Formel 1

Auch die Formel 1 muss mehr für die Umwelt tun

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Elmar Brümmer
Ferrari-Pilot Sebastian Vettel (r.) findet, dass die Politik in Klimafragen bislang versagt hat.

Ferrari-Pilot Sebastian Vettel (r.) findet, dass die Politik in Klimafragen bislang versagt hat.

Foto: Mark Thompson / Getty Images

Vor dem Großen Preis von Mexico diskutieren Vettel und Hamilton über den Klimawandel – und fordern schnelles Handeln.

Mexiko Stadt. Angefangen hatte alles mit einer Sinnkrise bei dem Mann, der beim Großen Preis von Mexiko am Sonntag (20.10 Uhr, RTL und Sky) zum dritten Mal in Folge vorzeitig Weltmeister der Formel 1 werden kann. „Die Welt ist ein trauriger Ort“, bekannte Lewis Hamilton in der vergangenen Woche, und statt den 14 Punkten, die er gegenüber seinem Teamkollegen Valtteri Bottas mehr braucht, um an diesem Wochenende schon wieder Champion zu werden, wurde viel über Weltschmerz gesprochen.

Als gnadenloser Weltverbesserer und Klimaretter trat dagegen der Heppenheimer Sebastian Vettel auf, der das Hamiltonsche Pathos durch seinen Realismus toppen konnte: „Es wäre ignorant, wenn wir über die Problematik hinwegsehen würden. Generell sollte die Formel 1 in dieser Richtung mehr unternehmen und eine viel stärkere Botschaft zu diesem Thema senden.“ Die Königsklasse als Öko-Formel, das ist in der Tat etwas Neues.

Der designierte Champions schockt mit Rücktrittsgedanken

Angezettelt hatte Lewis Hamilton die Diskussionen mit einer Reihe von Instagram-Postings, in der der erfolgreichste Rennfahrer des Jahrtausends viel von seiner Verletzlichkeit, aber auch seiner Widersprüchlichkeit preisgegeben hatte. Mal machte er Menschen Mut, die daran scheitern, immer perfekt erscheinen zu wollen: „Lerne dich selbst zu lieben, denn du bist etwas Besonderes.“

Ein anderes Mal beklagte er, zu wenig Zeit für alles zu haben, ergo: „Gib niemals deine Träume auf!“ Schließlich, in der vergangenen Woche, wurde es besonders kryptisch. In einem Schlusswort, nachdem es zuvor in einem bunten Reigen um Umweltverschmutzung, Bildung, Fleisch- und Milchprodukte ging und er die Welt nur noch als „traurigen Ort“ wahrnahm, bekannte er: „Ehrlich, ich hätte gute Lust, alles hinzuschmeißen.“ Fans und Arbeitgeber fragten sich panisch, ob da schon wieder ein Champion den Rosbergschen Abgang machen will.

Ein paar Tage später klang das schon entspannter, so wie der 34-Jährige schon immer für sich in Anspruch genommen hat, die Gefühlslage wie mit einem Schnellschaltgetriebe zu wechseln: „Ich habe nicht aufgegeben, ich bin immer noch hier und kämpfe. Ich wollte nur eine Botschaft der Positivität senden.“ Damit war das Thema für die Talkrunde gesetzt: Nachhaltigkeit, mitsamt der Widersprüchlichkeit einer Serie, die jedes Jahr an 21 über den ganzen Globus verteilten Orten Rennen fährt.

In die Formel E will Hamilton trotzdem nicht umsteigen

Die Herren auf dem Podium waren ernster als sonst, fast wäre man geneigt zu sagen: sie wirkten erwachsener, und sie versuchten erst gar nicht zu beschönigen, dass da ein gewaltiger Fußabdruck in der Umwelt hinterlassen wird. „Deshalb sollten wir trotzdem keine Angst haben, uns offen für einen positiven Wandel auszusprechen“, befand der Fast-Weltmeister, „eine schnelle Lösung gibt es nicht.“ Einen Umstieg in die Formel E schloss er allerdings kategorisch aus.

Nachdem Hamiltons Persönlichkeit abgehandelt war („Ich bin ein Prominenter, aber trotzdem auch ein Mensch“), sein freizügiger Umgang mit den eigenen Gefühlen auch („Ich bin immer offen, ob es den Leuten gefällt oder nicht“), nahm Sebastian Vettel das Thema auf, mit einer Verve und Vernunft, die weit über das für ihn selbstverständliche Aufsammeln von Plastikflaschen in den Wäldern rund um seinen Schweizer Wohnsitz hinausging.

Der Familienvater forderte: „Wenn jeder von uns einen kleinen Teil dazu beiträgt, macht das weltweit einen großen Unterschied. Ich halte es für unvermeidlich, etwas zu verändern, und das hoffentlich eher früher als später.“ Vettel fand, dass die Politik in der Vergangenheit versagt habe. Gefragt nach seiner Parteienpräferenz antwortete der vierfache Weltmeister ausweichend: „Ich bin ein Unterstützer dieses Planeten!“ Die Veränderung werde sowieso geschehen: „Wir sollten sie lieber fördern als ignorieren, bevor es zu spät ist.“ Imaginärer Hashtag: FormelforFuture.

Ex-Weltmeister Alonso wirft Hamilton Scheinheiligkeit vor

Eilig fügte Lewis Hamilton an, dass er neben seiner stattlichen Sportwagensammlung, die es auch immer wieder in den sozialen Medien zu bewundern gibt, auch ein kleines Elektroauto besitze. Und überhaupt: „Am Ende des Jahres soll mein Leben klimaneutral sein. Niemand in meinem Büro und in meinem Haushalt darf irgendwas aus Plastik kaufen. Die meisten Gegenstände sind wiederverwertbar, bis hin zur Zahnbürste.“

Auch bei seiner Modekollektion verfolgt er dieses Ziel, bisher wären 70 Prozent erreicht. Seit zwei Jahren ernährt er sich zudem vegan, im letzten Winter hat er seinen Privatjet verkauft. Für einen wie ihn ist das tadellos. Für seinen ehemaligen Erzfeind Fernando Alonso hingegen erscheint soviel Gutmenschentum eher heuchlerisch, er sagte einem spanischen Radiosender: „Man kann nicht an einem Tag solche Botschaften verbreiten und am nächsten Tag dann gegensätzlich handeln. Ich würde so etwas niemals aussenden.“ Na bitte, ein Macho ist also doch noch übrig. Für Alonso ist es daher auch kein Problem, künftig als Rallyefahrer durch die Wüsten Saudi-Arabiens zu pflügen.

Es ist die Auseinandersetzung, die zählt, gerade in der Automobilbranche, zu der die Formel 1 im weitesten Sinne zu rechnen ist. „Ich will, dass mein Leben eine Bedeutung hat“, hat Lewis Hamilton hingegen schon in der persönlichen Sinnkrise wissen lassen, samt Merksatz für die Menschheit: „Ein Teil der Probleme zu sein, das ist nicht bedeutend; Teil der Lösung zu sein hingegen schon.“