Paris. Die Deutsche scheitert im Viertelfinale von Paris trotz gutem Start an der Weltranglistenersten
Sie rannte mit gewohnter Leidenschaft jedem einzelnen Ball nach. Flitzte zwischen den Ecken hin und her, mit quietschenden Schuhen. In ihrem Element war Angelique Kerber im Viertelfinale der French Open durchaus, im Zermürbungsduell gegen die Weltranglisten-Erste Simona Halep. Aber die bessere war Kerber nicht an diesem Mittwochnachmittag.
Bei ihrer 7:6 (7:2), 3:6, 2:6-Niederlage im roten Sand von Paris fehlte Kerber - bei aller Zähigkeit - einfach die nötige Dynamik, Angriffswucht und manchmal auch die letzte Überzeugung, um die Herkulesaufgabe gegen das rumänische Laufwunder erfolgreich zu stemmen. „Ich habe alles gegeben, alles versucht, aber es hat leider nicht gereicht. Sie war am Ende die aggressivere Spielerin, das war der Schlüssel“, sagte Kerber, der damit auch der erste Halbfinaleinzug unterm Eiffelturm verwehrt blieb. Halep, Frontfrau des Frauentennis, aber noch ohne Grand-Slam-Pokalsieg, spielt nun am Donnerstag in der Runde der letzten Vier gegen Garbine Muguruza. Die spanische French-Open-Siegerin von 2016 überzeugte in ihrem Viertelfinalduell mit 6:2 und 6:1 gegen die überforderte Maria Scharapowa.
Kerbers Problem gegen Halep war die häufig mangelnde Konsequenz und der fehlende Schuss Risikobereitschaft. Zu oft war die Deutsche nur die Spielerin, die auf den strategischen Plan ihrer Gegnerin, auf deren Schläge reagierte. Es rächte sich auch, dass die 30 Jahre alte Kielerin nicht zügig genug, nach einem 4:0-Vorsprung, den ersten Satz gewann und viel Energie unnötig verschleuderte. Kerber ließ Halep auf 3:4 herankommen, dann glich die aufopferungsvoll kämpfende Rumänin sogar zum 5:5 aus. Die Aufholjagd blieb zwar vergeblich, Kerber gewann den Tiebreak ziemlich souverän, aber Halep blieb komplett unbeeindruckt: „Gegen Angie bin ich immer auf lange Matches gefasst. Und ich weiß, dass ich noch eine Chance bekomme“, sagte sie.
Das sollte sich schnell bewahrheiten, schon im ersten Spiel des zweiten Satzes gelang Halep ein Break. Und von diesem Moment an war die Nummer eins des Frauentennis auch die bessere, weil druckvollere und zwingendere Spielerin. Kerber vergab bei einem 3:4-Defizit in diesem Durchgang noch einmal eine Breakchance – und damit auch die Möglichkeit, die Partie vielleicht doch abzukürzen und in zwei Sätzen nach Hause zu spielen. Aber es blieb nur eine Chance, Halep behielt kühlen Kopf, glich zum 1:1 nach Sätzen aus und ließ sich das Kommando auch nicht mehr entreißen. Schon lange vor dem Matchball wirkte es so, als glaube Kerber selbst nicht mehr vollends an einen Überraschungscoup gegen die Turnierfavoritin. Sie kämpfte verbissen, ließ sich nach all den gelaufenen Metern sogar wegen Blasen am Fuß behandeln. Aber zu oft unterliefen ihr die bitteren Fehler in den Momenten, in denen sich ein Spiel wenden kann. „Ihr hat zu oft die Präzision gefehlt. Aber auch manchmal der letzte Schritt zum Ball“, urteilte Tennislegende Arantxa Sanchez, „es war auch eine Frage, wer die physisch größeren Ressourcen hat.“ Es war Halep. Und nicht Kerber.
Sie wird nun nicht ungern einen Schlussstrich unter die Sandplatzserie ziehen, erst bei den French Open konnte sie eindrucksvolle Spuren in die rote Erde zeichnen. „Ich bin ganz zufrieden mit den letzten Wochen“, sagte Kerber. Jetzt geht es auf die Tennisgrüns, zunächst mal auf Mallorca – später, Anfang Juli, steigt dann das prestigeträchtigste Klassen-Treffen des Jahres in Wimbledon. Mit Kerber als gefährlicher Geheimfavoritin, aus der Tiefe des Raumes.
Jörg Allmeroth