Trotzdem trat der Klub in den vergangenen Jahren auf wie ein rostiger Gebrauchtwagen, trotzdem mussten vor der Saison die Eckpfeiler Wataru Endo, Borna Sosa und Konstantinos Mavropanos zwangsverkauft werden.

Guirassy löst Euphorie beim VfB Stuttgart aus

Alles roch wieder nach Abstiegskampf. Stattdessen: Euphorie. Der VfB erinnert an große Zeiten, an das magische Dreieck, bestehend aus Fredi Bobic, Giovane Elber und Krassimir Balakow, an die Sensationsmeisterschaft 2007 mit Mario Gomez. Und vorne besticht ein Sensationsstürmer. Serhou Guirassy hat in sieben Spielen bereits 13 Tore geschossen, das hat noch keiner vor ihm geschafft, kein Gerd Müller, kein Robert Lewandowski. Guirassy erlebe gerade „seine Stunde“, sagt Cacau, „sein Momentum“.

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2007 wurde Cacau Meister mit dem VfB Stuttgart, 2010 hatte er den vorerst letzten Hattrick für die Schwaben erzielt. Bis Guirassy beim 3:1 gegen den VfL Wolfsburg innerhalb von nur 15 Minuten drei Tore geschossen hat. „Er ist sehr vielseitig, es ist beeindruckend, wie er seine Tore macht, mit dem Kopf, per Weitschuss“, meint der ehemalige Nationalspieler. „Er kann auch außerhalb des Sechzehnmeterraumes etwas mit dem Ball anfangen, er bewahrt die Ruhe, kann Angriffe einleiten. Für mich ist er derzeit der kompletteste Stürmer der Liga.“

Serhou Guirassy: Ausstiegsklausel beträgt nur 20 Millionen Euro

Alles zu schön, um wahr zu sein? Vielleicht. Wie bei fast jeder Aufsteigererzählung gibt es bereits Anzeichen, dass irgendwann die Realität in die Euphorie krachen wird. Guirassy hat in seinem Vertrag eine Ausstiegsklausel, die 20 Millionen Euro betragen soll. Wenig für einen Rekordmann. „Es wäre schön, wenn er bleibt“, sagt Cacau. Ob dies klappe, hänge davon ab, auf welchem Platz Stuttgart am Ende lande.

Die Fans träumen von der Champions League, für Cacau, der als Markenbotschafter seines Ex-Klubs arbeitet, ist allerdings jeder Punkt einer gegen den Abstieg. „Bei aller Euphorie geht es darum, eine solide Saison zu spielen und möglichst früh mit dem Klassenerhalt planen zu können. Darauf könnte man dann aufbauen.“

Seyhou Girassy (r.) und Sebastian Hoeneß sind die Granden des Erfolgs des VfB Stuttgart.
Seyhou Girassy (r.) und Sebastian Hoeneß sind die Granden des Erfolgs des VfB Stuttgart.

Am kommenden Samstag reist der VfB Stuttgart nun zu Union Berlin (15.30 Uhr/Sky), es folgt ein Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim (28. Oktober, 15.30 Uhr/Sky). Der Klub hofft in diesen Partien auf weitere Erfolge, weitere Tore von Serhou Guirassy. Der guineisch-französische Fußballspieler hat schon einmal in der Bundesliga gespielt, von 2016 bis 2019 stürmte er beim 1. FC Köln, wurde aber wegen fehlender Durchsetzungskraft zurück nach Frankreich geschickt. Erst lieh ihn der VfB Stuttgart 2022 von Stade Rennes aus, verpflichtete in dann im vergangenen Mai für rund neun Millionen Euro fest.

Er liebe Stuttgart, sagt Guirassy, es sei einfach ein guter Verein, eine gute Stadt. „Er ist der große Kopf des Erfolgs“, meint Trainer Sebastian Hoeneß. „Es gibt aber keinerlei Gefahr oder Sorge, dass er abhebt oder Allüren bekommt.“ In Stuttgart wollen sie grundsätzlich bodenständig bleiben. So solle die Spannung erhalten bleiben, erklärt Sportdirektor Fabian Wohlgemuth.

Hoeneß hat großen Anteil am Erfolg des VfB Stuttgart

Neben Guirassy hat Trainer Hoeneß, seit April 2023 im Amt, Sohn von Uli Hoeneß‘ Bruder Dieter, entscheidenden Anteil am Erfolg. Chris Führich, 25, blüht unter ihm auf. Genauso Kapitän Waldemar Anton, 27. Hoeneß sei „ambitioniert und gleichzeitig bodenständig“, sagt Cacau. „Das ist eine besondere Konstellation.“

Cacau möchte nun vor allem den Moment genießen. „Ich freue mich“, sagt er, „dass es nach vielen Jahren, in denen es gegen den Abstieg ging, in denen kein schöner Fußball geboten wurde, wieder Spaß macht, Spiele des Klubs zu schauen“.