Zweite Liga

Simon Terodde und die Sturmwarnung über Köpenick

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Sebastian Stier
Volltreffer: Der Kölner Simon Terodde (r.) führt die Torjäger-Liste der Zweiten Liga souverän mit 22 Toren aus 17 Spielen an.

Volltreffer: Der Kölner Simon Terodde (r.) führt die Torjäger-Liste der Zweiten Liga souverän mit 22 Toren aus 17 Spielen an.

Foto: Getty Images / Getty Images Sport/Getty Images

Der Angreifer verließ Union einst im Unfrieden. Jetzt kehrt er als bester Zweitliga-Torjäger mit Köln zurück.

Berlin.  Während ihrer gemeinsamen Zeit beim 1. FC Union sind Michael Parensen (32) und Simon Terodde (30) oft zusammen nach Hause gefahren. Parensen am Steuer, Terodde daneben. Auf der Fahrt von Köpenick nach Friedrichshain, wo beide wohnten, haben sie dann das Spiel ausgewertet. Manchmal aufgewühlt und lebhaft diskutierend, sehr oft war es aber auch ruhig. Terodde, der Stürmer, saß einfach da, in seinem Kopf liefen Bilder ab, die an ihm nagten wie Ratten an Weggeworfenem. Szenen, wie er das Tor nicht trifft aus fünf Meter Entfernung. Parensen, der Verteidiger, ließ ihn in Ruhe. Er kannte ja seinen Freund und wusste um die Schwere von dessen Gedanken. Dass der Simon ein Kopfmensch war und dass ihn nichts aufmuntern würde in diesem Moment.

Das ist jetzt sechs Jahre her, und es wäre interessant zu wissen, wie eine solche Autofahrt wohl heute aussehen würde. Nur fahren Parensen und Terodde nicht mehr zusammen heim nach den Spielen, auch am Donnerstag nicht, wenn sie sich wiedersehen (20.30 Uhr/Sky). Parensen ist beim
1. FC Union geblieben, im zehnten Jahr nun schon. Terodde spielt mittlerweile in Köln, jenem Klub, von dem er einst nach Berlin kam, genau wie Parensen. Beim FC ist Terodde inzwischen fast genauso wichtig wie Hennes, der Ziegenbock, das stolze Wappentier des Klubs. Liebe auf den zweiten Blick. Und was für eine.

Die beste Offensive trifft nun auf die beste Defensive

22 Tore hat er in 17 Spielen für Köln in dieser Saison erzielt. Lukas Hinterseer vom VfL Bochum, der Zweite in der Torjägerliste, kommt auf elf. Terodde wird mit großer Wahrscheinlichkeit Torschützenkönig, zum dritten Mal, seit er den 1. FC Union vor viereinhalb Jahren verließ. Dass er sich einmal so entwickeln würde, das haben sie nicht kommen gesehen in Berlin, wo man nicht mehr auf ihn setzte nach dem Trainerwechsel von Uwe Neuhaus zu Norbert Düwel. Zu zaudernd, hieß es. Und hinter vorgehaltener Hand kam schon mal die Frage auf, ob dieser junge Mann überhaupt gemacht sei für die Härten des Profigeschäfts. Grotesk werden es einige in Köpenick nun finden, dass ausgerechnet dieser Terodde darüber entscheidet, wie es kurzfristig mit dem 1. FC Union weitergeht im Aufstiegskampf. Union und Köln liegen in der Tabelle nah beieinander, die Berliner sind Vierter, die Kölner Zweiter. Fünf Punkte trennt sie. Bei einem Kölner Sieg wären es acht, und die Berliner Aufstiegshoffnungen würden erst einmal auf das luftige Volumen einer Köpenicker Schrippe schrumpfen.

Nur wenn die Berliner den besten Stürmer der Liga (und mit 47 Toren auch den besten Angriff) stoppen können, haben sie eine Chance. „Simon kann jederzeit den Unterschied machen und ein Spiel entscheiden“, sagt Parensen. Gern hätte er gegen seinen Freund gespielt, sie kennen sich in und auswendig, die beiden. Parensen wird inzwischen als Innenverteidiger eingesetzt, Terodde wäre sein direkter Gegenspieler. Aber bei Union sind Marvin Friedrich und Florian Hübner auf dieser Position gesetzt, die beiden bilden ein Bollwerk, das nur 15 Gegentore zugelassen hat bisher. Bestwert in der Zweiten Liga. Terodde aber wird auch für sie eine besondere Herausforderung werden. Weil er mit dem rechten Fuß trifft und mit dem linken. Mit dem Kopf sowieso. Dazu kommt zur körperlichen auch eine fußballerische Stärke. „Simon hat einen wahnsinnig guten ersten Kontakt. Der ist schwer zu verteidigen. Und mit dem Rücken zum Tor spielt er sehr präzise Bälle“, sagt Parensen.

Trainer Peter Neururer hat ihn auf den richtigen Weg gebracht

Es bedurfte der Fähigkeiten eines Trainers, den viele zu Unrecht gern als Küchenpsychologen aus längst vergangenen Zeiten abtun, um alle Fähigkeiten aus Terodde herauszuholen. Peter Neururer bewegte ihn zum Wechsel von Berlin nach Bochum und redete ihn stark. Jeden Tag. Er sagte ihm, dass es kein Problem sei, wenn er mal nicht treffe. Spielen würde er trotzdem. Diese Sicherheit hatte Terodde in Berlin gefehlt. Das Pendeln zwischen Startelf und Ersatzbank hatte ihn dort mürbe gemacht. Zu wissen, bei jedem Fehlschuss sitze ich wieder auf der Ersatzbank, ließ ihn verkrampfen. Neururer sagte so Dinge wie: Die Tore werden schon kommen. „Bei deinen Qualitäten geht das gar nicht anders.“

Die Tore kamen tatsächlich, und Terodde glaube plötzlich an sich. Vielleicht zum ersten Mal in seiner Karriere. Er traf und traf, und auf einmal war aus dem Zauderer ein Mentalitätsmonster geworden, das die Zweite Liga wie ein Appetithäppchen verschlang. Terodde entwickelte einen unstillbaren Hunger auf Tore, später auch beim VfB Stuttgart, jetzt im Trikot des 1. FC Köln. Mit Stuttgart ist Terodde vor zwei Jahren bereits aufgestiegen, auch wegen der 25 Tore, die er damals schoss. Mit Köln will er nun das Gleiche schaffen. Wenn dabei auf dem Weg in die Bundesliga noch ein Erfolg gegen seinen Ex-Klub abfällt, umso besser.