London. Ein kurzes Lächeln huschte über Rob Cross’ Gesicht. Dann gefror es wieder zu eisiger Konzentration. Im nächsten Moment traf der Engländer die Doppel-16 und wurde Weltmeister. Ausgerechnet gegen Phil Taylor, ausgerechnet im Abschiedsspiel der Legende. Was für eine perfekte Dramaturgie: Cross steht mit seinen 27 Jahren für die Zukunft des Darts-Sports. Taylor, der 16-malige Weltmeister, ist seit Montagabend Geschichte.
„Er war wie ich vor 30 Jahren, und ich konnte einfach nicht mithalten“, lobte der 57-Jährige nach seiner 2:7-Finalniederlage den diesmal übermächtigen Kontrahenten. „Er erinnert mich an mich.“ Wie einst Taylor trainiert Cross viele Stunden täglich, wie der frühere Klorollen-Monteur war Cross ein Arbeiterkind, wie Taylor nach seinem ersten Titelgewinn 1990 gegen Eric Bristow leitet Cross eine neue Ära ein. Vor einem Jahr hatte der 27-Jährige noch als Elektriker gearbeitet. Jetzt hat er allein bei der WM 460.000 Euro Preisgeld gewonnen und will mehr nach seiner ersten Profisaison: „Warum nicht versuchen, der nächste Phil Taylor zu werden?“, fragte er nach dem Finale.
Den Platz auf dem Thron hatte eigentlich Michael van Gerwen (28) reserviert. Der Niederländer gewann 2014 und 2017 die WM, scheiterte diesmal aber an WM-Debütant Cross im Halbfinale. Van Gerwen und Cross, das sind die jungen Wilden, denen die Zukunft gehört. Und es kommen noch mehr, meint Barry Hearn, der Präsident der Professional Darts Corporation (PDC). „Nicht nur in England, auch in Holland, Deutschland und Österreich gibt es viele großartige Talente,“ sagte der 69-Jährige bei Sport1. „Cross ist der Beweis, dass sie ihr Ziel erreichen können.“ Vor allem in Deutschland sieht Hearn Zuwachs. 23 Prozent der Tickets wurden an deutsche Fans verkauft. „Wir werden massive Veränderungen in Deutschland in den nächsten 18 Monaten erleben.“
Schon im Februar kommen die Topstars des Darts nach Berlin
Darts boomt. Im Schnitt sahen 2,15 Millionen Zuschauer bei Sport1 das WM-Finale – natürlich Rekord. Zum ersten Mal wird am 22. Februar die Premier League in Berlin zu Gast sein und damit die zehn besten Spieler der Welt, darunter die neue Nummer sechs: Rob Cross. Am 25. Mai trifft sich die Darts-Elite in Schalkes Arena zum weltgrößten Event überhaupt. Dazu sind Wettkämpfe in Leverkusen, Dortmund und Hamburg geplant.
Sportlich schlägt sich der deutsche Hype bislang kaum nieder. Die deutschen WM-Starter Martin Schindler (21) und Kevin Münch (29) kamen über Runde eins bzw. zwei nicht hinaus. Einen sportlichen Boom erwartet der Präsident des deutschen Darts-Verbandes (DDV/11.600 Mitglieder), Johann Peltzer, deswegen nicht. Noch nicht: „Mit Max Hopp hatten wir sogar einen Junioren-Weltmeister. Da gab es auch keinen Boom. Wichtig wäre ein deutscher Weltmeister“, sagt Peltzer. „Wir brauchen einen Hero. Einen wie Boris Becker im Tennis. Der fehlt uns.“
Aber es wird im Hintergrund viel getan für einen deutschen Rob Cross. Seit 2010 ist der DDV Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), möglichst bald will die Sportart olympisch werden und dann auch Bundestrainer einstellen.