München. Das 1:1 gegen die TSG Hoffenheim sorgte beim FC Bayern München für ratlose Gesichter. Auch Thomas Tuchel wirkte schockiert.

Bemützt, aber mit kurzen Hosen schritt Thomas Müller im kühlen Grau zur Tat. Auch Joshua Kimmich und Matthijs de Ligt waren unter den ersten Spielern des FC Bayern, die sich am Sonntag davon überzeugen konnten, weiterhin sehr begehrt zu sein. Ein öffentliches Training hatte der Verein zum Ende der Osterferien angesetzt. Dicht gedrängt standen die Menschen rund um den Rasenplatz auf dem Gelände an der Säbener Straße, und es war ganz im Sinne dieser Fans, dass die Profis als erste Amtshandlung des Tages Unterschriften auf Trikots und Bälle setzten und für Selfies posierten. João Cancelo erledigte die Finger- und Fotoübung gar in Badeschlappen, auch Sadio Mané war nach seiner zurückliegenden Suspendierung für das Spiel gegen Hoffenheim dabei. Über das Gesicht des Trainers Thomas Tuchel huschte zwischendurch ein Lächeln. Für Heiterkeit sorgte später auch ein Junge, der auf den Platz gelaufen war, um Jamal Musiala beim Rondo zu begrüßen.

Die Volksfeststimmung stand im Kontrast zum Nachgang des 1:1 (1:0) gegen die TSG Hoffenheim in der Bundesliga tags zuvor, als Benjamin Pavards Führung (17.) noch durch den Freistoß von Andrej Kramaric ausgeglichen worden war (71.). Das Befinden beim FC Bayern war danach auf dem vorläufigen Tiefpunkt angelangt. „Eine absolut schlechte Leistung“, beklagte Kimmich, „die geht nicht, in keinem Spiel, vor allem nicht zu so einem Zeitpunkt.“ Ähnlich konsterniert klang Müller, nachdem er seinen Dank an den VfB Stuttgart für das späte 3:3 gegen Borussia Dortmund übermittelt hatte, wodurch der Zwei-Punkte-Vorsprung des Tabellenführers aus München auf den Verfolger BVB bestehen geblieben war. „Wir waren alle ein bisschen geschockt von unserer eigenen Performance“, sagte Müller, „der Trainer muss sich, glaube ich, auch erstmal schütteln.“

Tuchel wirkte nach dem Hoffenheim-Spiel angefasst

In der Tat hatte Tuchel nach seinem fünften Pflichtspiel im neuen Amt erstmals angefasst gewirkt, nachdem er zuletzt das Aus im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Freiburg und die 0:3-Niederlage gegen Manchester City im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League samt Manés tätlichem Angriff auf Leroy Sané in der Kabine noch ruhig moderiert hatte. „Schockverliebt“ habe er sich in seine neue Mannschaft, hatte er am vergangenen Dienstag gar bekundet, nachdem diese Pep Guardiolas Meister der Premier League zumindest eine gute Stunde lang ernsthaft gefordert hatte.

Am Ende seiner turbulenten ersten drei Dienstwochen kam Tuchel nach dem lethargischen Auftritt gegen Hoffenheim aber nicht mehr um eine lange Mängelliste und Fundamentalkritik herum. „Ein großer Rückschritt“ sei das gewesen, sagte er. Mehr geschockt als verliebt wirkte Tuchel nun, als er mit Blick aufs Rückspiel gegen City beklagte, man habe „eine riesengroße Chance verpasst, uns und unsere Fans in eine Stimmung zu bringen, die nötig sein wird, um überhaupt dran zu glauben.“ Und zwar an eine spektakuläre Aufholjagd, die erforderlich wäre, um noch ins Halbfinale der Champions League einzuziehen. Doch nach dem Auftritt gegen Hoffenheim bestand zunächst wenig Anlass zu dieser ohnehin kleinen Hoffnung. „Wir haben alles vermissen lassen“, sagte Tuchel und adressierte seine Spieler, als er feststellte: „Es fehlt uns der Sinn, dass es brennt.“

Hoffenheim-Leistung spiegelt viele Probleme wider

Sie sind sich zunehmend selbst ein Rätsel beim FC Bayern. Dabei kam die Darbietung gegen Hoffenheim nur bedingt überraschend. Vielmehr spiegelte sie viele Probleme der Mannschaft in dieser Saison in konzentrierter Form wider. Besonders auffällig waren die zunehmend verzweifelten Offensivbemühungen. Es fügte sich ins Bild, dass die Führung einem Zufall entsprang, als Kingsley Comans verrutschter Distanzschuss bei Pavard landete. Die zweite Halbzeit bestätigte vor allem den Gesamteindruck dieser Saison, dass den vielen Tempodribblern die finale Zuspitzung und kühle Vollendung abgeht. Der einzige Mittelstürmer im Kader, Eric Maxim Choupo-Moting, hatte diesen Makel mit seinen Abschlussqualitäten zwischenzeitlich überdecken können. Zuletzt fehlte der 34-Jährige aber immer wieder angeschlagen, auch gegen Hoffenheim und ebenso am Sonntag. Bezeichnend, dass die Bayern in den jüngsten vier Pflichtspielen nur drei Tore erzielten, allesamt durch die Abwehrspieler Dayot Upamecano, de Ligt und nun Pavard.

Und jetzt also Manchester City. „Wir müssen alles reinhauen, um das scheinbar Unmögliche noch möglich zu machen“, schrieb Vorstandschef Oliver Kahn am Sonntag bei Twitter, nachdem er sich wie Sportvorstand Hasan Salihamidzic am Samstag nicht geäußert hatte. Um das Wunder zu schaffen, brauche es „die totale Überzeugung und den Glauben daran“, ließ Kahn weiter wissen, „mit der Unterstützung der Fans in der Arena ist alles machbar. Das habe ich selbst oft genug erlebt.“ Das klang sehr nach dem Prinzip Hoffnung – auf eine Trotzreaktion mit Verspätung.