Berlin. Den Kopf gestoßen hat sich Sophie Fangerow bislang noch nicht. Ein paar Mal ist die Trampolinturnerin der Hallendecke jedoch schon gefährlich nahe gekommen. Fünf Meter hoch springt die 20-Jährige bei ihren Übungen, die Weltspitze erreicht sogar Höhen von bis zu neun Metern. Nur Fliegen ist schöner.
Diese Höhen sind allerdings auch notwendig, um die komplexen Sprünge überhaupt ausführen zu können. Zum Repertoire von Sophie Fangerow zählen Mehrfachsalti und -schrauben. Gesprungen werden sie aus dem Rücken, aus dem Stand oder aus der Bauchlage, vorwärts ebenso wie rückwärts. Da ist schon ein guter Orientierungssinn gefragt, um bei all den Umdrehungen nicht den Überblick zu verlieren.
Rund 100 Mal muss Fangerow einen neuen Sprung üben, bevor sie ihn sicher beherrscht. Doch erst nach rund 1000 Wiederholungen stellt sich jener Automatismus ein, der es ermöglicht, diesen Sprung auch in der Abfolge eines Wettkampfes sauber zu turnen. Zehn Sprünge beinhaltet eine Übung, nur knapp 20 Sekunden sind die Athleten in der Luft – für Abwägungen bleibt keine Zeit. „Bei unserem Sport kommt es auf Kraft, Körperspannung und vor allem auf das richtige Timing an“, sagt Sophie Fangerow.
Sportler lassen sich nicht einfach hochschleudern
Man müsse den Druckpunkt optimal erwischen, in dem das Sprungtuch am stärksten gespannt ist. „Wenn man genau in diesem Moment in das Tuch tritt, wirft es einen am höchsten“, erklärt sie. Damit ist auch klar, dass es sich beim Trampolinspringen um eine aktive Bewegung handelt: Die Sportler lassen sich keinesfalls einfach nur hochschleudern.
Im Wettkampf wird neben dem Schwierigkeitsgrad und der Ausführung der gezeigten Übungen auch die Zeit in der Luft bewertet, die „Time of Flight“, die mittels Sensoren gemessen wird. Je länger die Sportler in der Luft sind, desto mehr Punkte gibt es. Daneben gibt es noch den sogenannten HD-Wert, der bemisst, wie mittig die Turner auf dem Trampolin springen. Wer von einer Ecke zur anderen springt, bekommt Punktabzüge.
In Berlin beherrscht all das niemand so gut wie Sophie Fangerow. Seit 2011 ist sie durchgehend Berliner Meisterin, nahm zudem regelmäßig an deutschen Meisterschaften teil und stand im Synchron-Trampolinturnen als Dritte bei den deutschen Meisterschaften zwei Mal auf dem Treppchen.
Als Sechsjährige hatte sie einst mit dem Trampolinspringen angefangen, zunächst ausschließlich zum Spaß. Drei Jahre später beschloss sie, die Sache ernsthaft anzugehen. Mittlerweile ist die ganze Familie im Trampolinsport engagiert: Schwester Marie (17) turnt ebenfalls, ihr Vater Ingo ist Abteilungsleiter beim TSV Rudow, sie selbst trainiert dort nebenbei den Nachwuchs. Der Verein ist in dieser Sportart führend in der Stadt. In diesem Jahr startete man erneut in der Bundesliga, wurde am Ende unter sieben Teams Fünfter.
Seit dem Jahr 2000 ist der Sport auch olympisch
Ursprünglich stammt das Trampolinturnen aus dem Zirkus. Das Sicherheitsfangnetz für die Hochartisten wies trampolinähnliche Eigenschaften auf – zum Abschluss ihrer Darbietungen ließen sie sich in das Netz fallen und turnten dort als Zugaben noch einige Salti. Inzwischen ist daraus längst ein eigenständiger und ernsthafter Sport geworden, der seit 2000 auch olympisch ist. Vier Jahre später gewannen deutsche Athleten in Athen gleich zwei Olympiamedaillen, darunter Gold für Anna Dogonadze. Von solchen Erfolgen sind die deutschen Springer momentan jedoch weit entfernt.
Nur zwei Frauen – die WM-Zehnte Leonie Adam (Stuttgart) sowie die frühere Jugendweltmeisterin Silva Müller (Bad Kreuznach) – genügen momentan internationalen Ansprüchen. „Gerade im Frauenbereich wird es leider immer dünner“, sagt Sophie Fangerow. In anderen Ländern werde das Trampolinspringen allerdings auch deutlich stärker gefördert. Auch in Berlin steht der Sport im Schatten des klassischen Turnens, obwohl er nicht weniger anspruchsvoll ist. „Mir fällt eigentlich kein einziger Muskel ein, der dabei nicht beansprucht wird“, so Fangerow. Viele Vereine verfügen aber gar nicht erst über die nötigen Trampolingeräte, um den Sport anbieten zu können.
Zwar haben Trampolinhallen derzeit Hochkonjunktur. Allein in Berlin gibt es gleich mehrere dieser Indoor-Spielplätze für Sprungbegeisterte. Die Hoffnung, dass die Sportart davon profitieren kann, hat sich bislang allerdings nur teilweise erfüllt. „Die meisten Besucher solcher Einrichtungen wollen einfach nur Spaß haben, nur die wenigsten sind bereit, regelmäßig zu trainieren“, sagt Sophie Fangerow. Sie selbst würde in einer solchen Halle übrigens trotz ihres Talents kaum auffallen. Dort sind die Sprungtücher nämlich so konzipiert, dass man kaum mehr als einen einfachen Salto springen kann, maximal also anderthalb Meter hoch. Kein Vergleich zu den Sphären, in denen sich Fangerow normalerweise bewegt.