München. Das DHB-Team enttäuscht im Test gegen Norwegen. Auch das Verhältnis zum neuen Bundestrainer scheint kompliziert.

Die deutschen Handballspieler freuen sich fast alle auf ihren ehemaligen Erfolgscoach Dagur Sigurdsson. Einzig Torhüter Andreas Wolff wirkte nicht besonders begeistert von dem Wiedersehen. „Es würde mir mehr bedeuten, wenn wir dem Weg, den Dagur uns damals vorgegeben hat, hätten weiter folgen können“, sagte der 27-jährige Kieler Schlussmann vor dem Abflug der DHB-Auswahl nach Japan. Bei einem zehntägigen Lehrgang werden die einstigen „Bad Boys“ dort auch dem Isländer begegnen, der mittlerweile die Japaner trainiert. Wolff schätzt Sigurdsson sehr. Aber der ehrgeizige Keeper schätzte vermutlich noch mehr, welche großen Erfolge die Mannschaft unter Sigurdsson feierte.

Diesen besonderen Weg mit dem EM-Titel 2016 und Bronze bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro als Krönung hat die DHB-Auswahl spätestens seit dem Abschied Sigurdssons im Januar 2017 verlassen. Bei der 25:30-Testspielniederlage gegen den WM-Zweiten Norwegen am Mittwochabend wurde schmerzhaft deutlich, dass die deutsche Mannschaft momentan nicht zur Weltspitze gehört.

Die Wahrheit sieht Prokop an der Anzeigetafel

Sieben Monate vor dem Start in die speziell für den Deutschen Handballbund (DHB) so bedeutsame Weltmeisterschaft in Deutschland zählt der Gastgeber nicht zu den Titelfavoriten. Sigurdssons Nachfolger Christian Prokop beschreibt es so: „Es ist aktuell die Wahrheit gewesen, was wir da an der Anzeigetafel gesehen haben“, sagte der 39-Jährige nach der Niederlage in München.

Auf dem Weg zum WM-Eröffnungsspiel am 10. Januar in der Berliner Schmeling-Halle waren die Norweger seit längerer Zeit der erste starke Gegner und werden das nun auch für längere Zeit bleiben. Schon am Donnerstag machte sich Prokop mit seiner Mannschaft auf den Weg nach Japan. Zehn Tage werden Gensheimer und Co. dort verbringen.

Zehn Tage, an denen Prokop und seine Spieler sich auf die WM einstimmen wollen. Dass zwei Testspiele gegen die von Sigurdsson trainierten Japaner anstehen, dürfte für einige Spieler emotional werden. Fabian Wiede und Silvio Heinevetter etwa arbeiteten ja auch bei den Füchsen Berlin jahrelang erfolgreich mit dem Isländer zusammen. Sportlich dürften die Asiaten eigentlich kein Maßstab sein. Allein körperlich sind die kleinen Japaner der deutschen Mannschaft klar unterlegen. Niemand weiß allerdings, ob Taktikfuchs Sigurdsson sie nicht entscheidend vorangebracht hat.

Gegen die Ansagen des Trainers

Die Norweger waren nicht unterlegen. Vor allem in der zweiten Spielhälfte hatte die DHB-Auswahl vor 9700 Zuschauern in der Olympiahalle zu viel vermissen lassen. Es fehlte an Aggressivität in der Abwehr und an Präzision im Angriff. Selbst klarste Chancen wurden nicht genutzt. Waren seine Spieler nach einer langen Saison letztlich einfach zu müde? „Dieses Alibi wollen wir uns nicht geben“, sagte Prokop. Er räumte ein, dass sich seine Spieler im zweiten Durchgang „nicht an Absprachen gehalten“ hätten. Der Bundestrainer wirkte enttäuscht, öffentliche Kritik übte er aber nicht.

Bei der enttäuschenden EM im vergangenen Januar in Kroatien hatte es Missverständnisse zwischen Mannschaft und Trainer gegeben. Seitdem gab es zahlreiche Gespräche, Trainer und Spieler betonten die Bereitschaft des jeweils anderen, aufeinander zuzugehen. Wie stabil dieses Verhältnis ist, wird sich spätestens bei der WM zeigen. Vorher wollen beide Seiten in Japan noch enger zusammenrücken. Auch Sigurdsson hatte während seiner erfolgreichen Zeit mit dem DHB-Team 2016 großen Wert auf Teambuilding-Maßnahmen gelegt.

Zusammenraufen für den Erfolg

Manche Spieler werden sich spätestens in Japan daran erinnern. Auch wenn die WM vor der Haustür „noch so weit weg ist“, wie Kapitän Uwe Gensheimer meinte, für den DHB-Coach hat die Vorbereitung auf das Highlight im Winter schon Fahrt aufgenommen. Einschwören auf die WM ist die Überschrift. „So eine Reise kann für uns noch mal einen anderen Zusammenhalt erbringen“, glaubt Gensheimer, der aber „nie Stimmungsprobleme“ im Team bemerkt hat.

Gleichwohl galt das Verhältnis zum Trainer während des verheerenden EM-Turniers im letzten Januar als belastet und war neben den sportlichen Abschneiden der Anlass für hitzige Debatten. Prokop hat seither Dinge verändert, sich mehr Offenheit, mehr Gespräche, mehr Spaß auf die Fahne geschrieben. Der Trip zum Saisonabschluss vor dem ersehnten Urlaub wird Gelegenheiten dazu bieten. Aber eben auch zum Training. „Unser taktisches Konzept muss noch genauer in die Köpfe rein“, sagte Gensheimer.