Berlin. Dirk Zingler, den Präsidenten des Zweitligisten 1. FC Union, hat die Entwicklung in der Causa Mesut Özil nicht mehr überrascht. „Der gesamte Umgang mit diesem Thema war, vorsichtig formuliert, sehr unglücklich von nahezu allen Seiten. Der lange Prozess der Entfremdung zwischen der Nationalmannschaft und vielen Fans in Deutschland hat mit dieser Sache einen unrühmlichen Höhepunkt gefunden“, sagte der Klubchef.
Ob und welche Auswirkungen dies auf den Fußball, aber auch auf die Gesellschaft haben werde, „hängt davon ab, was wir daraus lernen“. Zingler nimmt mit diesem „Wir“ nicht nur die Verantwortlichen für die Nationalmannschaft, sondern auch alle Spieler, Trainer, Fans, Medien, und Sponsoren in die Pflicht.
Integration bleibt bei Berliner Clubs wichtiges Thema
Am Beispiel Özil zeige sich einmal mehr, „dass es darum gehen muss, verschiedene Perspektiven einzunehmen und zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln, wenn man die einigende Kraft des Fußballs nutzen und stärken möchte. Man kann aus einer Krise auch gestärkt hervorgehen. Das setzt voraus, dass man sie als solche erkennt und bereit ist, Dinge zu verändern.“
Integration ist und bleibt bei den Berliner Klubs ein wichtiges Thema. „Vielfalt gehört bei Hertha BSC zu den Grundwerten. Daher sind für uns alle Spieler im Nachwuchs Berliner. Wir schauen nicht auf den Pass und führen auch keine Statistiken darüber“, hieß es aus Kreisen des Bundesligisten.
Union setzt bei Integration auf die Kraft des Fußballs
Auch bei Union beginne die Integration damit, „dass wir diese Trennung gar nicht vornehmen“, so Lutz Munack, Geschäftsführer Nachwuchs- und Amateurfußball: „Unser Einzugsgebiet ist Berlin/Brandenburg. Dort suchen wir Jungs, die gut Fußball spielen können und die Werte unseres Vereins teilen, um sie weiter auszubilden. Wo die Eltern oder Großeltern der Spieler geboren wurden, ist dabei für uns nicht relevant.“
Die Köpenicker setzen dabei weiter auf die Kraft des Fußballs selbst, auf dessen „klare Regeln, die alle kennen. Die Verständigung darüber ist in keiner Mannschaft ein Problem“, erklärte Munack: „Fußball ist da recht einfach. Ein Beispiel: Wenn ich beim Lattenschießen nicht treffe, habe ich Kabinendienst. Mein familiärer Hintergrund ist dafür nicht von Belang.“
Özil hat nicht immer alles richtig gemacht
Beim FC Internationale empfindet man trotz Özils Rücktritt „Multikulti nicht als gescheitert, bei uns ist das Programm“, sagte der 1. Vorsitzende Gerd Thomas: „Wenn Herr Grindel das anders sieht, kann er gern noch mal bei uns vorbeikommen. Ich hoffe nicht, dass uns die Sache um Mesut Özil die tägliche Arbeit erschwert.“ Der Landesligist (siebte Liga) ist seit 2006 Integrationsstützpunkt der Sportjugend Berlin. Seit Jahren verzichtet der Klub auf einen Werbeaufdruck, auf dem Trikot ist stattdessen „No Racism“ (kein Rassismus) zu lesen.
Durchaus kritisch sieht man Özils Vorgehen beim Berlin-Ligisten Al-Dersimspor. „Wir trennen bei uns Sport und Politik streng. Das hätte man auch bei Özil stärker machen sollen. Er hat als Spieler viel für Deutschland geleistet, aber auch nicht immer alles richtig gemacht“, so Kadir Emre, Sportlicher Leiter des Sechstligisten.
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