Berlin. Die Gesamtnote fehlt noch, doch auch sie wird sicher so ausfallen, dass Akeem Vargas sehr zufrieden damit sein kann. Wie zuletzt bei seiner Abschlussarbeit im Fach Sport- und Eventmanagement. „Ich bin in meinem Hinterhof geblieben“, sagt er lächelnd. Das Thema lautete „Steigerung der Popularität des deutschen Basketballs“ – da kennt er sich schließlich aus. Vargas erhielt eine 1,0. Bald soll der 27-Jährige sein Zeugnis bekommen, dann darf er sich auch offiziell Bachelor of Science nennen. Es ist kaum zu überhören, wie stolz ihn das macht.
Die Fans des Basketball-Bundesligisten Alba Berlin kennen ihn vor allem als harten Arbeiter auf dem Parkett. So können sie ihn am Sonnabend (18 Uhr, Mercedes-Benz Arena) im Bundesligaspiel gegen Göttingen wieder erleben. Wie er die Gegner mit seiner Verteidigung zermürbt. „Ich identifiziere mich mehr als jeder andere mit dem Slogan meines Vereins“, sagt er. Der heißt „Leib und Seele“. Vargas bestreitet seine fünfte Saison in Berlin und ist damit der dienstälteste Alba-Profi. „Ich tue, was der Mannschaft hilft.“
In den vergangenen drei Jahren hat er zusätzlich etwas getan, das für ihn gut ist. Der Sohn eines Amerikaners und einer Deutschen ist Student an der „University of Applied Sciences Europe“ in Berlin, der früheren „BiTS“. In Kombination mit dem Sport ist das ein Knochenjob. In seinem Klub ist er der Erste, der es geschafft hat, auch deutschlandweit und übergreifend in Profisportarten ist Vargas eine Ausnahme. „Es ist möglich“, hat er ja nun bewiesen, „die Frage ist, wie sehr man dazu bereit ist, Opfer zu bringen.“ Er habe zeigen wollen, dass man bei Alba Berlin spielen kann, „einem der besten Klubs Europas“, und es trotz dieser Belastung schafft, ein Studium in der Regelstudienzeit zu absolvieren.
Mit Opas Fahrrad gependelt von der Uni zur Halle
Die ersten drei Semester waren sehr stressig. Das lag nicht an den langen Tagen, „es gibt viele Berufe, in denen man bereit sein muss, zehn Stunden am Tag zu arbeiten“, sagt Vargas. Er musste aber seinen Rhythmus finden, selbst entscheiden, wann er was für die Uni tat, „ich musste Studium und Basketball in Balance bringen“. Er hatte ein Fahrrad von seinem Opa geerbt, mit dem pendelte er zwischen Uni und Halle, zwischen Stresemannstraße und Schützenstraße in Kreuzberg.
Das Pensum sah dann manchmal so aus: morgens um 8 Uhr zur Vorlesung. Von 10 bis 12 Uhr Training. Mittagessen. Von 14 bis 17.15 Uhr Uni. Er ist eher gegangen, um von 18 bis 20 Uhr wieder trainieren zu können. Anschließend Physiotherapie und heim, etwas lernen. An Tagen mit einem Training fand er dazu mehr Zeit. Auch auf Reisen zu Auswärtsspielen wurde fürs Studium gebüffelt. Nur nie am Spieltag – das störte die Konzentration auf den Basketball.
Aus seinem Umfeld gibt es viel Lob. „Was Akeem tut, ist gut und wichtig für die Persönlichkeit. Man sollte sich nicht nur mit Basketball beschäftigen“, findet sein Coach Aito Reneses, „abgelenkt wirkte er nie auf mich, immer hundertprozentig bei der Sache.“ Kapitän Niels Giffey vergleicht es mit seiner Collegezeit in Connecticut, in der er zweimal Champion wurde und nebenher ein Studium der Wirtschaftsgeografie abschloss: „Es kostet viel Zeit und Energie, die man reinstecken muss. Aber es ist gut.“
Der Verein hat durch die Kooperation mit der Uni sogar die Weichen gestellt. „Wir wollten aufräumen mit der Mär, dass es Basketball auf höchstem Niveau plus Studium nur in den USA gibt“, sagt Alba-Geschäftsführer Marco Baldi. Es sei gut, dass es dafür nun einen Protagonisten gebe. Mit Tim Schneider folgt bereits ein Alba-Kollege dem Weg von Vargas. In Bennet Hundt hat ein weiterer Jungprofi ähnliche Pläne. „Ich finde toll, wenn ich ein Vorbild bin“, sagt Vargas, „menschlich hat das Studieren nur Vorteile. Man wird geerdet, man lebt nicht nur in der Scheinwelt des Profisports.“ Irgendwann sei es damit vorbei, „dann gehen die großen Lichter aus, und man ist wieder ein ganz normaler Typ“.
Als nächstes will er jetzt auch seinen Master machen
Besser, darauf vorbereitet zu sein. Baldi schränkt allerdings ein: „Profisport ist nicht so einfach. Wenn man das kombinieren will, muss man der Typ dafür sein.“ Vargas sei das, „Akeem braucht nicht so viele Pausen wie andere. Er ist belastbar und belastet sich selbst“. Ein Mentalitätsmonster ist er sowieso: Vargas hat in seinen fünf Jahren in Berlin kein einziges Spiel wegen Krankheit oder Verletzung verpasst. Die Belastung, findet er, sei auch nach den drei Semestern Grundstudium geringer geworden. Er konnte Kurse wählen, viele Hausarbeiten schreiben. Klub und Uni hätten ihn außerdem immer unterstützt. „Wieder mal“, sagt Vargas, „ist Alba ein Vorreiter. Ich kann sagen: Ich lebe hier meinen Traum.“
Allzu gern möchte er noch eine Weile weiterträumen. Zum einen würde er gern bis zu seinem Karriereende bei Alba bleiben. Außerdem gibt es bei Studenten nach dem Bachelor ja noch den Master. „Mal schauen, ob das parallel zum Sport möglich ist“, sagt er. Einen Plan hat er natürlich schon. Die Basketball-Euroleague bietet ein Fernstudium mit vier Präsenzphasen an. „Warum nicht?“, sagt Baldi, „wenn er was draufsetzen will, ist das okay.“ Am Ende könnte auch Alba profitieren: mit einem perfekt ausgebildeten Manager Akeem Vargas.