Zunächst war da natürlich der Schock. Es hatte ja die Chance bestanden, den Abstieg aus eigener Kraft zu vermeiden. Das schürte Hoffnung. Auch schien die Konstellation günstig, Gegner Burghausen musste fast zwei Drittel der Partie mit einem Spieler weniger auskommen.
Doch es brachen alle Dämme. „Es ist nicht zu erklären, wie das passiere konnte“, sagte ein desillusionierter Almedin Civa. 0:4 verlor der SV Babelsberg 03, rutschte am vorletzten Spieltag der Dritten Fußball-Liga auf einen Abstiegsplatz. Das Torverhältnis ist jetzt sogar nachteilig gegenüber den Konkurrenten, außerdem muss man zum Finale beim Topteam in Münster ran. Das Geld für die Fahrt, mutmaßte Sportdirektor Civa, könne man sich auch sparen.
Vielleicht ist es ja auch gut so. Dritte Liga wäre schön, klar. Seit 2010 hielt sich der kleine Klub aus Potsdam dort. Finanziell war das immer eine Gratwanderung. „Wir tragen Altlasten mit uns rum, die bis zu zehn Jahre zurückreichen“, sagt Archibald Horlitz, der Vorstandschef. Damals spielte Nulldrei eine Saison in der Zweiten Liga und verschuldete sich gewaltig. Erst seit gut eineinhalb Wochen steht Horlitz dem Verein als gewählter Vertreter vor, er verschafft sich noch immer einen Einblick in die Gesamtsituation. Und er ist der Meinung, dass ein sportlicher und wirtschaftlicher Neubeginn das Beste sei.
Warum es auf dem Platz nicht passt, kann Julian Prochnow nicht genau verorten. „Es sind viele Faktoren“, sagt der Mittelfeldspieler. Die Mannschaft ist so jung wie nie, außerdem lässt sich nur schwer mit Kontinuität arbeiten in Babelsberg, da das Team jedes Jahr anders aussieht. Prochnow bildet die Ausnahme, seit 2005 spielt der Mittelfeldmann für Nulldrei, ist der Dienstälteste im Kader. „Es herrschte auch sehr viel Unruhe im Umfeld“, fügt er noch hinzu. Das ist im Prinzip auch nicht neu, Prochnow hat schon einiges erlebt in diesem Klub. „Aber so extrem war es allerdings noch nicht, das toppt alles.“ Der SV Babelsberg 03 verdiente sich über Monate redlich die Bezeichnung als Chaos-Klub.
Klubchef Horlitz soll Ruhe bringen
Mit Horlitz soll nun Ruhe einkehren. Er ist 55 Jahre alt, wohnt in der Nähe des Stadions, besuchte immer gern die Spiele, hatte aber nie eine feste Verbindung in Klubgremien. Seine Tätigkeit als Unternehmer ließ das nicht zu. Inzwischen ist das Unternehmen verkauft, und die Situation im Klub war so zerfahren, dass er der Bitte nachgab, sich einzubringen. Als gerichtlich bestellter Notvorstand zunächst, gemeinsam mit dem Rechts-Professor Götz Schulze. „Wir haben diese Wochen sehr gut genutzt, um mit eisernem Besen zu kehren und aufzuräumen“, erzählt Horlitz. Die Mitglieder erkoren ihn anschließend per Wahl zum neuen starken Mann.
Der hat Respekt vor dem, was das Klub sportlich geschafft hat in der Vergangenheit. Aber: „Babelsberg wurde nicht mit der Professionalität anderer Vereine geführt“, hat Horlitz beim Durchschauen der Akten festgestellt. Zwar gab es Bestrebungen, die Strukturen zu verbessern, aber das führte ins Durcheinander.
Es wurden Gremien nicht satzungsgemäß gewählt, es gab Klagen, Gerichtsentscheidungen, Neuwahlen, gegensätzliche Interessen bei handelnden Personen. Einige wollten sogar den im Vorjahr entlassenen Trainer Dietmar Demuth zurückholen, nachdem Nachfolger Christian Benbennek vom Notvorstand entlassen worden war.
Von Geschäftsführer Klaus Brüggemann trennte sich der Klub auch. Persönlich wirft Horlitz diesem nichts vor. „Ich habe hier ein multiples Versagen auf vielen Ebenen vorgefunden“, sagt er. Dem Klub sei großer Schaden entstanden, weil „es keine geschlossene Führungscrew gab. Dadurch sind Freiräume entstanden, die missbraucht wurden, und es wurden Verträge geschlossen, die zum Nachteil des Klubs sind“. Im Verein fehlten Kontrollmechanismen.
Gespräche mit Geldgebern laufen
Die sollen nun aufgebaut werden. Parallel kämpft Horlitz um die Finanzierung der nächsten Saison. Es wird Einschnitte geben in Liga vier, der neue Vorstand will den Klub konsolidieren. Das dürfte einer schnellen Rückkehr in die Dritte Liga im Weg stehen. Gut an die Million geht die Summe, die für die neue Saison noch gebraucht wird.
Immerhin: „Das Vertrauen ist durch die letzten Monate nicht gesunken, eher umgekehrt. Sponsoren nehmen mit Freude zur Kenntnis, dass es eine Führungsmannschaft gibt, die berechenbar ist“, sagt Archibald Horlitz, der zuletzt viele Gespräche geführt hat mit möglichen Geldgebern. Dabei musste er bislang zweigleisig denken, Plan a für die Dritte und b für die Vierte Liga im Kopf haben. Zu 90 Prozent geht er nun davon aus, dass er sich auf Plan b konzentrieren kann. Das macht die anstehenden Verhandlungen etwas einfacher. Obwohl der bevorstehende Abstieg auch wehtut.