Berliner Champions

Von Deckeln, Dackeln und drei Dimensionen

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Philip Häfner

Foto: jörg Krauthöfer /Funke MedienGruppe

Unterwasserrugby ist der einzige Sport, bei dem sich Spieler und Ball im gesamten Raum bewegen. Die Sporttaucher Berlin zählen dabei zu den besten Teams Deutschlands.

Berlin.  Wolfgang Tress erinnert sich noch gut an die gemeinsame Einheit mit den Wasserballern. Die trainieren in Wedding in derselben Schwimmhalle wie die Unterwasserrugbyspieler der Sporttaucher Berlin, sodass man eines Tages die Idee hatte, man könne doch auch einmal gemeinsam ins Wasser gehen. Es blieb jedoch bei einem einmaligen Experiment. „Beide Seiten fanden die jeweils andere Sportart einfach zu krass“, sagt Tress. Der 47-Jährige erzählt diese Geschichte häufiger, wann immer jemand Unterwasserrugby als Wasserball mit Flossen bezeichnet. Er selbst sieht ganz andere Parallelen: „Unser Sport ist ein bisschen wie Quidditch unter Wasser“, meint er. Jene Sportart aus den Harry-Potter-Romanen also, bei der die Spieler auf Besen herumfliegen.

Tatsächlich ist Unterwasserrugby die einzige Mannschaftssportart, bei der sich sowohl der Ball als auch die Spieler in drei Dimensionen bewegen. Anfänger verlieren da schnell die Orientierung. „Es dauert etwa zwei Jahre, bis man das so richtig begriffen hat“, sagt Wolfgang Tress. Er spielt seit 15 Jahren, seit zehn Jahren ist er bei den Sporttauchern außerdem als Trainer aktiv. Auch seine Freundin Lorena Bianchi ist dem Sport verfallen, 2015 gewann sie mit dem Nationalteam den WM-Titel. Die Sporttaucher sind momentan der einzige Berliner Vertreter in der Bundesliga. Die Jugendmannschaft war vor kurzem sogar deutscher Meister in der U18.

Deutschland zählt mit 5000 Spielern zu den Top-Nationen

Ebenso wie beim klassischen Rugby geht es auch bei der Unterwasservariante ziemlich zur Sache. Es ist ein Vollkontaktsport, wobei allerdings immer nur der ballführende Spieler angegriffen werden darf. Dort ist dann aber fast alles erlaubt, lediglich die Ausrüstung und gezielt unsportliche Attacken sind tabu. Gerade Anfänger hätten oft die Sorge, dass sie unter Wasser festgehalten werden und in Panik geraten. Tress meint jedoch: „Das, wovor die Leute am meisten Angst haben, kommt eigentlich so gut wie nie vor.“

Erfunden wurde Unterwasserrugby in den 1960-Jahren im Ruhrgebiet. Inzwischen wird der Sport in knapp 30 Ländern betrieben. Die Top-Teams stammen aber aus Deutschland, wo es mit 5000 Spielern auch die meisten Aktiven gibt, sowie aus Skandinavien und Kolumbien.

Drei Spieler sind unter Wasser, drei an der Oberfläche

Ziel des Spiels ist es, einen mit Salzwasser gefüllten Ball in den gegnerischen, am Beckenboden angebrachten Korb zu bringen. Gespielt wird zweimal 15 Minuten; bei einem Unentschieden fällt die Entscheidung anschließend durch Strafwurfschießen. Jede Mannschaft hat immer sechs Spieler im Wasser, von denen drei unter Wasser agieren und die anderen an der Oberfläche Luft holen, ehe nach einigen Sekunden die Rollen gewechselt werden.

Drei Positionen gibt es: Den Torwart, dessen Aufgabe es ist, den Korb zu versperren – daher auch sein Spitzname „Deckel“. Den Unterwasserverteidiger, der Angriffe vom Beckenboden abwehrt und als „Dackel“ bezeichnet wird, weil er dem Torwart quasi zu Füßen liegt. Und den Stürmer, der die gegnerischen Angreifer frühzeitig stören und in der Offensive selbst Tore erzielen soll. Die Spieler tragen Flossen aus Fiberglas, Taucherbrillen, gepolsterte Wasserballkappen und einen Schnorchel, der abgeschnitten wird, damit er nirgendwo hängen bleibt. Optional sind Ellenbogenschützer, Suspensorium und Zahnschutz.

„Die beste Position ist knapp über dem Beckenboden, weil man dort zumindest von unten nicht angegriffen werden kann“, sagt Tress. Neben der optimalen Wasserlage ist ansonsten vor allem mentale Stärke gefragt. „Es geht um die Fähigkeit, unter Luftmangel ruhig zu bleiben und auch in einer maximalen Stresssituation noch den Überblick zu behalten“, so der Friedrichshainer.

Am kommenden Wochenende findet in Berlin der Champions Cup statt

Unterwasserrugby ist eine eher defensiv geprägte Sportart. Häufig fällt in einem Spiel nur ein Treffer. „Es ist leichter, den Korb zu verteidigen, als selbst ein Tor zu machen“, sagt Tress. Die Abwehr ist auch deshalb im Vorteil, weil sich auf ihrer Seite stets die eigene Auswechselbank befindet, sie also schnell frisches Personal bekommen kann. Die angreifende Mannschaft müsste dafür erst auf die andere Beckenseite schwimmen.

Doch nicht nur aus Mangel an Toren ist Unterwasserrugby keine klassische Zuschauersportart. Für Außenstehende ist das Geschehen unter der Wasseroberfläche nur schwer zu verfolgen. Viele Klubs arbeiten deshalb bereits mit Unterwasserkameras, um das Spiel auf eine Leinwand zu projizieren oder ins Internet zu übertragen. Am kommenden Wochenende treten einige der besten Teams der Welt im Stadtbad Tempelhof beim Champions Cup an, einer Art Klub-WM. Ausrichter ist der Verein Berliner Unterwasserrugby (BUR), doch auch die anderen Vereine der Stadt sind beteiligt. Ursprünglich sollte der Champions Cup immer beim Vorjahressieger stattfinden, doch seit 20 Jahren hat sich Berlin als Austragungsort bewährt. Sportlich gehören die Berliner dort zwar nicht zu den Top-Favoriten. Dafür sind sie organisatorisch ganz vorn dabei.