Barcelona. Der Braslianer beendet mit 37 Jahren seine turbulente Karriere. Er war der letzte Magier, der nicht wie ein Profi leben musste.

Gewissermaßen wurde in der Nacht zum Mittwoch nur Vollzug gemeldet. Dass Ronaldinho Gaucho (37) nicht mehr wirklich Fußballer ist, das wusste man ja schon. Seit zwei Jahren war er ohne Verein, nur bei einzelnen Spielen trat er noch auf, man konnte ihn dafür buchen. Doch als Bruder und Berater Roberto nun offiziell sein Karriereende erklärte, gab es deshalb keinen Spott. Da verneigte sich die Branche so wie der spanische Rekordtorwart Iker Casillas. „Ich habe dich erlitten, aber auch genossen“, schrieb er. Bewunderung vom Gegner gibt es im Sport nur für die Großen.

Ronaldinho also, Weltfußballer 2004 und 2005. Sein Regnum war kurz, aber Daten und Zahlen erzählen bei ihm sowieso nur die Hälfte. Ronaldinho war vor allem das Unmessbare: Magie, Improvisation. Und dieses Lachen, das so aus der Zeit gefallen schien. Da mochten andere mit ihren Fitnesstabellen und Taktiktischen daher kommen, Ronaldinho zeigte seine Kunst und seine schiefen Zähne, machte den Surfergruß. Wenn das Spiel vorbei war, dann ging er feiern.

In Barcelona wurde er zum Lehrmeister des jungen Messi

Es muss halt Freigeist sein, wer mit 22 Jahren in einem WM-Viertelfinale mal eben einen Freistoß aus 40 Metern halbrechts über den Torwart löffelt. Der Traumschuss gegen Englands David Seaman auf dem Weg zum brasilianischen Titel hievte Ronaldinho 2002 ins Rampenlicht, und nachdem er 2003 zum FC Barcelona gewechselt war, produzierte er das Außergewöhnliche in Serie, dass er einen damals erfolglosen Verein aus der Depression zum Maß aller Dinge des Weltfußballs führte. „Der Verantwortliche für Barcas Wandel ist Ronaldinho“ – so sagte es später sein Nachfolger und anfänglicher Schüler, Lionel Messi.

Wenn er mit seinen Hüftschwüngen die Gegner zu Boden schickte, folgte so Denkwürdiges wie das ansatzlose Tippkick-Tor im Champions-League-Achtelfinale 2005 bei Chelsea. Alles schien fließend, intuitiv, und vielleicht konnte er die anderen nur deshalb so überraschen, weil er wirklich selbst nicht wusste, was er im nächsten Moment tun würde. Selbst bei Messi oder beim auch sehr brasilianischen Neymar ahnt man als regelmäßiger Beobachter irgendwann, was kommen könnte. Bei Ronaldinho wusste man es nie, sein Repertoire schien endlos. „In der Fußballkunst hinterlässt du ein Erbe, das kaum zu übertreffen sein wird“, würdigte ihn Neymar.

75.000 Euro in drei Tagen auf den Kopf gehauen

Mit Barcas Champions-League-Titel 2006 stand Ronaldinho auf dem Zenit – und hätte praktisch aufhören können. Schon bei der WM im selben Sommer in Deutschland blieb er so blass, dass er zum Gesicht des brasilianischen Debakels wurde. Sein letzter Ländertitel blieb der Confed-Cup 2005.

Schon damals rankten sich durch Barcelona legendäre Geschichten über seine Ausschweifungen. Ein Abend mit Freunden und seiner geliebten Musik in seinem Strandhaus galt als ruhiger Abend. Nach 2006 bezifferten Insider seine Trainingsteilnahmen auf rund 50 Prozent. Mit einem Perfektionisten wie Pep Guardiola konnte das keinen Tag gut gehen. Als der 2008 zum Barca-Trainer wurde, entsorgte er Ronaldinho. Es ging zum AC Mailand, wo er vor einem Derby gegen Inter mal drei Tage durchgefeiert und dabei 75.000 Euro auf den Kopf gehauen haben soll, und bald zurück in die Heimat. Mit Atlético Mineiro gewann er 2013 immerhin noch die Copa Libertadores.

Mit Ronaldinho geht der letzte Profi, der nicht wie ein Profi leben musste, um der Beste zu sein. Für den Fußball war das ein großes Glück.