BUNDESLIGA

Ein Punkt als Balsam für die strapazierte Hertha-Seele

| Lesedauer: 6 Minuten
Uwe Bremer
Teamgeist: Die Spieler von Hertha BSC schwören sich unmittelbar vor dem Anpfiff auf die Partie gegen Hoffenheim ein

Teamgeist: Die Spieler von Hertha BSC schwören sich unmittelbar vor dem Anpfiff auf die Partie gegen Hoffenheim ein

Foto: O.Behrendt / imago/Contrast

Warum Herthas 3:3 gegen Hoffenheim der Mannschaft hilft, Trainer Pal Dardai und Manager Michael Preetz

Berlin.  Ob das 3:3 von Hertha BSC gegen Hoffenheim das wichtigste ­Remis der Saison ist, wird sich mit Gewissheit erst Mitte Mai 2019 nach dem 34. Bundesliga-Spieltag sagen lassen. Der Nutzer „Tf“ im Blog Immerhertha hat aber genau diese Argumentation benutzt nach dem rasanten Spektakel am Sonnabend. Keine Frage, das 3:3, sichergestellt durch ein sehenswertes Tor von Valentino Lazaro (87.), wurde von den Anhängern und der Mannschaft als ­gefühlter Sieg empfunden. Ein Punkt, der Balsam ist für die seit ­Wochen arg strapazierte Hertha-Seele.

Nach der 1:4-Pleite in Düsseldorf hatte Manager Michael Preetz die Spieler in die Pflicht genommen. Mehr Lauf­bereitschaft, besseres Zweikampfverhalten, mehr Einsatz war gefordert. Auch Trainer Pal Dardai wusste, dass ein Erfolgserlebnis für sein Standing bei seinen Vorgesetzten hilfreich wäre. Das Verhältnis zwischen Dardai und dem Manager hatte sich rund um die von Preetz geforderte Solidaritätsaktion der Mannschaft mit der Geschäftsleitung und Mitarbeitern, um es vorsichtig zu sagen, nicht ­verbessert. Dass die demonstrative Geste auf dem Rasen des Olympiastadion im Anschluss an die Partie gegen RB Leipzig (0:3) dann doch nicht stattfand, hat nichts daran geändert, dass die interne Situation bei Hertha seit Längerem angespannt ist.

Ibisevic und Kalou gehen voran

Der 0:2-Rückstand gegen Hoffenheim nach nur zehn Minuten am Sonnabend erinnerte Beobachter an die 0:5-Klatsche, die Hertha im Dezember 2014 gegen die TSG kassiert hatte – zwei Spiele später war der damalige Trainer Jos Luhukay entlassen und durch Pal Dardai ersetzt worden.

Doch die Mannschaft hatte sich intern selbst in die Pflicht genommen. So genervt sie waren von der Auseinandersetzung zwischen Vereinsführung und den eigenen Fans, hatten sich die Spieler in die Hand versprochen, sich von nichts ablenken zu lassen: voller Einsatz für den Sieg. In dieser schwierigen Lage gingen die Leitwölfe voran. Kapitän Vedad Ibisevic sorgte für das rasche Anschlusstor – und rackerte für zwei. Auch Salomon Kalou, egal ob der Ball bei einem Dribbling mal verloren ging, hängte sich rein und war stets anspielbereit.

Dardai fordert Mathew Leckie heraus

Die Kollegen ließen sich mitreißen. Bei der Spielbesprechung hatte Trainer Dardai Mathew Leckie angestachelt: Dass es schön wäre, würde der Australier sein großes Potenzial mal wieder auf den Platz bringen. Resultat: Gegen den Champions-League-Starter zeigte Leckie seine beste Saisonleistung, rannte die meisten Kilometer ­aller Herthaner (11,54 Kilometer), zog die meisten Sprints an und erzielte das Tor zum wichtigen 2:3. „Ein irres Spiel mit vielen Chancen“, sagte Leckie, der erst am Donnerstag von einer Länderspielreise aus Australien zurückgekehrt war. „Ich habe mich gut gefühlt, trotz des langen Fluges“, sagte er.

Marko Grujic, nach zweimonatiger Verletzungspause eigentlich nur für eine Stunde vorgesehen, biss sich bei seiner Rückkehr über 90 Minuten durch. „Es macht einen Riesenunterschied, wenn er dabei ist“, lobte Trainer Dardai. „Marko hat keine Angst, er nimmt die Bälle, spielt vertikal nach vorn, weiß, wann er in die Räume gehen muss – er ist ein Topspieler.“

Erlösung durch Lazaro

Davie Selke brachte nach seiner Einwechslung noch einmal einen frischen Schub an Energie, bereitete den Leckie-Treffer vor. „Ich habe gleich gemerkt, dass die Jungs noch wollen, alle haben gebrannt. Es war ein verrücktes Spiel“, sagte Selke. Der krönende Abschluss vor 44.500 Zuschauern im Olympiastadion gelang Lazaro mit ­seinem wuchtigen Tor aus 18 Metern.

„Ein großes Kompliment an die Mannschaft, was Moral, Wille und Charakter angeht“, sagte Dardai. Keiner der Beteiligten redete bei der Schwäche, die Hertha in diesem Spätherbst plagt, drumherum. Zehn Gegentore aus den letzten drei Partien sind viel zu viel. Hertha kämpfte sichtlich damit, dass mit Derrick Luckassen und Fabian Lustenberger die Vierer-Abwehrkette erneut in einer neuen Zusammenstellung spielte – die Defensivschwächen waren nicht zu übersehen.

Zehn Gegentore in drei Spielen

Vor allem das zweite Gegentor, nachdem die Vorlage von Hoffenheims Torwart Oliver Baumann 80 Meter unterwegs war, darf auf Bundesliga-Niveau so nicht fallen. „Ich weiß nicht, ob ­Lusti und Derrick gedacht haben, der jeweils andere gehe hin“, sagte Lazaro, „beide hatten bei langen Bällen Probleme, haben es ­danach aber richtig gut gemacht.“

Trainer Pal Dardai berichtete, dass er am Tag nach dem 3:3 gegen Hoffenheim in seinem Kiez viele positive Reaktionen bekommen habe: „Auf der Straße, beim Bäcker, die Leute haben sehr positiv gesprochen. Aber wir spielen zu viel unentschieden, wir brauchen einen Sieg.“ Unter dem Strich bleibt, dass die Mannschaft, statt in einer Krise zu versinken, sich am eigenen Schopf mit Courage und spielerischen Mitteln herausgearbeitet hat. Genau das war in der Woche trainiert worden. Folglich hat das 3:3 gegen die TSG dem Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Team gutgetan.

Brisanz bei der Mitgliederversammlung

Die Feierstimmung, in der die Hertha-Fans das Olympiastadion verlassen haben, hilft auch den Verantwortlichen um Präsident Werner Gegenbauer auf der Mitgliederversammlung am heutigen Montag in der Messehalle unterm Funkturm (19 Uhr).

Das Hymnen-Thema vom Saisonstart, das Verhältnis zwischen Geschäfts­leitung und Fans, die Vorfälle im Gäste-Block in Dortmund, die Stadion-Pläne, die 40-Millionen-Anleihe, die Hertha aufgenommen hat – es wird eine kontroverse Diskussion erwartet. Alles wichtige Fragen, die sich ruhiger bereden lassen, wenn Hertha als Liga-Achter nur drei Punkte hinter den Europacup-Rängen liegt, aber beruhigende acht Punkte vor der Abstiegszone – sich also fernab einer sportlichen Krise durch die Bundesliga bewegt.