Berlin/Hamburg. Nach den vielen schlechten Nachrichten der vergangenen Wochen mit Vertragsstreitigkeiten und Abgängen diverser Sportler hat das Team Sauerland am Montag einen Coup mit Signalwirkung gelandet. Der Profiboxstall mit Sitz in Hamburg und Berlin gab die Verpflichtung von Abass Baraou bekannt. Der 23 Jahre alte Weltergewichtler, der 2017 Europameister und WM-Dritter im olympischen Boxen geworden war, gilt angesichts seines offensiven und technisch spektakulären Kampfstils als spannendstes Talent in Deutschland.
„Wir haben Abass seit einigen Monaten intensiv beobachtet. Er ist der aufregendste Boxer im deutschen Amateurlager, und wir sind sicher, dass er auch bei den Profis die Welt erobern kann“, sagte Sauerland-Mitinhaber Nisse Sauerland. Tatsächlich ist der in Aalen geborene Sohn togolesischer Eltern, der in Oberhausen aufwuchs, derzeit in Berlin trainiert und für Hertha BSC in der Bundesliga antritt, ein Draufgänger im Ring. Er boxt ohne Rückwärtsgang, kann dabei aber dank seiner Geschmeidigkeit Treffer vermeiden. Außerhalb des Rings besticht Baraou durch sein intelligentes, bodenständiges und sympathisches Auftreten, was er im Sommer 2017 damit bewies, dass er beim Sommerfest im Sportzentrum Kienbaum Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Paar Boxhandschuhe überreichte und sie launig zur Weltmeisterschaft Ende August in Hamburg einlud.
Mit seinen starken internationalen Auftritten hatte Baraou, der als Jugendlicher mehrfach in Schlägereien verwickelt war und dann als 13-Jähriger bei seinem Heimtrainer Mohammed Guettari lernte, seine Aggressionen durch den Sport zu kontrollieren, Promoter in aller Welt auf sich aufmerksam gemacht. „Ich hatte einige Angebote, aber ich glaube, dass ich mit Sauerland die beste Wahl getroffen habe“, sagte Baraou. Sein Berater Karim Akkar sagte: „Sauerland bietet Abass mit seinem exklusiven TV-Partner Sport1 eine tolle Plattform, um ihn in Deutschland und international aufzubauen.“
Der Vertrag, der über mehrere Jahre läuft, ist bereits unterschrieben. Wann genau Baraou seinen ersten Profikampf bestreitet, steht noch nicht fest. Da er aktuell noch in der Sportfördergruppe der Bundeswehr gebunden ist, muss zunächst eine Einigung mit dem Deutschen Boxsport-Verband (DBV) gefunden werden. DBV-Sportdirektor Michael Müller bestätigte, dass in dieser Woche entsprechende Gespräche folgen. „Wir trennen uns im Guten, der DBV will Abass weiter unterstützen“, sagte Berater Akkar.
Amateurtrainer Dickert soll ihn weiter in Berlin betreuen
Da der Amateur-Weltverband Aiba vor den Sommerspielen in Rio 2016 sein Regelwerk revolutioniert und auch Profis für Olympia zugelassen hatte, stünde Baraou eine Teilnahme an den Spielen 2020 in Tokio trotz des Wechsels offen. „Wir schauen jetzt erst einmal, wie es bei den Profis läuft, aber natürlich wäre eine Medaille bei Olympia ein Traum für mich“, sagte Baraou.
Offen ist bislang auch noch die Trainerfrage. Aktuell arbeitet Baraou in Berlin mit Landestrainer Ralf Dickert, den er ungern verlassen würde. „Ralf ist ihm sehr ans Herz gewachsen“, sagte Akkar, „aber wir planen Größeres mit Abass, deshalb werden wir in den kommenden Wochen Gespräche mit internationalen Toptrainern führen, um ihm das optimale Trainerteam zusammenstellen zu können.“ Dabei spielt auch der Name Ulli Wegner eine Rolle. Zwar läuft der Vertrag des 75 Jahre alten Kultcoaches als Sauerland-Cheftrainer im Juni aus. „Aber solange Ulli arbeiten will, wird er immer mit uns verbunden bleiben“, betonte Nisse Sauerland, „er hat in Deutschland weiterhin das beste Auge für Talente.“
Klar ist: Abass Baraou soll nicht, wie es im Profiboxen lange üblich war, be-hutsam aufgebaut werden. „Wir wollen sofort qualitativ hochwertige Kämpfe machen, weil wir ihm zutrauen, es bis ganz nach oben zu schaffen“, sagte Akkar. Qualität statt Quantität sei bei Sauerland die Maßgabe, die zuletzt auch zu den Abgängen wie Jack Culcay, Enrico Kölling oder Stefan Härtel geführt hatte. „Mit Abass werden wir unsere Qualität entscheidend steigern“, glaubt Nisse Sauerland.