Tennis

Novak Djokovic: Leitwolf ohne Rhythmus

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Jörg Allmeroth
Novak Djokovic fehlte in Indian Wells und Miami die Souveränität, mit der der Serbe die letzten drei Grand-Slam-Turniere gewonnen hatte.

Novak Djokovic fehlte in Indian Wells und Miami die Souveränität, mit der der Serbe die letzten drei Grand-Slam-Turniere gewonnen hatte.

Foto: SMG / dpa

Der Serbe kassiert beim ATP-Turnier in Miami die nächste überraschende Niederlage. Auch weil er abseits des Platzes zu kämpfen hat.

Miami. Als Novak Djokovic Ende Januar im Australian-Open-Finale Rafael Nadal in drei Sätzen überlegen deklassiert hatte, schossen die Spekulationen hinauf in die Tennis-Stratosphäre. Nichts sei mehr unmöglich für den Serben, befand sein ehemaliger Coach Boris Becker, er könne nun „sicherlich“ auch die French Open gewinnen - und damit das vierte Major-Turnier in Serie.

Andere Experten wie der frühere Weltranglisten-Erste Mats Wilander räumten dem 31 Jahre alten Frontmann auch die „besten Chancen“ ein, etwas auf die großen Bühnen zu zaubern, das bisher noch keinem Profi in der modernen Geschichte dieses Sports gelungen war – nämlich einen Kalender-Grand-Slam, also den Triumph bei allen Topevents in Melbourne, Paris, London und New York in einer Saison.

Gegen Bautista-Agut fehlt der Rhythmus

Am Dienstagabend, auf dem Center-Court des Hardrock Stadiums in Miami, war Djokovic von diesen steilen Karrieremarken allerdings wieder ein gutes Stück entfernt. Der Djokovic-Express, der seit dem Wimbledon-Coup im vergangenen Sommer beinahe ungebremst Fahrt aufgenommen hatte, ist ins Stocken geraten.

Er habe seinen „Rhythmus verloren“, bekannte Djokovic nach seiner 6:1, 5:7, 3:6-Niederlage gegen den Spanier Roberto Bautista-Agut – doch was für den Augenblick galt, für dieses Achtelfinalduell im Süden Floridas, das galt nun auch für die gesamte Saison des Weltranglisten-Ersten.

Djokovic wirkt angegriffen und angreifbar, nicht mehr so souverän wie bei den letzten drei Grand-Slam-Turnieren, die mit ihm als Sieger endeten. „Ich habe die Tür einen Spalt weit offen gelassen. Und er hat diese Chance zum Sieg genutzt“, sagte Djokovic, abgekämpft und matt.

Schon bei seiner Pleite gegen Kohlschreiber wirkte er unkonzentriert

Rivalen erkennen schnell die Verletzlichkeit eines Leitwolfs, der nicht mehr die gewohnte Dominanz ausstrahlt. Schon bei Djokovics sensationeller Zwei-Satz-Niederlage gegen Philipp Kohlschreiber in Indian Wells waren Zerfahrenheit und Unkonzentriertheit zu beobachten. Später lamentierte der Serbe, er habe sich zu sehr „mit anderen Dingen beschäftigt, die nichts mit dem Spiel auf dem Platz zu tun hatten“.

Damit räumte Djokovic auch ein, was er lange Zeit abgestritten hatte – dass sich seine Aktivitäten in der Tennispolitik auch auf seine Form ausgewirkt hätten. Der ehrgeizige Serbe, der dem Spielerrat der Profigewerkschaft ATP vorsitzt, galt als Hauptbetreiber der Ablösung des ATP-Chefs Chris Kermode.

Federer kritisiert das Verhalten des Serben

Rund um das Masters in Indian Wells kam es zu einer Konfrontation zwischen Djokovic und den Altvorderen Roger Federer und Nadal – die Titanen fühlten sich in den von Djokovic angestoßenen Machtspielchen bewusst übergangen. Djokovic, so erklärte Federer, habe einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung über Kermodes Zukunft nicht einmal Zeit für eine Unterredung mit ihm gefunden.

Das Ganze wirkte wie eine Wiederbelebung alter Animositäten zwischen Djokovic und Federer. Früher hatte das Djokovic-Lager gern und oft über die Privilegien des Maestro bei Turnierveranstaltern lamentiert.

Vier Mal hatte er schon in Indian Wells und Miami gewonnen

Djokovic hatte das „Sunshine Double“, die beiden Masters im März in Indian Wells und Miami, schon vier Mal gewonnen. Nun sahen manche seine Pleiten gegen Kohlschreiber und Bautista-Agut als Hinweis darauf, dass Djokovic seine ganze Energie nur noch auf die Grand-Slam-Turniere richten würde, der Alltag auf der Tour sei ihm egal. Doch diese Ausrede wollte Djokovic nicht gelten lassen: „Ich fühlte mich irgendwie, als ob ich eingerostet wäre“, sagte er, „verlieren tut immer weh. Man stellt sich Fragen, die man sich vorher nicht stellte“. Die Frage auch, ob der Höhepunkt der eigenen Dominanz vielleicht schon wieder vorüber ist.