München

Der Jubel der alten Meister

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Patrick Strasser

Die Bayern feiern den ältesten Titeltrainer Heynckes. Die Oldies Ribéry und Robben können wohl bleiben

München.  Am Sonntag, um 10 Uhr, war Training beim FC Bayern angesetzt. Kein Pardon für Meister. Die Reservisten vom Sonnabendspiel mussten ran. Also Thomas Müller, Franck Ribéry, Thiago, Mats Hummels und Robert Lewandowski – eine kleine Weltauswahl. Und seit dem 4:1 in Augsburg ein Teil des Meisterkaders 2017/18. Aber es gibt Wichtigeres in München als den Titel, auch wenn es der sechste hintereinander und der insgesamt 28. ist (siehe Grafik). Das Ziel heißt: Triple.

Nur kein Hochmut, bloß kein Kater. In der Augsburger Kabine gab es Musik, eine Champagner-Flasche kreiste, ein paar Flaschen Bier, teilweise alkoholfrei, wurden geöffnet – zum Trinken, nicht zum Duschen. Mehr Party war nicht. Selbst das angedachte Abendessen samt Anhang in München wurde verworfen. „Die Freude war da, auch wenn der Mittwoch schon im Hinterkopf ist“, sagte Kapitän Thomas Müller, „so als ob jemand in der Kreisklasse aufsteigt. Nur ein bisschen gedämpfter.“ Mit 2:1 hat Bayern das Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Sevilla gewonnen, das Rückspiel am Mittwoch gerät zum Charaktertest.

Ausgerechnet derjenige, der die Partybremse angeordnet hatte, stellte sich nach dem Sieg in Augsburg plötzlich als derjenige heraus, den die Meisterschaft am meisten berührte: Jupp Heynckes. Man konnte dem Cheftrainer ansehen, dass er innerlich zerrissen war. Einerseits war da die Freude, die tiefe Genugtuung über das Erreichte, andererseits die ihm implementierte Zurückhaltung und Vorsicht mit Blick auf die kommenden, noch wichtigeren Aufgaben im DFB-Pokal und vor allem in der Königsklasse. Als die Mannschaft ein Spalier bildete, damit der 72-Jährige wie von den Fans mit lautstarken „Jupp!Jupp!Jupp!“-Rufen gefordert zur Kurve gehen konnte, war er angefasst. Seine Mundwinkel zuckten, feuchte Augen. Heynckes kämpfte mit den Tränen. Vier Jahre war er raus aus dem Geschäft, genoss das Rentner-Leben mit seiner Frau und seinen Tieren auf seinem Bauernhof im Schwalmtal, nun ist er der älteste Meistertrainer der Bundesligageschichte. Vor 29 Jahren (!) hatte er seinen ersten Titel mit Bayern gefeiert. Danach noch 1990 und 2013, als Ouvertüre und Grundstein zum historischen Triple. Wie diesmal?

Zu weit gedacht. Heynckes schwenkte lieber zurück in den Oktober letzten Jahres, als ihn die Bayern-Bosse, allen voran sein Kumpel Uli Hoeneß, um einen Freundschaftsdienst baten. Als Retter in der Not. „Als ich kam, hatten wir fünf Punkte Rückstand. Auch wenn es für einige hier fast Gewohnheit ist: Die deutsche Meisterschaft war für mich als Spieler immer der wichtigste Titel, das schönste Erlebnis“, sagte Heynckes. Aus einer Krise samt Rückstand auf Borussia Dortmund machte Heynckes im Herbst/Winter ein sagenhaftes Überholmanöver, das im Frühjahr in den Meister-Spaziergang mündete – mit nur noch zwei Niederlagen. Titel Nummer 28 machte man fünf Spieltage vor Schluss klar. Spötter sagen: Selbst ohne die 13 Punkte, die Vorgänger Carlo Ancelotti an den ersten sechs Spieltagen gewann, wäre Bayern überlegen vorne.

Heynckes dagegen sagte: Grazie, Carlo! „Mein Gruß geht nach Italien zu Carlo Ancelotti, da er an der Meisterschaft auch seinen Anteil hat. Er ist ein Gentleman und ein absoluter Toptrainer.“ Der übrigens auch eine Meisterprämie kassiert.

Gentleman Heynckes hatte vor der Fankurve intensiv auf die Altstars Arjen Robben (34/siebte Meisterschaft) und Geburtstagskind Franck Ribéry (35/achter Titel) gedeutet. „Eine besondere Anerkennung meinerseits für die Leistungen der beiden“, sagte Heynckes über die Flügelspieler, die nun doch auf eine Zukunft bei Bayern hoffen dürfen.

Für Rummenigge fehlt „nicht viel“ zur Verlängerung

„Das Entscheidende ist, wie sie spielen. Und sie spielen erstklassig“, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge in Augsburg. Was spräche also gegen eine Vertragsverlängerung? Rummenigge: „Nicht viel.“ Höchstens, dass die Oldies nicht mehr wollen, vor allem Robben. „Ich muss es nüchtern sehen, auch ich muss planen“, sagte der Niederländer, „andere Vereine melden sich, ich mache mir Gedanken.“ Er könnte seine Karriere in der Heimat beenden.

Franck Ribéry sei zwar etwas enttäuscht über das Hinhalten der Münchner Bosse, heißt es. Er würde jedoch den lukrativen Angeboten aus China ein weiteres, letztes Jahr bei Bayern immer vorziehen.