Berlin. Wenn man sich mit geschlossenen Augen an den Trainingsplatz von Hertha BSC stellt, könnte man meinen, die Berliner hätten einen Ausnahmespieler unter Vertrag, einen, der absolut alles richtig macht. „Bravo, Sala!“, „Klasse, Sala!“ oder zumindest „Gut, Sala!“, ruft Trainer Ante Covic am Dienstagvormittag, an Tag eins der Vorbereitung auf das Spiel bei Werder Bremen am Sonnabend (15.30 Uhr, Sky).
Gemeint ist Salomon Kalou, dabei trainiert der 34-Jährige nicht besser oder schlechter als andere. Aber fast jede Aktion, egal ob Pass, Zweikampf oder Torschussversuch, wird vom Coach lautstark gelobt.
Für jemanden, der alles richtig macht, hat der Angreifer bislang wenig gespielt. Nicht eine Partie über 90 Minuten bestritt der Ivorer diese Saison, stand erst in zwei Pflichtspielen in der Startelf, saß zuletzt dreimal in Folge auf der Bank. Dabei hat Kalou in den vergangenen fünf Jahren 52 Tore für Hertha erzielt, öfter hat kein anderer aktueller Hertha-Spieler getroffen (Vedad Ibisevic war ebenfalls 52 Mal erfolgreich).
Während bei den Bayern in München eine mittlere Staatskrise ausbricht, weil Thomas Müller fünf Mal in Folge auf der Bank sitzt, ist es in Berlin bemerkenswert ruhig um Salomon Kalou. Das liegt auch daran, dass Hertha ohne ihn dreimal in Folge gewann.
Der Draht zum Coach scheint intakt
Immerhin gehört der 97-malige Nationalspieler der Elfenbeinküste noch zu den populärsten Spielern in Blau-Weiß. Als er am Dienstag den Platz verlässt, muss Kalou zahlreiche Autogramme schreiben. Danach muss er lachen, als er auf all das Trainerlob angesprochen wird.
„Wenn du einen erfahrenen Spieler im Team hast, ist es wichtig, ihn bei Laune zu halten“, sagt er kundig. „Die Saison ist lang, du musst jedem Spieler das Gefühl geben, dass er wichtig ist.“
So hält es Covic auch bei Kalou, dem er auch schon mal freundschaftlich den Arm um die Schulter legt oder Tipps fürs Abendessen austauscht. Der Coach sammelt fleißig Punkte in der Kategorie Menschenfänger.
Im Training gibt der Ivorer den Mentor
Das ist auch nötig, denn gerade ein erfahrener Spieler, der mit dem FC Chelsea 2012 die Champions League gewann, der schon unter José Mourinho, Luiz Felipe Scolari und Carlo Ancelotti übte, lässt sich im Training nicht endlos erklären, wie Kurzpässe funktionieren. Vor allem, wenn er nie spielt.
Doch bislang verbreitet Kalou, anders als Müller, sein Finalgegner von 2012, die gewohnt gute Laune. Kümmert sich um jüngere Spieler, hat für jeden ein freundliches Wort über, ist irgendwas zwischen Mentor und Stimmungskanone. Kalou weiß: Er hat auch unter Pal Dardai immer wieder mal draußen gesessen, aber dann mit Toren geantwortet.
„Ich bin fit, ich kann diese Saison eine große Rolle spielen“, sagt er selbstbewusst. „Jetzt heißt es, auf die Gelegenheit warten – du weißt nie was passiert. Vielleicht komme ich nächste Woche rein und treffe, dann sieht alles anders aus.“
Vereinswechsel schon im Winter?
Doch wie lange halten die gute Laune und der Optimismus? Ewig will Kalou jedenfalls nicht warten. „Lasst uns sehen bis Dezember“, deutet der Mann, dessen Vertrag am Ende der Saison ausläuft, eine mögliche Ortsveränderung an. Zwar fühle er sich wohl „bei der Hertha-Familie“ wie er sagt, aber weiß auch: „Im Fußball kannst du nie planen, manchmal ergeben sich Chancen.“
Womöglich ergibt sich schon vorher eine Chance bei Hertha. Javairo Dilrosun, der zuletzt mit drei Treffern in Serie auf Kalous Position als Linksaußen glänzte, konnte am Dienstag nicht mit der Mannschaft trainieren. Der Niederländer war wegen leichter Rückenprobleme nicht im U21-Nationalteam seines Heimatlandes zum Einsatz gekommen und übt nach seiner Rückkehr vorerst individuell.
Hertha hatte ihn ohnehin nur ungern ziehen lassen, weil der Matchwinner der letzten Wochen schon zuvor von Beschwerden geplagt wurde – er ließ sich offenbar eine schmerzstillende Spritze geben. Nun soll bei Dilrosun kein Risiko eingegangen werden, damit der Außenstürmer in Bremen auflaufen kann.
Angeschlagener Dilrosun erinnert an Landsmann Robben
Da schrillen bei Hertha-Fans natürlich Alarmglocken, immerhin war Dilrosun nach einem Traumstart in Berlin vor einem Jahr verletzt von seinem Länderspieldebüt für die Niederlande zurückgekehrt.
Der monatelangen Pause wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel folgte eine Wirbelblockade im Rücken. Schon kam Sorge auf, Dilrosun könne als schneller Sprintertyp eine ähnliche Krankenakte entwickeln wie sein Landsmann Arjen Robben, bei dem in seiner Karriere immer wieder Rückenbeschwerden in die Oberschenkel ausstrahlten. Dabei hatte Covic betont, der 21-Jährige finde gerade erst wieder das Zutrauen in seinen Körper wieder.
Nun ist Hertha aber nicht Bayern München, Dilrosun nicht Robben und Salomon Kalou nicht Thomas Müller. „Jav ist wichtig für uns, es sind ja noch ein paar Tage bis zum Spiel“, sagt Kalou, als wäre er mehr Mentor und Trainer als Konkurrent. Ein „Bravo, Jav!“ und „Klasse, Jav!“ verkneift er sich dann aber doch.