Bischofshofen. Die engen Gassen Bischofshofens waren in Rot und Weiß getüncht. Das klingt auf österreichischem Boden normal, die Skispringernation hatte häufig Grund zur Freude in der Vergangenheit. Doch die Menschen, die nach dem Finale der 66. Vierschanzentournee vor dem Café Las Vegas feierten, sprachen kein Deutsch. Sie schrien ihre Begeisterung auf Polnisch heraus, wahlweise auch auf Englisch: „Kamil is the best in the world“, brüllten sie jedem Entgegenkommenden entgegen. Dem gab es an diesem Abend nichts entgegenzusetzen.
Der Beste der Welt. Ein sehr großer Begriff, der diesmal in rot-weißer polnischer Ekstase aber seine Berechtigung hatte. Als Sven Hannawald einige Stunden zuvor im Auslauf der Paul-Außerleitner-Schanze stand und wie ein Kampfrichter beim Boxen die Hand von Kamil Stoch nach oben riss, da hatte das auch eine besondere Symbolik. Kamil hat das nach vier Tagessiegen in einem Winter verdient, drückte die inzwischen 43 Jahre alte deutsche Sportlegende damit aus, er hat mich ja schließlich eingeholt. Hannawald war es 2002 als erstem Athleten gelungen, alle vier Springen der Vierschanzentournee zu gewinnen.
Er mag die Vergleiche der Größten seiner Zunft nicht. Wer wolle schon abwägen, warum nur ein Springer das Anrecht auf die Auszeichnung als Bester der Besten haben soll? Weil Simon Ammann (Schweiz) vier Mal Olympiasieger war, Janne Ahonen (Finnland) fünf Mal die Vierschanzentournee gewann und Adam Malysz (Polen) vier Mal den Weltcup? Weil Jens Weißflog (Oberwiesenthal), Thomas Morgenstern (Österreich), Espen Bredesen (Norwegen), Matti Nykänen (Finnland) und Stoch Erster bei Olympia, bei der WM, bei der Tournee und im Gesamtweltcup waren? „Das Talent hat mir Gott gegeben“, sagte Stoch, 30 Jahre alt, und in der Heimat mit Beliebtheitswerten zwischen Johannes Paul II. und Robert Lewandowski ausgestattet. Womöglich wäre es auch nicht zur Einstellung des Hannawald-Rekords gekommen, hätte Stoch über acht Sprünge einen gleichwertigen Konkurrenten gehabt, werden nun einige denken. Das mochte nach dem Springen in Innsbruck, als Richard Freitag bei der Landung stürzte, sogar stimmen - ändert aber nichts an der Exzellenz des Polen. „Ein außergewöhnlicher Sportler“, sagte Bundestrainer Werner Schuster, „aber Ritsch ist mit Kamil im springerischen Bereich auf Augenhöhe.“
Bei der Skiflug-WM in zwei Wochen in Oberstdorf und den Olympischen Spielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) werden Freitag nach erfolgter Genesung und der überglückliche Tournee-Gesamtzweite Andreas Wellinger („Ein geiler Scheiß“) dem Polen alles abverlangen. Schuster blickte bei seinem Fazit mit Bezug auf Markus Eisenbichler (7.), Karl Geiger (11.), Stephan Leyhe (13.) und dem erst 18 Jahre alten Constantin Schmid (18.) sogar noch über diese Saison hinaus: „Wir werden diese Generation unterstützen, damit wir in den nächsten Jahren die Tournee einmal gewinnen.” Das genügt Schuster schon. Es muss ja nicht gleich wieder der Beste der Welt werden.