Berlin. Als der Weltmeister sein Rad auf die Bahn schiebt, kommt Unruhe auf. Ein paar Dutzend Schulkinder sind gerade im Velodrom, dürfen sich rund um das Fahrradfahren informieren und ausprobieren. Damit sie mal sehen, wohin das führen kann, ist Theo Reinhardt da. Sein Rennrad trägt noch die große Übersetzung seines Trainings, mal eben ein paar schnelle Runden abspulen, geht da nicht. Aber der Berliner steigt trotzdem auf, rollt langsam an und wird immer schneller.
Die Kinder sind begeistert, als Reinhardt wieder im Innenraum seht, wird er von kleinen Autogrammjägern umringt. Eine schöne Abwechslung in einer trainingsreichen Zeit. Zwar sind die Olympischen Spiele 2020 noch ein ganzes Stück entfernt, aber der Bahnradprofi simuliert quasi jetzt schon den nächsten Sommer, also die Vorbereitung auf die Spiele in Japan.
Training überwiegend im Vierer
Inzwischen betrachtet Reinhardt diese mit anderen Augen als noch vor ein paar Jahren. „Ich hätte selbst nie gedacht, dass ich mal Weltmeister werden kann“, sagt der 28-Jährige. Nun trägt der sogar zwei WM-Titel und möchte bei Olympia eine Medaille: „Es ist nicht vermessen zu sagen, wir fahren da um den Sieg.“ Wir, das sind er und Roger Kluge (Berlin), die im Zweier-Mannschaftsfahren (Madison) antreten. In diesem und im vorigen Jahr gewannen sie bei der WM, souverän.
Reinhardt ist aber auch mit dem Vierer unterwegs, und der bestimmt seit der WM Anfang März das Trainingsprogramm, da er die Basis für die Olympianominierung bildet. In der Mannschaftsverfolgung läuft es nicht ganz so reibungslos wie im Madison, aber das Team hat sich ebenso weiterentwickelt. „Wir üben vermehrt kurze, stehende Distanzen und hören nicht auf, uns wehzutun im Training“, erzählt Reinhardt und benennt das Tempo am Start als das Manko des Vierers.
Weniger Straße, dafür mehr Bahn
Zwei ausgedehnte Bahn-Lehrgänge stehen in diesem Sommer auf dem Plan, anders als bisher wird das Straßenprogramm eingeschränkt und spezifiziert. Weg von Rundfahrten, hin zu kleineren Rennen, die mehr Optionen lassen, etwas auszuprobieren. Bei denen man mal hohe Wattzahlen tritt, mal Vollgas gibt, mal sprintet, bei denen es egal ist, wenn man mal abgehängt wird, weil man zu viel experimentiert hat. Das kommt den Anforderungen auf der Bahn sehr nah. Bei Rundfahrten ist man „immer abhängig vom Rennverlauf“ und muss in einer Karenz bleiben, um am nächsten Tag noch starten zu dürfen.
Deutsche Meisterschaft als Stresstest
Die zweite Phase des Bahntrainings bietet in diesem Jahr sogar Wettkampfcharakter. Denn die Bahnfahrer sind bei den Finals2019 dabei, tragen ihre deutschen Meisterschaften im Velodrom aus. Sie sind sogar diejenigen, die am längsten im Einsatz sind, schon von Mittwoch (31. Juli) bis zum Sonntag (4. August). Das hängt damit zusammen, dass „wir verpflichtet sind, alle Disziplinen zu fahren“, erklärt Reinhardt, der als Ausdauer-Athlet in der Einerverfolgung, im Punktefahren, im Madison, im Scratch, im 1000-Meter-Zeitfahren und im Vierer startet. „Das ist nicht ohne. Aber wenn wir die Lobby bekommen, uns präsentieren zu können, ist es positiver Stress“, sagt Reinhardt bezüglich der größeren Aufmerksamkeit für die Bahn-Meisterschaften im Zuge der Finals.
An seiner ganz persönlichen Lobby arbeitet der Berliner seit gut zwei Monaten. Ein paar Leute aus dem Sportmarketing überredeten ihn, sich aktiver über Social Media zu zeigen. Etwas widerwillig ließ er sich darauf ein. „Ich bin nicht so der Typ, der sich mit Fotos nach außen präsentiert. Aber ich probiere es mal und sehe es als Teil des Jobs“, erzählt Theo Reinhardt. Bei Instagram hat er schon fast 900 Abonnenten. Auch der Vormittag mit den Kindern im Velodrom ließ die Fangemeinde etwas wachsen.
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