Berlin. Horst Hrubesch war schon vieles in seinem Leben. Kopfballungeheuer, Dorschangler, Pferdezüchter. Besonders um die noch junge Rasse Edelbluthaflinger machte sich der 66-Jährige verdient. Aber das war ja auch zu erwarten. Bei fast allem, was Hrubesch anfasste, hatte er Erfolg. Als Spieler, Trainer diverser Nachwuchsteams des deutschen Fußballs und als Privatier.
Was Hrubesch bisher noch nicht war: Frauenfußball-Experte. Aber weil ihm der Ruf vorauseilt, ein Richtigmacher zu sein, trauen sie ihm beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) jetzt auch zu, vorerst die in Schieflage befindliche Frauen-Nationalelf als Bundestrainer in seichtere Gewässer zu lenken.
Der deutsche Frauenfußball ist in seinem Selbstverständnis erschüttert
Am Dienstag entließ der DFB Bundestrainerin Steffi Jones. Die 45 Jahre alte ehemalige Nationalspielerin (111 Länderspiele) hatte es umgekehrt gemacht: Sie übernahm 2016 etwas lange sehr Erfolgreiches und hatte Misserfolg. Unter Vorgängerin Silvia Neid gewann Deutschland 2016 Olympia-Gold. Bei der EM 2017 schieden die DFB-Frauen unter Jones im Viertelfinale aus – zum ersten Mal seit 1989 wurde das Halbfinale verpasst. Weil Jones aber mächtige Fürsprecher im DFB hatte, durfte sie bleiben.
Erfolg stellte sich nicht ein: In der WM-Qualifikation verlor Jones’ Team gegen Island 2:3. Es war die erste Niederlage in der WM-Qualifikation seit 19 Jahren. Der deutsche Frauenfußball war in seinem Selbstverständnis als Großmacht erschüttert. Nachdem Anfang März auch noch der letzte Platz beim Einladungsturnier SheBelieves-Cup in den USA heraussprang, folgte das Aus für Jones. Das DFB-Präsidium sei bei der Entscheidung einer Empfehlung des für die Nationalteams zuständigen Direktors Oliver Bierhoff sowie des Sportlichen Leiters Joti Chatzialexiou gefolgt, hieß es in einer Mitteilung. „Der Entscheidung ist eine intensive Analyse vorausgegangen“, sagte Bierhoff. Man sei zur Überzeugung gelangt, „dass die Mannschaft eine neue Führung braucht.“ Jones hatte sich mit unglücklichen Personalentscheidungen selbst unter Druck gesetzt. So degradierte sie im November die bis dahin 97-fache Nationalspielerin Lena Goeßling, was für Missstimmung sorgte.
Eine Spielerversteher, aber der DFB braucht Zukunftslösungen
Als Interimslösung für die beiden bevorstehenden WM-Qualifikationsspiele im April gegen Tschechien und Slowenien wird nun Hrubesch das Frauenteam übernehmen. Der ehemalige Nationalelf- und HSV-Stürmer hatte 2016 die deutsche Männerauswahl zu Olympia-Silber in Rio geführt. Er ist bei Spielern ob seiner Menschlichkeit beliebt. 2009 gewann er die U21-EM in Schweden mit einem Team, aus dem 2014 Mesut Özil, Manuel Neuer und einige mehr Weltmeister in Brasilien wurden. Nachdem Sportdirektor Hansi Flick den DFB im Januar 2017 verließ, sprang Hrubesch ein. Er war stets die Allzweckwaffe des deutschen Fußballs. Nun wird sie bei den Frauen benötigt.
„Für Hrubesch gehen wir durchs Feuer“, hatte der heutige Hertha-Stürmer Davie Selke beim olympischen Turnier 2016 gesagt. Es ist zu erwarten, dass dies auch die deutschen Nationalspielerinnen tun werden.
Der DFB allerdings braucht dringend Zukunftslösungen. Denn eines kann auch Horst Hrubesch nicht: jünger werden.