Berlin. Sie lernten sich schon kennen, als sie noch als Teenager in Belgrad lebten, aber gute Freunde wurden sie erst in Berlin: Herthas Mittelfeldspieler Marko Grujic (23) und der Aufbauspieler Stefan Peno (22) von Alba Berlin. Mit der Morgenpost verabredeten sie sich zu einem Gespräch über die Unterschiede zwischen Fußball und Basketball, welche Sportart sie spannender und härter finden. Sie erklären den Erfolg des serbischen Sportsystems, und sie verraten, was in ihrer Heimat zu Weihnachten auf den Tisch kommt.
Berliner Morgenpost: Herr Grujic, wen haben Sie 2018 zuerst darüber informiert, dass Sie nach Berlin wechseln – Ihre Eltern oder Stefan Peno?
Grujic: Als sich die Leihe zu Hertha anbahnte, habe ich mich relativ schnell mit einem gemeinsamen Freund unterhalten. Der meinte nur: ‚Stefan ist schon ein Jahr in Berlin, der kann dir vieles zeigen.‘ Danach habe ich ihm gleich eine Nachricht geschickt.
Welchen Ort hat er Ihnen als erstes gezeigt?
Grujic: Beim ersten Treffen habe tatsächlich ich das Restaurant vorgeschlagen, in einer Seitenstraße vom Kudamm. Wir haben draußen gesessen und Stefan hat mir ein paar Dinge über Berlin erzählt – vor allem über die vielen Sachen, die man hier machen kann.
Sie haben ständig Spiele und fast jeden Tag Training. Wie oft schaffen Sie es, sich zu treffen?
Peno: Immer dann, wenn wir am Wochenende Zeit haben und nicht beide unterwegs sind. In den vergangenen Monaten hatte ich ja viel mit meinem Reha-Programm zu tun wegen meiner Knieverletzung.
Grujic: Unsere Partnerinnen sind beste Freundinnen, das macht es leichter. Beide haben professionell Volleyball gespielt. Stefan und seine Freundin haben sich bei uns kennengelernt.
Was unternehmen Sie zusammen? Konzerte? Pandas im Zoo? Museum?
Peno: Naja, Museum ist nicht so mein Ding (lacht).
Grujic: Wir haben uns eher bei ihm oder bei mir getroffen, um zu reden oder Playstation zu spielen. Oder um uns Spiele anzuschauen, egal, ob Fußball oder Basketball. Außerdem gehen wir häufiger mal essen.
Sie waren auch schon mal als Zuschauer bei Alba, Herr Grujic, etwa beim Spiel gegen Ihren Heimatverein Roter Stern Belgrad. Wem haben Sie die Daumen gedrückt?
Grujic: Stefan war verletzt, deshalb konnte ich guten Gewissens Roter Stern unterstützen. Hätte er gespielt, hätte ich mir von ihm 30 Punkte gewünscht – aber einen Sieg von Roter Stern (lacht).
Sie beide hatten schon in Ihrer Heimatstadt Belgrad Kontakt. Wie haben Sie sich kennengelernt?
Peno: Da gab es diesen einen Kerl, mit dem wir beide befreundet sind, ein Nachbar von mir, mit dem ich auch zur Grundschule gegangen bin. Als Teenager war er dann mit Marko in einer Klasse, also hat er irgendwann vorgeschlagen: Hey, lasst uns doch mal zusammen abhängen, etwas trinken oder essen gehen.
Grujic: Unsere Viertel lagen so nah zusammen, dass wir uns auch vorher vom Sehen kannten. Mit unseren Schulmannschaften haben wir sogar mal gegeneinander Basketball gespielt. Stefan war immer der Talentierteste auf dem Feld. Schon damals haben alle gesagt: Das wird mal ein Guter.
Und Sie selbst, Herr Grujic, hätten Sie statt Fußball- auch Basketballprofi werden können?
Peno: Marko ist wirklich ein sehr guter Basketballer. Zumindest auf der Playstation, da ist er viel besser als ich (lacht).
Grujic: Tatsächlich habe ich mich nach ein paar schlechten Spielen mal mit meinem Fußballtrainer überworfen. Danach bin ich für ein paar Wochen zum Basketball gegangen und war gar nicht so schlecht, aber mein Ärger auf den Trainer ist schnell verflogen, also bin ich zurück zum Fußball. Trotzdem: Basketball-Fan bin ich bis heute.
Was schießt Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Ihre Heimat denken?
Peno: Belgrad ist eine sehr lebendige Stadt. Die Restaurants, Cafés und Bars sind immer voll, überall ist etwas los.
Grujic: In diesem Punkt ist Belgrad Berlin recht ähnlich. Inzwischen gibt es auch viele Touristen dort, alles wird internationaler. Für uns zählen aber natürlich vor allem Familie und Freunde. Das Problem ist nur: Wenn wir zu Hause sind, ist es fast unmöglich, alle zu sehen.
Was vermissen Sie am meisten?
Peno: Das Essen. In meinem ersten Jahr in Berlin habe ich ein serbisches Restaurant gefunden, aber das hat leider schließen müssen. Davon abgesehen: So wie in der Heimat schmeckt es ohnehin nirgendwo.
Grujic: Ich habe ja in Liverpool gelebt, dort ist der Unterschied zu Belgrad viel größer als hier. In Berlin findet man an jeder Ecke gutes Essen.
Hatten Sie Idole? Welche Poster hingen in Ihren Zimmern?
Peno: Ich habe immer zu Magic Johnson (US-Basketball-Legende, Anm. d. Red.) und Dejan Bodiroga (serbische Basketball-Ikone, Anm. d. Red.) aufgeschaut. Aus der jüngeren Generation war es dann Spielmacher Milos Teodosic (serbischer Spielmacher, Anm. d. Red.).
Grujic: Bei mir war‘s Nemanja Vidic, ein serbischer Verteidiger, der für Manchester United gespielt hat. Das Problem war nur: Liverpool und Manchester sind große Rivalen. Als ich nach Liverpool gewechselt bin, musste ich mir also ein anderes Vorbild suchen. Ich habe mich dann mehr mit Cristiano Ronaldo beschäftigt. Seine Arbeitseinstellung, seine Professionalität und seine Mentalität, selbst heute mit 34, das ist außergewöhnlich.
Serbien hat nur sieben Millionen Einwohner, bringt aber ständig Top-Athleten hervor. Wie erklären Sie dieses Phänomen?
Peno: Grundsätzlich ist es nicht ganz einfach, in Serbien zu leben – die Folgen der Kriege in den 90er-Jahren sind spürbar. Für Kinder ist der Sport deshalb oft die einzige Perspektive, um etwas zu erreichen im Leben, um viel Geld zu verdienen und Serbien zu verlassen.
Grujic: Jedes Kind fängt auf dem Schul- oder auf dem Hinterhof an. Wenn jemand dein Talent sieht, geht’s schnell in die Vereine. Die Sportstätten werden inzwischen zwar besser, haben aber nicht das Level wie in England, Deutschland oder Spanien. Trotzdem: Wir haben talentierte Generationen in vielen verschiedenen Sportarten.
Peno: Wir sind Olympiasieger im Wasserball, dabei gibt es in Belgrad nur eine vernünftige Halle dafür.
Wie ist das möglich?
Peno: In der Schule werden wir an fast jede Sportart herangeführt. Ich habe auch Fußball, Volleyball und Handball gespielt, ehe ich mich für Basketball entschieden habe. In anderen Ländern ist das vielleicht weniger breit gefächert, sondern stärker auf Fußball konzentriert.
Verstehen Sie etwas von Fußball, Herr Peno? Sie wurden schon bei Hertha-Spielen im Olympiastadion gesichtet.
Peno: Früher kannte ich mich noch besser aus, weil ich mehr Fifa und Fußball-Manager gespielt habe.
Grujic: Er kennt viele Resultate, bekommt mit, was in der Bundesliga und in der Champions League passiert.
Wie sieht’s mit Taktik aus? Kennen Sie abkippende Sechser?
Peno: Ja, besser als früher. Durch Marko interessiere ich mich mehr dafür, ich frage ihn, was er gerade spielt bei Hertha.
Und andersrum? Können Sie mit Marko über Basketball und Pick-and-Roll fachsimpeln, Herr Peno?
Peno: Die meisten Fußballer wissen nicht viel darüber, aber bei Marko ist das anders. Er erkennt nicht nur Fouls oder Schrittfehler, sondern kennt auch viele Spieler und Resultate – selbst dann, wenn es nicht um Alba geht. Er sieht sich viele Euroleague-Spiele an. Er kennt sich gut aus.
Marko, was gefällt Ihnen besser: die NBA oder europäischer Basketball?
Grujic: Ganz klar europäischer Basketball. In der NBA geht mir alles viel zu schnell, andauernd wird geworfen. Es macht für mich keinen Sinn, wenn ich sehe, wie viele Punkte manche Spieler in einem Spiel erzielen. Ich bevorzuge die europäische Spielweise, den Teambasketball. Wenn ich ein bisschen Abstand vom Fußball brauche, sehe ich mir zu Hause sehr gern Basketballspiele an. Insgesamt sogar häufiger als Fußballspiele.
Bereit für ein kleines Streitgespräch? Was ist unterhaltsamer, Fußball oder Basketball?
Grujic: Für mich ist Basketball dynamischer, da passiert mehr, weil eine Mannschaft nach 24 Sekunden auf den Korb geworfen haben muss. Im Fußball kann es passieren, dass du neunzig Minuten zuschaust und kein Tor fällt. Meine Eltern finden es nicht sonderlich spannend, bei unseren Spielen zuzuschauen. Aber wenn du Messi oder Neymar zuschaust, ist das natürlich alles andere als langweilig…
Peno: Genau. Trotzdem schaue ich viel lieber Basketball.
Sind Sie als Basketballprofi manchmal etwas neidisch, weil in Deutschland selbst Zweitliga-Fußballer mehr verdienen als Sie?
Peno: Darüber denke ich schon mal nach. Aber das bringt nichts, ich kann es ja nicht ändern. Ich bin glücklich mit dem, was ich tue, und ich versuche, darin immer besser zu werden.
Marko, Sie spielen 90 Minuten auf einem großen Feld bei jedem Wetter. Stefan, Sie spielen in viel engerer Taktung. Welche Sportart ist härter?
Grujic: In der NBA schaffen sie es ja, an zwei Tagen nacheinander zu spielen. Das geht im Fußball nicht, wenn du 90 Minuten rennen musst. Du brauchst mindestens zwei bis drei Tage zur Erholung.
Peno: Wir spielen tatsächlich sehr viel. Zum Bespiel in der Zeit vor meiner Verletzung im Januar: Da haben wir in Russland gespielt, zwei Tage später danach in der Bundesliga, direkt danach in Frankreich. Wenn wir nicht gespielt haben, haben wir trainiert oder sind gereist, mal mit dem Flugzeug, mal mit dem Bus.
Verglichen damit, haben Sie ein einfaches Leben, Herr Grujic.
Grujic: Stimmt, so viel reisen müssen wir nicht. Aber im Fußball bekommst du zum Beispiel Tritte. Mit Stollen kann das sehr wehtun, das hast du im Basketball nicht. Da kriegst du vielleicht einen Ellenbogen ab. Basketball und Fußball sind auf eine unterschiedliche Art hart, würde ich sagen.
Sagen wir unentschieden?
Beide: Ja, okay.
In Serbien herrscht das orthodoxe Christentum vor, Sie feiern Ihr Weihnachtsfest erst Anfang Januar. Trotzdem: Wie verbringen Sie Weihnachten?
Peno: Mal sehen, genau weiß ich das noch nicht. Die Deutschen feiern normalerweise in ihren Familien. Wir haben eine Reihe von Amerikanern im Team, manchmal werden wir und die anderen Europäer von jemandem nach Hause eingeladen. Vielleicht gibt es auch ein Team-Weihnachtsessen.
Grujic: Wir sind ja schon ein paar Jahre außerhalb Serbiens, wir kennen das Gefühl also. Ich mag hier in Berlin die Zeit vor Weihnachten, weil die Straßen und Häuser beleuchtet und geschmückt sind. Wir haben über Weihnachten ein paar Tage frei, ich werde das genießen.
Eine Frage darf zu Weihnachten nicht fehlen: Wie sieht ein serbisches Festessen aus?
Grujic: Heiligabend gibt es zum Beispiel Fisch mit Gemüse und Reis. Am Weihnachtstag dann Fleisch. Schwein, Rind, Hühnchen, Pute, was auch immer.
Peno: Auf jeden Fall viel Fleisch.
Grujic: Da muss man schon ein wenig aufpassen, sonst kann es passieren, dass man mit einem Kilo zu viel auf den Rippen zurückkommt.