Paderborn/Berlin. Von einer verpatzten Generalprobe will Steffen Baumgart nichts wissen. Sicher, restlos zufrieden war der Trainer des SC Paderborn nicht mit dem Ergebnis vom Sonnabend, aber was soll das schon ändern am Blick auf sein bislang größtes Spiel als Chefcoach? Ein 1:1 in der dritten Liga in Großaspach hat mit einem Pokalspiel gegen Bayern München nun mal wenig zu tun, findet Baumgart.
„Großaspach war keine Generalprobe für die Bayern“, sagt der Ex-Profi trocken, „wenn, dann sind die Bayern unsere Generalprobe für Erfurt am Freitag.“ Ein Satz, der unmissverständlich klarmacht, wie die Prioritäten in Paderborn gelagert sind. Der Tabellenführer will seine Chance auf den Aufstieg nutzen, alles andere ist Zugabe, wenn auch eine äußerst prestigeträchtige. In der Runde der letzten Acht finden sich die Ostwestfalen inmitten von Erstligisten wieder. Am Dienstag (18.30 Uhr, Sky) treffen sie als kleinster verbliebener Klub ausgerechnet auf den größten aller Favoriten, den FC Bayern – „die einzige Mannschaft in Deutschland, die auf alles eine Antwort hat“, wie Baumgart sagt.
Mehrfach die Münchner geärgert
An seiner Angriffslust ändert das nichts. Als Spieler hat er schließlich oft genug an Sensationen mitgewirkt, auch gegen die Bayern. Mit Hansa Rostock rang er die Münchner insgesamt dreimal nieder, zog zudem einmal ins Pokal-Halbfinale (2000) ein, obwohl der Ostklub zeitgleich haarscharf am Abstieg in die Zweite Liga vorbeischrammte. Baumgart hat sie selbst erlebt, die kleinen Fußball-Wunder.
„Ich komme aus einer Generation, da hat man noch versucht, gegen die Bayern zu gewinnen“, sagt das frühere Aushängeschild des 1. FC Union (2002 bis 2004): „Heute habe ich oft das Gefühl, dass der Gegner das Spiel schon abgehakt hat, bevor es begonnen hat.“ Auf innere Kapitulation brauchen die Münchner am Dienstag jedoch nicht zu hoffen, denn Baumgart hat seiner Mannschaft jene Qualitäten eingeimpft, die ihn schon als Spieler ausgezeichnet haben: Einsatz, Leidenschaft, 120-Prozent-Mentalität bis zur letzten Sekunde. An der Seitenlinie verkörpert er diese Eigenschaften bis heute. Um Spannung abzubauen, behilft er sich während der Spiele mit einem kleinen Trick, kaut auf einem kleinen Rührstäbchen herum. Das hilft ihm – so wie er Paderborn hilft.
Der Trainer hat das Kellerkind zum Tabellenführer geformt
Nach dem Abstieg aus der Bundesliga war der SC bekanntlich tief gefallen, kam erst an der Klippe zur Regionalliga zum Halten. Dank Baumgart. Nach der Amtsübernahme im April 2017 holte er elf Punkte aus den verbleibenden fünf Spielen und führte sein Team so auf den drittletzten Platz. Weil Zweitliga-Absteiger 1860 München keine Lizenz erhielt, blieb Paderborn der Liga erhalten. 23 Spiele und 16 Siege später grüßt der Klub nun von der Tabellenspitze – mit acht Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang. Eine Erfolgsgeschichte, die den Trainer Steffen Baumgart bundesweit ins Rampenlicht rückt.
Bis Sommer 2016 feierte er Siege noch auf kleinerer Bühne, beim Regionalligisten Berliner AK. Nach hauchdünn verpasstem Aufstieg in der Saison 2015/16 und mäßigem Start in die neue Spielzeit gingen Trainer und Klub jedoch getrennte Wege. Seit gut neun Monaten ist er nun in Paderborn und genießt die guten Arbeitsbedingungen in einem Umfeld, das im Zuge des Bundesligajahres (2014/15) stark professionalisiert wurde.
Attacke statt Abwarten
„Ich habe den Verein nicht von links auf rechts gedreht“, betont der Erfolgscoach, „mit mir ist hier nicht der Prophet gekommen.“ Eine typische Baumgart-Aussage, geerdet, uneitel, frei von Allüren, ganz anders als das Auftreten seines Vor-Vorgängers Stefan Effenberg, der in Paderborn krachend gescheitert war.
Nun also steht der Fußball-Arbeiter Baumgart vor seiner vielleicht aussichtslosesten Mission. Seinem Prinzip aus der Liga – Attacke statt Abwarten – wird er auch gegen die Bayern treu bleiben. „Hinten reingestellt, haben sich schon viele“, sagt er, „und die haben es auch nicht gepackt.“ Baumgart will mutiger auftreten.
Egal, wie es am Dienstag ausgeht: So viel Anerkennung wie aktuell hat er als Coach noch nie bekommen. „Vor ein, zwei Jahren meinten manche Leute bei anderen Vereinen: Einen Trainer Steffen Baumgart können wir uns nicht vorstellen. Ich will nicht von Genugtuung sprechen“, sagt der gebürtige Rostocker, „aber natürlich freut mich der Erfolg auch persönlich.“ Ein Zustand, an dem selbst eine klare Niederlage am Dienstag nichts ändern würde.