Eishockey

Moritz Seider: Das Potenzial zum NHL-Star

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Moritz Seider (4.v.r.) posiert für das erste Foto im Trikot der Detroit Red Wings.

Moritz Seider (4.v.r.) posiert für das erste Foto im Trikot der Detroit Red Wings.

Foto: Anne-Marie Sorvin / USA Today Sports

Der Mannheimer Moritz Seider wurde beim NHL-Draft überraschend schon an Nummer sechs von den Detroit Red Wings ausgewählt.

Vancouver. Moritz Seider schlug ungläubig die Hände vor den Mund, als die Eishockey-Legende Steve Yzerman seinen Namen ins Mikrofon sprach. Ein Raunen ging durch die Rogers Arena in Vancouver. „Ich war total überrascht und überfordert mit der Situation“, sagte der Nationalspieler, der beim Draft der nordamerikanischen Profiliga NHL sensationell schon als sechster Spieler von den Detroit Red Wings gezogen wurde.

Noch nie war ein deutscher Verteidiger bei der jährlichen Auswahl der besten Talente in der besten Eishockeyliga der Welt so früh ausgewählt worden. Überhaupt fand nur ein einziger deutscher Spieler bislang eher Berücksichtigung. Stürmer Leon Draisaitl, mittlerweile ein NHL-Superstar, wurde vor fünf Jahren von den Edmonton Oilers an dritter Stelle gezogen. „Es war ein unglaublich schöner Moment, den ich nie vergessen werde“, sagte Seider.

Mit zitternden Knien auf der Bühne

Der 18-Jährige fiel seiner Mutter Sabine und seinem Vater Kay um den Hals, ehe er zu Yzerman auf die Bühne stieg und das rote Trikot mit dem geflügelten Rad überzog. „Ich war geschockt, meine Hände haben gezittert, meine Beine haben gezittert. Ich schaute zu meiner Mutter und sie war so aufgeregt. Es war ein unglaublicher Moment für mich und meine Familie“, berichtete Seider anschließend.

Ein bisschen hatte der Abwehrspieler vom deutschen Meister Adler Mannheim schon darauf spekuliert, dass ihn der elfmalige Stanley-Cup-Sieger ziehen könnte. Mit Yzerman, 20 Jahre lang legendärer Kapitän und jetzt General Manager in Detroit, hatte er sich Anfang des Monats beim NHL Scouting Combine im letzten seiner Vorstellungsgespräche bei den Klubs „gut 40 Minuten“ unterhalten, er habe „jede Einzelheit“ wissen wollen. Der Olympiasieger von 2002 hatte Seider auch in Mannheim schon persönlich beobachtet.

Seider ist die Überraschung des Drafts

Fast alle Experten hatten das deutsche Ausnahmetalent dennoch nicht unter den Top 15 erwartet. „Der Schock des NHL-Draft“, urteilte das US-Sport-Onlineportal „The Athletic“ über Yzermans Wahl. Vor allem seine Auftritte im Mai in der Slowakei, als er als jüngster Verteidiger seit 41 Jahren zwei Tore bei einer Weltmeisterschaft erzielte, überzeugten die Red Wings. „Ich war sehr beeindruckt von ihm“, sagte Trainer Jeff Blashill, der bei der WM die USA betreute, „er ist groß, effizient, schlau und macht unter Druck keine Fehler. So sollten die besten Verteidiger sein.“

Seider ist der dritte Deutsche nach Draisaitl (2014) und Dominik Bokk (2018/Nr. 25), der in den letzten fünf Jahren in der ersten Runde gedraftet worden ist. In dem halben Jahrhundert zuvor seit dem ersten Draft 1963 hatten es insgesamt genauso viele geschafft: Torwart Olaf Kölzig (1989/19) und die Angreifer Marco Sturm (1996/21) sowie Marcel Goc (2001/20). Als Erstes griffen beim diesjährigen Draft die New Jersey Devils beim jungen US-Stürmer Jack Hughes zu. An zweiter Position wurde der Finne Kaapo Kakko von den New York Rangers ausgewählt.

Bereits eine komplette Profisaison gespielt

Als Nummer sechs gezogen zu werden, ist kein schlechtes Omen: Diese Position hatten unter anderem schon der schwedische Superstar Peter Forsberg (1991), der je zwei Mal den Stanley Cup, Olympia-Gold und die Weltmeisterschaft gewann, Phil Housley (1982), der punktbeste US-Verteidiger in der NHL-Geschichte, und der viermalige Stanley-Cup-Sieger Paul Coffey (1980), der gleich 33 NHL-Rekorde hält, inne. „Wir denken, dass er einen exzellenten Eishockeyverstand hat, er ist groß und ein sehr guter Schlittschuhläufer“, so Yzerman über den Deutschen, er in Mannheim gerade seine erste komplette Profisaison absolviert hat.

Am Dienstag geht Seider erstmals für Detroit aufs Eis – beim Development Camp für die Talente der Red Wings. Danach fliegt er zurück nach Mannheim, wo er eigentlich noch ein Jahr bleiben möchte, um sein Abitur zu machen und bei den Adlern in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) weitere Profi-Erfahrungen zu sammeln. Diesen Wunsch hatte er zumindest vor dem Draft geäußert: „Ich denke, ich habe Zeit. Ich muss nichts überstürzen.“ Doch die Ereignisse überschlugen sich plötzlich in Vancouver. „Es wird eine aufregende Zeit in Detroit. Ich freue mich wirklich, dort eines Tages zu spielen“, sagte Seider. Vielleicht passiert das doch eher, als er erwartet.

( BM )