Der FC Bayern München hat eben alles. In Alfons Schuhbeck einen eigenen Spitzenkoch , in der Geschäftsstelle Teppich mit dem Vereinslogo, und jetzt auch einen eigenen Klimawandel. In guten Saisons sind April und Mai die wichtigsten Monate beim Rekordmeister: Dann entscheidet sich die Deutsche Meisterschaft, dann stehen das Finale im DFB-Pokal und die großen Spiele in der Champions League an. Danach wissen sie in München, ob es eine erfolgreiche Spielzeit war.
Doch die aktuelle ist bislang keine gute, die Fußball-Jahreszeiten spielen bei den Bayern verrückt. Die wichtigste Phase ist plötzlich schon Anfang März da. Bevor der Frühling richtig anfängt, kann schon ganz viel verspielt sein. Es geht viel heißer zu, als es eigentlich sollte.
In der Liga haben sie sieben Punkte Rückstand auf Tabellenführer Borussia Dortmund, ein Sieg im Heimspiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim am Samstag (15.30 Uhr, Sky) ist Pflicht, um eine halbwegs realistische Chance auf den Titel zu wahren.
Und am Dienstag wartet die nächste wegweisende Aufgabe: Im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den FC Basel gilt es, ein 0:1 aus der ersten Partie wettzumachen. Mit solch einem Druck haben die Münchner für ein Viertel- oder Halbfinale gegen den AC Mailand kalkuliert, nicht aber für die Runde der letzten 16 gegen Basel.
Es ist eine ungewohnte Situation für den FC Bayern. In der vergangenen Saison gewann er keinen Titel, jetzt droht diese Enttäuschung schon wieder. Und dann kann auch noch Dortmund zum zweiten Mal in Folge Meister und zur Größe in der Bundesliga werden.
Kein Wunder, dass die Stimmung angespannt ist. Ehrenpräsident Franz Beckenbauer bemängelt, dass kein Spieler Leistung bringt. Klubchef Karl-Heinz Rummenigge fühlt sich an den Kultfilm „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert, in dem Bill Murray wieder und wieder denselben Tag erlebt.
„Uns geht es ähnlich. Wir starten immer wieder furios in ein Spiel, lassen hervorragende Chancen aus, machen dem Gegner dadurch Mut – und am Ende fehlen wichtige Zähler“, so Rummenigge.
Und unter der Woche berichteten Zeitungen über Gerüchte, dass Jupp Heynckes trotz Vertrags bis 2013 schon im Sommer nicht mehr Trainer des Vereins sein wird. Im Klub solle es bereits Diskussionen um den Übungsleiter gegeben haben. Der Vorstand wehrte sich mit einer Pressemitteilung gegen die Berichte und kündigte an, künftig juristische gegen solche Spekulationen vorzugehen.
Veränderter Bio-Rhtythmus
Jupp Heynckes hielt seine obligatorische Pressekonferenz vor dem Hoffenheim-Spiel statt wie gewohnt am Tag vor der Partie schon am Donnerstag ab. Der Bio-Rhythmus an der Säbener Straße ist in dieser Woche etwas anders, für gewöhnlich sprechen am Donnerstag die Spieler.
Sie sollen jetzt endlich Taten sprechen lassen, geredet wurde genug. Und was sagt Heynckes zu den Spekulationen? „Das kommt nicht an mich heran. Das belastet mich überhaupt nicht.“ Er sei so lange im Geschäft, er kenne die Mechanismen.
„Was ist denn schon passiert?“, fragt er. Er habe schon viel erlebt, „aber noch nicht, dass der DFB die Meisterschale nach dem 24. Spieltag vergibt.“ Seine Mannschaft stehe zudem im Achtelfinale der Champions League und im Halbfinale des DFB-Pokals.
Aufgeben passt zum FC Bayern wie Paolo Guerrero zur Nominiertenliste für den Fair-Play-Preis, deshalb hat sich die Vereinsführung gewünscht, dass die Mannschaft nach den jüngsten Rückschlägen mehr Kampfgeist ausgestrahlt hätten. Präsident Uli Hoeneß sagt, dass die Meisterschaft nicht entschieden ist.
Tatsächlich gibt es nicht umsonst die Phrase, dass im Fußball alles möglich ist. Die Bayern wissen das spätestens seit dem Finale der Champions League 1999, als Manchester United in der Nachspielzeit aus einem 0:1 ein 2:1 machte. Und so ist es auch möglich, dass Heynckes in Markus Babbel heute dem Mann gegenübersteht, der vor gut zwei Monaten noch Hertha BSC trainierte und jetzt (neben vielen anderen) als sein Nachfolger gehandelt wird.
Und dass beim Spiel der Bayern in Hertha kommende Woche zwei Trainer an der Seitenlinie stehen, die das gesetzliche Rentenalter schon hinter sich gelassen haben. Dann trifft Heynckes (66) auf Otto Rehhagel (73) , wie in der Mode sind auch im Fußball die 90er-Jahre zurück.
Keine Frage zu Wulff
Während Rehhagel auftritt wie ein Feldherr und skurrile Dinge erzählt, hat sich Heynckes entwickelt. Er ist gelassener geworden. In seiner schwierigsten Phase seit Amtsantritt im Sommer soll er etwas zum Geburtstag des ehemaligen Nationaltorwarts Andreas Köpke am Montag und zum überragenden Lionel Messi vom FC Barcelona sagen. Geduldig lobt er beide, und beweist dann Humor: „Ich dachte, dass zu Christian Wulff noch eine Frage gekommen wäre.“
Es wäre ein Fehler, jetzt zu viele Ziele zu definieren. Heynckes hat nur eines: „Ich will die Mannschaft wieder dorthin führen, wo sie im ersten Drittel der Saison war.“ Er hat Pech derzeit, Verteidiger Rafinha fällt wegen Grippe wohl aus. Umso wichtiger, dass Bastian Schweinsteiger nach vier Wochen Verletzungspause gegen Hoffenheim wohl wieder zum Kader gehören wird. Jedes bisschen Aufbruchsstimmung ist willkommen.
Heynckes ist sicher, dass seine Mannschaft gewinnt. Und es könne durchaus sein, dass der FC Augsburg gegen Dortmund gewinnt. In Zeiten des Klimawandels sollte man nichts ausschließen.