Pyeongchang

So schnell ist Berlin

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Marco Alles

Mariama Jamanka gewinnt mit Anschieberin Lisa-Marie Buckwitz sensationell Gold im Zweierbob

Pyeongchang. Zunächst schien es so, als wollte Mariama Jamanka gar nicht aussteigen. Um sie herum flippten alle aus. Die Trainer und Betreuer schrien und rissen die Arme nach oben. Auf den Zuschauerrängen jubelten die deutschen Fans. Doch die Frau, die gerade die Welt des Bobsports auf den Kopf gestellt hatte, schlug die Hände vors Gesicht - und blieb einfach sitzen.

„Ich war fassungslos, konnte überhaupt nicht begreifen, was da auf der Anzeigetafel stand“, sagte die 27-Jährige nach ihrem sensationellen Olympiasieg im Zweierbob. Jamanka und ihre Anschieberin Lisa-Marie Buckwitz haben eine der schönsten Geschichten dieser Winterspiele geschrieben – und für die erste Medaille von Berliner Athleten in Pyeonchang gesorgt.

Jamanka, Tochter einer Deutschen und eines Gambiers, die in Reinickendorf aufwuchs, und Buckwitz, die aus Schöneiche bei Berlin stammt, waren eigentlich nur das deutsche B-Team. Stephanie Schneider und Annika Drazek wurden größere Medaillenchancen eingeräumt. Doch sie kamen am Mittwoch nur auf Rang vier – auch wegen Rückenproblemen bei Schneider. Und weil Jamanka und Buckwitz nach vier starken Läufen im Olympic Sliding Center die US-amerikanische Weltmeisterin Elana Meyers Taylor mit Laura Gibbs um acht Hundertstelsekunden auf den Silberrang verwiesen, brachen im deutschen Lager alle Dämme. „Ich dachte: Das darf nicht wahr sein. Da steht eine 1“, sagte Buckwitz. Dass sie soeben in die Fußstapfen von Sandra Kiriasis (Olympiasiegerin 2006 mit Anja Schneiderheinze) getreten war, konnte Jamanka gar nicht begreifen. „Es ist alles so unwirklich“, meinte sie kopfschüttelnd. Dritte wurde die Doppel-Olympiasiegerin Kaillie Humphries aus Kanada mit Phylicia George.

Beide begannen in Berlin als Leichtathletinnen

Jamankas Trainer am Stützpunkt in Oberhof, Matthias Höpfner, stand völlig überwältigt am Rande des Geschehens. Mehrfach machte er die „Scheibenwischer“-Geste in Richtung seines Schützlings und erklärte: „Sie ist eine Verrückte. Ich ziehe jeden Hut vor ihr. Wie sie diese Bahn vier Mal runtergehämmert ist, war Wahnsinn. Das hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht. Ich könnte heulen vor Glück.“ Auch Bundestrainer René Spies meinte anerkennend: „Wir haben immer gesagt: Wenn die Nordamerikanerinnen Fehler machen, müssen wir da sein und durchfahren. Mariama hat das eindrucksvoll getan.“

Eine der schönsten Geschichten dieser Spiele schrieben Jamanka und Buckwitz auch, weil sie sich erst einmal völlig neu finden mussten. Bundestrainer Spies hatte erst im Januar die Besatzungen seiner beiden besten Bobs verändert. Die als beste „Beifahrerin“ der Szene geltende Drazek, die bis dahin hauptsächlich mit Jamanka gefahren war, wechselte in den Schneider-Schlitten, die Schneider-Freundin Buckwitz wurde Jamanka zugeteilt. Ein Wechsel, der nicht einfach war. Doch Jamanka bewies Kampfgeist: „Wir wollten zeigen, was geht und allen beweisen, was wir können“, sagte sie nach ihrem Triumph. „Dieses Ziel hat uns zusammengeschweißt. Außerdem waren wir von Anfang an auf einer Wellenlänge. Ich denke, das hat sich in dieser Teamleistung widergespiegelt.“

Dass ihre Anschieberin aus derselben Stadt kommt wie sie, fand Jamanka „mega-geil“. „Ein rein Berliner Bob, darauf sind wir mega-stolz. Wir haben gezeigt, dass man nicht nur aus Bayern oder Thüringen, sondern auch aus anderen Teilen Deutschlands kommen kann, um im Wintersport dabei zu sein. Das ist doch mega-geil.“

Zu Hause in Reinickendorf dürfte nach Jamankas Rückkehr am Montag eine Riesenparty steigen. Bis 2013 war die frühere Mehrkämpferin noch bei der LG Berlin Nord als Diskus- und Hammerwerferin aktiv. „Doch da war ich mit 50g Metern nur Hobbyklasse. Mein Trainer Klaus Haffner schlug dann vor, es mit Bob zu versuchen. Ich war schon immer Action-Fan“, erzählte sie. Weil es als Bremserin aber nicht für Topzeiten reichte, versuchte sich in Oberhof als Pilotin. Ihre ersten Versuche waren noch von Stürzen geprägt. Doch der Neuling hatte Spaß an der Geschwindigkeit und kannte keine Angst. Beste Voraussetzungen für eine Bob-Karriere. Um sich schnell auf den Weltcup-Bahnen zurechtzufinden, lernte sie die Reihenfolge der Kurven anfangs mit Youtube-Videos. Das zahlte sich nun aus. Auch Buckwitz war früher Leichtathletin. Als Siebenkämpferin startete sie für den SV Preußen Berlin und wechselte erst 2014 zum Bob.

Zwischen Weihnachten und Neujahr war Mariama Jamanka zuletzt in Berlin und trainierte zur selben Zeit wie die ehemaligen Kollegen von der LG Nord im Sportforum Hohenschönhausen. Damals hat ihr früherer Mehrkampftrainer Jan-Gerrit Keil ihr noch einmal viel Glück für Olympia gewünscht. Es hat geholfen.