Es war ein passender Zufall, dass die Berliner CDU genau an dem Abend ins Olympiastadion geladen hatte, nachdem wenige Stunden zuvor Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), seine Reformpläne für die Austragung der Olympischen Spiele vorgestellt hatte. So gewann die Diskussionsrunde in der Jesse-Owens-Lounge an Aktualität. Wie kann es gelingen, die Berliner von der Idee zu überzeugen, die Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 oder 2028 auszutragen, welchen Vorteil könnte Berlin daraus ziehen und welche Folgen für eine Bewerbung hat das Reformpapier des IOC-Präsidenten? Die Diskutanten waren sich schnell einig, Olympische Spiele sind sinnvoll, wenn die Stadt auch langfristig etwas davon hat – und die Bürger in die Planung einbezogen werden. „Wir sollten nicht fragen, ob wir uns Olympia leisten können, sondern ob wir es uns leisten können, auf eine Bewerbung zu verzichten“, sagte Berlins Sportsenator Frank Henkel.
„Olympia ist für eine Stadt die Chance, sich zu entwickeln“, ist Klaus Grewe überzeugt. Und der Mann muss es wissen. Er plante und realisierte die rund 100 Sportanlagen für die Olympischen Spiele 2012 in London. Dabei brachte er das Kunststück fertig, weniger Geld auszugeben als bereit stand. Mehr als neun Milliarden Euro waren veranschlagt, acht Milliarden gab er aus. Grewe ist in Berlin auch sonst kein Unbekannter. Er koordinierte bereits den Bau des Berliner Hauptbahnhofs. Seit vergangenem Jahr ist der Projektentwickler Mitglied der Reformkommission zur Realisierung von Großbauprojekten des Bundesverkehrsministeriums und in der neuen Projektgesellschaft Stuttgart21.
Nach Wedding gehen und die Menschen fragen
Unabhängig davon, welche Kosten entstehen, sei existenziell, dass die Bürger einbezogen werden, sagte Grewe. „München ist gescheitert, weil die Organisatoren erzählt haben, wie schön alles wird, nicht aber den Landwirten in Ammergau zuhörten“, sagte er zur gescheiterten Bewerbung für die olympischen Winterspiele 2022. Den Berliner Organisatoren riet er daher, „in den von mir sehr geschätzten Wedding reinzugehen und die Leute zu fragen, was sie sich von Olympia erhoffen“, sagte Grewe. „Wenn die Leute nicht informiert werden, werden sie misstrauisch.“
Das Misstrauen richtet sich dabei vor allem gegen das IOC und dessen undurchsichtiges Geschäftsgebaren. Die Mitglieder seien „eine interessante Gruppe von Menschen“, sagte Grewe. Die jetzt von Bach zur Abstimmung im Dezember vorgelegten Reformpläne gingen auf den Druck der Sponsoren zurück, die um ihre Märkte und ihr Investment bangten, sollte das Image der Olympischen Spiele weiter sinken. „Ohne Reformen haben die Spiele wohl keine Zukunft.“ Dabei sieht der Präsident des Landessportbundes (LSB), Klaus Böger, durchaus Anlass zur Hoffnung. „Ich habe den Eindruck, dass der Reformwille da ist. Thomas Bach geht es darum, dass sich Olympia an die Stadt anpasst und nicht umgekehrt.“
Pläne nicht frech und grell genug
Eine entsprechende Reform würde also eher für eine Berliner Bewerbung sprechen als für Hamburg, den anderen deutschen Interessenten. Während Berlin zu einem großen Teil auf bestehende Sportstätten setzt, plant Hamburg den Bau eines ganz neuen Stadtteils – ein Trend, der eigentlich durch die Reform gestoppt werden soll. Dennoch sehen die Fachleute wie Grewe oder der Olympiasieger im Deutschland-Achter von 1988 und heutige Sportökonom, Professor Wolfgang Maennig, beim Berliner Konzept noch Nachbesserungsbedarf. „Das ist mir nicht provozierend, frech und grell genug, so wie die Berliner sich selber fühlen“, sagte Maennig. Grewe hat Zweifel am dezentralen Konzept. „Das olympische Dorf getrennt vom Olympiastadion – ist das durchdacht?“, fragte er. „Möglicherweise ist das Konzept zu dezentral, dadurch entstehen Zusatzkosten, die schwer zu definieren sind.“ Er verwies darauf, dass alle olympischen Anlagen mit einem sechs Meter hohen Zaun und Überwachungskameras ausgestattet werden müssen. „Das multipliziert die Kosten.“
Beide sehen dennoch gute Chancen für eine Berliner Bewerbung. „Bislang haben es die Organisatoren geschafft, den Widerstand klein zu halten“, lobte Maennig.
Briten stellten vor 2012 alle Infos ins Internet
Eine Erkenntnis Grewes aus England könnte helfen, dass dies auch künftig so bleibt. Nach schlechten Erfahrungen beim Bau des neuen Wembleystadions hatten die Engländer umgedacht, seither werden alle Kosten, Kalkulationen und Risiken zu Großprojekten im Internet veröffentlicht, später auch deren Baufortschritt und Kostenänderungen. Dafür seien in London sogar Gesetze verändert worden. Da der Steuerzahler Auftraggeber ist, „ergibt sich ganz selbstverständlich, dass es nichts zu verbergen gibt“, so Grewe.