Berlin. Wenn Hertha an diesem Sonnabend auf RB Leipzig trifft, hat die Partie viele Facetten (18. 30 Uhr Olympiastadion/Sky und Immerhertha-Liveticker). Für viele Berliner Anhänger ist der Vergleich gegen den ungeliebten Nachbarn ein hochaufgeladenes Prestigeduell. Die Stichworte lauten: Tradition versus fremdbestimmter Kommerz. Sportlich betrachtet steht Hertha BSC in der Pflicht zu liefern. Die bisherigen Partien im Olympiastadion gegen RB haben die Berliner mit 1:4 (2017) und 2:6 (im Mai) verloren. Aber auch persönlich kreuzen sich die Wege von Protagonisten, die schon intensiv miteinander zu tun hatten.
Das Wunderkind Werner hatte es am Anfang beim VfB schwer
Vedad Ibisevic sorgte 2008 unter Trainer Ralf Rangnick, heute in Doppelfunktion Trainer und Sportdirektor bei RB, mit 18 Hinrunden-Toren für einen europaweit bestaunten Höhenflug des damaligen Aufsteigers Hoffenheim. Spektakulär, schnell – und vorne Ibisevic. Das Märchen endete jäh, als beim Torjäger das Kreuzband riss. In der Rückrunde stürzte Hoffenheim ab.
Weniger bekannt ist, dass Ibisevic eine gemeinsame Vergangenheit mit Timo Werner hat. 2013 beim VfB Stuttgart war Werner, damals als Wunderkind gepriesen, zu den Profis hochgezogen worden. Chef in der Stürmer-Hierarchie war Vedad Ibisevic. Die Idee war, dass der erfahrene Torjäger dem künftigen zeigen sollte, wie es zugeht im gegnerischen Strafraum.
Werner hat später mal erzählt – ohne Name zu nennen –, dass es in Stuttgart ältere Spieler gab, die versuchten, ihm das Leben schwer zu machen. Sein Ruf, ein Supertalent zu sein, kam wohl nicht bei allen Kollegen gut an. Wenn er im Training am Tor vorbeischoss, raunten ihm die Älteren im Vorbeigehen zu: „Von wegen Wunderkind“. Von Ibisevic ist eine Anekdote aus dem November 2013 überliefert. Werner erzielte in einer umkämpften Partie in Freiburg das 3:1 für Stuttgart. Er war mit damals 17 Jahren der jüngste Spieler, dem ein Bundesliga-Doppelpack gelungen war. Doch Ibisevic, der beim Angriff mitgelaufen war, gratulierte nicht, sondern drohte mit dem Zeigefinger. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte ihn damals: „Ein erfahrener Spieler hätte nicht selbst geschossen, sondern den Ball quer gelegt“, so Ibisevic, „das Spiel stand auf der Kippe, und es war viel riskanter, selber zu schießen als querzulegen. Timo hat Glück gehabt, dass der Ball reingegangen ist.“
In Berlin soll Ibisevic nun Selke heranführen
Seither ist viel passiert. Werner gilt mit seinen 22 Jahren nach wie vor als einer der vielversprechendsten Konterstürmer in Europa. Leipzig wird sicher nicht die letzte Karrierestation des 21-maligen Nationalspielers bleiben. Ibisevic dagegen befindet sich mit 34 Jahren als Teamsenior bei Hertha im Spätherbst seiner Karriere. Auch in Berlin steht sein Nachfolger bereit, den Ibisevic mit entwickeln soll: Davie Selke. Gut möglich, dass beide gegen Leipzig in der Startelf stehen.
Was Werner und Ibisevic gemein ist: Sie sind aktuell gut drauf. Werner sicherte Leipzig am Mittwoch mit zwei Toren den 2:0-Pokalerfolg gegen Hoffenheim. Es war bereits der dritte Doppelpack des Stürmers in dieser Saison. Ibisevic erlebt „seinen gefühlt 120. Frühling“, wie Hertha-Trainer Pal Dardai sagt. In der Bundesliga ist der Bosnier mit vier Toren der zweitbeste Schütze im Team (nach Ondrej Duda/ sechs). Und wenn er mal eine Pause verordnet bekommt wie im Pokalspiel bei Zweitligist Darmstadt am Dienstag, muss Ibisevic doch noch ran. „Eigentlich sollte ich nicht spielen“, kokettierte er nach dem Abpfiff. Als er nach 64 Minuten eingewechselt wurde, dauerte es gerade 37 Sekunden, bis der torlos- Bann gebrochen war – 1:0 Ibisevic mit der ersten Ballberührung, Hertha bog auf die Siegerstraße ein (Endstand 2:0).
Mehr Tempo, mehr Torgefahr: Rangnick lobt Hertha
An diesem Sonnabend treffen sich Ibisevic und Werner im Topspiel der Liga wieder. Trainer Dardai sagt, angesprochen auf die hohen Heimniederlagen gegen Leipzig: „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.“ Hertha habe einen Plan. Die Mannschaft sei sehr motiviert: „Ich bin sehr zuversichtlich.“ RB-Trainer Rangnick hält dagegen: „Hertha hat diese Saison ein anderes Gesicht als in der vergangenen Spielzeit: Sie sind torgefährlicher und mit dem nötigen Tempo ausgestattet.“ Er hat auch die Olympiastadion-Bilanz von Hertha im Blick (drei Siege, ein Unentschieden in dieser Saison): „Wir wollen dort gewinnen. Aber wir wissen, dass wir auf ein starkes Heimteam treffen, das gegen Top-Mannschaften eine tolle Bilanz aufweist. Ich erwarte eine enge Partie.“