Berlin. Die etwas Älteren unter den Fans von Alba Berlin werden sich erinnern an einen schönen Abend im Mai der Saison 1996/97. Die Max-Schmeling-Halle, in der die Mannschaft damals antrat, war ausverkauft, das Publikum in Party-Laune. Alle waren fröhlich, was sollte auch schiefgehen? Alba führte in der Finalserie gegen die Telekom Baskets Bonn 2:0, nur ein Sieg fehlte zum ersten Meistertitel der Historie. Unter der Hallendecke der Arena hingen gelbe und blaue Luftballons in einem Netz und wollten nur noch losgelassen werden. Ein fröhliches Bild.
Es kam ganz anders. Wie losgelassen spielten die wackeren Bonner, die nichts mehr zu verlieren hatten. Das Berliner Team unter Trainer Svetislav Pesic wirkte irgendwie verkrampft und nicht so konzentriert wie sonst. Die Gäste gewannen durch einen Dreier kurz vor Schluss 78:77 und erzwangen ein viertes Spiel. Die Luftballons blieben, wo sie waren. In der Arena jubelten nur die Bonner und ihr zahlreicher Anhang.
Alba Berlin verkrampft bei idealen Voraussetzungen
Vergleiche hinken natürlich immer. Aber ein wenig war es wieder so am vergangenen Freitag in der Mercedes-Benz Arena. „Wir waren fest. Es ist nicht das erste Mal, dass ich das erlebe“, sagte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi nach dem deprimierenden 60:90 im dritten Endspiel gegen Bayern München, der höchsten Heimniederlage in Finalspielen in diesem Jahrtausend. Niemand habe die Aufgabe vorher zu leicht genommen. Die Voraussetzungen waren wie gemalt. Aber dann beginnt das Spiel, und „du zögerst ein bisschen, du willst zu viel, du denkst nach, wirst krampfig“.
Wenn dann der Gegner zupackt, wird es schwierig. Genau das taten die Bayern. „Sie waren sehr viel besser und haben alles besser gemacht als wir“, redete Alba-Trainer Israel Gonzalez Klartext, „wir waren teilweise wie gelähmt und haben uns freie Rebounds nicht gegriffen. Bayern ist eine stolze Mannschaft, die schon in vielen schwierigen Situationen war und diese gut gemeistert hat.“ Zugleich appellierte der Spanier an seine eigene Mannschaft: „Wir müssen in München viel besser spielen.“
Alba Berlin führt immer noch mit 2:1 nach Siegen
An diesem Sonntag (15 Uhr, Magentasport und Sport1) haben die Berliner ihre zweite Chance, den elften Meistertitel zu sichern. „Wir führen immer noch 2:1. Das Gute ist, wir machen gleich weiter und können jetzt einige Sachen verbessern“, sagte Kapitän Luke Sikma. Was das ist, liegt auf der Hand: Ohne Leidenschaft kann niemand Meister werden. Auch nicht mit einer Dreierquote von unter zehn Prozent (zwei Treffer bei 21 Versuchen). Doch noch wichtiger ist: erst recht nicht mit einem Rebound-Verhältnis, das 27:42 verloren geht.
„Es war eine Sache der Rebounds und des Willens“, analysierte Alba-Nationalspieler Louis Olinde. Sein Kollege Oscar da Silva, mit 15 Punkten und fünf Rebounds der einzige beim Titelverteidiger, der eine sehr überzeugende Leistung bot, wusste auch genau, was zu tun ist: „Film gucken, lernen, am Sonntag besser machen.“ Will bedeuten: Bei der Videoanalyse vom dritten Duell gegen die Bayern die eigenen Fehler erkennen und sie im vierten nicht wiederholen. Die Lehrstunde abhaken.
Dabei klingt es so einfach, was gefordert wird. „Wir wollen und müssen zurückkommen zu unserem Spiel“, wünscht sich Baldi. Schnell, mit bissiger Defense, überraschenden Angriffsaktionen. „Wir müssen in München unsere Identität wiederfinden“, ergänzt Gonzalez. Etwas, das dem Kontrahenten, durch viele Verletzungen geschwächt, schon gelungen ist nach zwei schwächeren Vorstellungen in den ersten beiden Spielen.
Party von Alba Berlin nur verzögert?
Wir sind hierhergekommen in eine volle Arena und haben gekämpft“, sagte ein zu Recht stolzer Bayern-Coach Andrea Trinchieri, „nur mit dem Ziel, nicht auszuscheiden. Dieser Auftritt definiert die Kultur unseres Teams und unserer Organisation.“ Nihad Dedovic störte auch nicht, „dass alles gegen uns war. Wir haben es geschafft, Charakter zu zeigen.“ Allen Widrigkeiten zum Trotz habe man sich vorgenommen, nicht 0:3 auszuscheiden, sondern die Serie zurück nach München zu bringen. „Das haben wir geschafft, jetzt werden wir am Sonntag wieder angreifen.“
Ob es nur Geplänkel ist oder nüchterne Einschätzung, ist bei Trinchieri schwer zu sagen. Ziemlich sicher wird er am Sonntag erneut ohne Darrun Hilliard, Corey Walden, Vladimir Lucic und Leon Radosevic auskommen müssen. Jedenfalls dämpfte er die Erwartungen: „Ich weiß um die Situation und bin realistisch. Ich weiß, dass wir die Party nur verzögert haben. In nur 48 Stunden sehen wir uns schon wieder und wir wissen, wie hart es dann wird.“
Vor allem an der Energie mangelte es Alba Berlin
Wie hart, das entscheidet nicht zuletzt die Mannschaft von Alba Berlin. „Wir waren nicht bereit“, ärgerte sich Olinde am Freitag. Im Audi Dome müssen er und seine Kollegen wieder viel entschlossener beim Rebound sein, um zweite Chancen der Bayern nach Fehlwürfen zu vermeiden. Sie müssen Münchens Beste Nick Weiler-Babb und Deshaun Thomas besser kontrollieren. Sie müssen besser treffen. Sie müssen die letzte Energie aus sich herausholen, als gäbe es nicht die Möglichkeit eines fünften Spiels.
Als kleiner Mutmacher könnte die Meistermannschaft von 1996/97 dienen. Das vierte Spiel in Bonn gewannen Wendell Alexis, Sasa Obradovic, Henrik Rödl und Co souverän mit 98:81.
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