London. Englische Medien berichten bereits vom Todesurteil für Sky, denn jetzt wird das britische Radsportteam auch noch von der hohen Politik belastet. Zumindest Teammanager David Brailsford werde nicht länger zu halten sein. In einem brisanten Bericht klagt ein Sonderausschuss des Parlaments an, Sky habe medizinische Ausnahmegenehmigungen missbraucht, um mit Bradley Wiggins an der Spitze die Tour de France 2012 zu gewinnen.
Der Vorwurf ist nicht neu, gewinnt aber durch den Fakt, dass es sich beim Ankläger um eine staatliche Einrichtung handelt, enorm an Wucht. Sky steht wegen des Falls Wiggins und der Salbutamol-Affäre um den viermaligen Tour-de-France-Sieger Christopher Froome ohnehin schon seit geraumer Zeit unter Druck. Froome und seine Teamkollegen starten ab Mittwoch beim Radrennen Tirreno-Adriatico – der Verdacht fährt nun noch stärker mit.
Der Bericht des Digital, Culture, Media and Sport Commitee sieht es als erwiesen an, dass Wiggins, mit acht Medaillen (davon fünf in Gold) Großbritanniens erfolgreichster Olympionike, und möglicherweise auch dessen Helfer im Team Sky zur Vorbereitung auf die Tour unter dem Deckmantel von Ausnahmegenehmigungen leistungssteigernde Kortikoide konsumiert haben. Dies stelle keine explizite Verletzung des Anti-Doping-Codes der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) dar, aber Brailsford habe „die ethische Linie“ überschritten, die sich das Team einst selbst gesetzt habe. Die Mittel seien genutzt worden, um die Leistungen der Fahrer zu steigern – und „nicht aus medizinischer Notwendigkeit“. Das Mannschafts-Ethos des „sauberen Siegens“ sei aus Erfolgsgier über Bord geworfen worden.
Die Begründung für eine ominöse Medikamentenlieferung an Wiggins im Jahr 2011 wird in dem Bericht überdies als unglaubwürdig eingestuft. Anders als von Sky und Wiggins behauptet, dürfte das Päckchen auch nicht das Hustenmittel Fluimucil, sondern das Kortikoid Triamcinolon enthalten haben, hieß es. Der Report stützt sich in den Untersuchungen hauptsächlich auf Aussagen eines anonymen Zeugen, der aufgrund seiner Stellung als glaubwürdig gilt.
Wiggins, der 2012 als erster Brite die Gesamtwertung der Tour de France gewann, wies die Angriffe zurück. „Ich finde es traurig, dass Anschuldigungen erhoben werden können, bei denen Leuten Dinge vorgeworfen werden, die sie nie getan haben, die aber als Fakten angesehen werden“, sagte Wiggins. Er werde sich in den nächsten Tagen detailliert äußern, um die Vorwürfe auszuräumen.
Report legt Teammanager Brailsford den Abschied nahe
Gegen den Vorwurf der Einnahme von Triamcinolon zu Zwecken der Leistungssteigerung hatte sich Wiggins bereits gewehrt, als die Sache durch die russische Hacker-Gruppe „Fancy Bears“ 2016 ans Licht gekommen war. „Es ging nicht darum, einen unfairen Vorteil zu erlangen. Ich leide mein Leben lang unter Asthma. Ich bin zu meinem Teamarzt gegangen, und wir haben einen Spezialisten aufgesucht, um die Probleme zu behandeln“, hatte Wiggins behauptet.
Auch das Sky-Team reagierte mit Unverständnis auf die aktuellen Untersuchungen. „Wir sind überrascht und enttäuscht, dass das Komitee eine anonyme und böswillige Behauptung veröffentlicht, ohne dass irgendwelche Beweise präsentiert oder uns Möglichkeiten zur Antwort eingeräumt werden“, heißt es in einem Statement. Die Zeit für eine Antwort wäre jetzt günstig. Denn die Luft wird für Sky immer dünner, vor allem für Brailsford. Es ist kaum vorstellbar, dass die Mannschaft eine Zukunft mit dem 54-Jährigen als Entscheidungsträger hat. Auch der Report legt Brailsford einen Abschied nahe.