Buenos Aires. Was als „Jahrhundertpartie“ angekündigt wurde, verkommt zu einem beispiellosen Skandal-Event: Das Final-Rückspiel der Copa Libertadores zwischen den argentinischen Stadtrivalen Boca Juniors und River Plate aus Buenos Aires wurde nach einer ersten Absage am Sonnabend auch am Sonntag vertagt. Vorausgegangen waren schwere Gefechte zwischen Fans und Polizei und eine Attacke auf den Boca-Teambus, bei dem mehrere Spieler verletzt wurden. Der Verein beantragte beim südamerikanischen Dachverband Conmebol, das Final-Rückspiel „unter gleichwertigen Bedingungen“ auszutragen. Diese seien derzeit nicht gegeben.
Kurios: Wenige Minuten nach Bekanntgabe des Antrags wurden die Tore des River-Plate-Stadions bereits geöffnet. Erst eine halbe Stunde später verkündete Conmebol-Präsident Alejandro Dominguez die Absage. Ob und wann die Partie nachgeholt wird, ist derzeit völlig offen. Weil in Buenos Aires vom 30. November bis 1. Dezember der G20-Gipfel stattfindet, sind die Sicherheitsbehörden am Wochenende ohnehin ausgelastet. Einen zusätzlichen Brandherd mit Tausenden Fans wird die Hauptstadt nicht verkraften können.
Seinen Anfang hatte das Final-Chaos bereits Sonnabend genommen. Ein Handy-Video zeigt den Angriff auf den Boca-Bus: Mitten im euphorischen Gesang der Spieler zersplittern die Scheiben durch ein Wurfgeschoss. Kapitän Pablo Perez sinkt auf einem Sitz zusammen. „Einen Arzt, ruft einen Arzt“, ist zu hören, dann bricht die Aufnahme ab. Eine Katastrophe für die große Fiesta des südamerikanischen Fußballs.
Perez und Nachwuchsspieler Gonzalo Lamardo wurden sofort in ein Krankenhaus gefahren, kehrten mit leichten Schnittwunden sowie einer wegen Splitterverletzungen an der Bindehaut über dem betroffenen Auge geklebten Bandage ins Estadio Monumental von Buenos Aires zurück. Schon da wurde klar, dass das finale Duell um die Champions League Südamerikas verschoben werden muss. Auf Sonntag. Fans hatten sich mit der Polizei geprügelt. Die Beamten setzten Tränengas und Gummigeschosse ein. 56 Menschen wurden vorübergehend festgenommen. Ausnahmezustand.
Boca-Star Carlos Tevez greift den Verband scharf an
Die Conmebol spielte trotzdem auf Zeit, verschob den Anstoß erst um eine Stunde, dann um weitere 75 Minuten, ehe geschlagene vier Stunden nach dem Vorfall endlich die Verlegung auf Sonntag verkündet wurde. Die Hängepartie war vom Verband inszeniert. Boca wollte nicht mehr spielen. River, seit gut 100 Jahren Intimfeind, zeigte sich mit dem Stadtrivalen solidarisch. Aber die Conmebol und die Fifa fürchteten den Imageschaden mehr als die Gesundheit der Hauptdarsteller. „Um vier Uhr nachmittags und nicht erst um sieben am Abend habe ich meine Meinung kundgetan. Aber es sind nicht wir, die entscheiden“, kritisierte River-Plate-Trainer Marcelo Gallardo, der „unter diesen Umständen“ nicht antreten wollte. „Wir fühlen uns nicht in der Lage, das Spiel zu bestreiten. Aber wir werden gezwungen zu spielen“, echauffierte sich Bocas größter Star Carlos Tevez. „Dann sollen sie River Plate gleich den Cup geben!“
Fifa-Präsident Gianni Infantino, der als Ehrengast im Stadion weilte, soll höchstselbst auf die Austragung der Partie bestanden haben. Die Bilder von den Krawallen machten da längst die Runde. In einem Kommuniqué konstatierten die Conmebol-Ärzte nach Untersuchungen in der Boca-Kabine nur „oberflächliche“ Verletzungen, aus ärztlicher Sicht gebe „es keinen Grund, die Partie abzusagen“. Das Foto mit dem Geschwulst in Perez’ Auge zog die Diagnose jedoch in Zweifel. Es sollte nicht das letzte ungelenke Gebaren des Verbands bleiben.