Dereck Chisora hat Vitali Klitschko beim Wiegen geschlagen und beschimpft. Danach kam es zu einem Tumult zwischen beiden Lagern mit Geschubse und Drohungen.

Normalerweise verteilt „Bad Boy“ Dereck Chisora vor dem Kampf Küsschen, diesmal ließ er es krachen. Beim Wiegen vor dem Duell (Samstag, 22.45 Uhr/RTL) um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht verpasste der Brite Witali Klitschko eine schallende Ohrfeige - ein Volltreffer vor dem ersten Gong, der eine heftige Rangelei unter den Betreuern und Sicherheitskräften auslöste.

Doch der Titelverteidiger behielt im Chaos kühlen Kopf und ließ sich nicht provozieren. „Die Abrechnung erhält er im Ring“, sagte ein angefressener Klitschko, der nicht zurückschlug und seinen Gegner stattdessen mit einem eisigen Blick abstrafte.

Immer wieder Provokationen

Chisora hatte schon am Donnerstag erklärt, er sei „wahnsinnig“ . Am Freitag lieferte er den Beweis. Die beiden Kontrahenten stießen beim traditionellen Staredown mit den Köpfen zusammen, woraufhin Chisora Klitschko die flache rechte Hand ins Gesicht klatschte.

Nach einem hitzigen Wortgefecht verließ Chisora dann ganz schnell die Szenerie. Sein Promoter Francis Warren meinte: „Vielleicht hatte er zu viel Adrenalin im Blut. Der Schlag kam 24 Stunden zu früh.“

Es war nicht das erste Mal, dass Chisora bereits vor einem Kampf intensiven körperlichen Kontakt gesucht hat. 2010 hatte der für seine unterhaltsamen Provokationen bekannte 28-Jährige seinen Gegner Carl Baker bei einer Pressekonferenz auf den Mund geküsst - woraufhin es beinahe zur Schlägerei zwischen den beiden gekommen wäre.

Bisexuelle Anspielungen

Doch der Titelverteidiger will sich von diesen ungewöhnlichen taktischen Sperenzchen seines Gegners, der auch schon mal mit bisexuellen Anspielungen öffentlich kokettiert, nicht aus dem Konzept bringen lassen und seinen WBC-Titel unbedingt verteidigen.

„Er wird mich nicht überraschen“, kündigte Klitschko an. Sportlich nimmt er seinen Gegner sehr ernst: „Mich interessieren nur Boxer, die mich wirklich fordern können. Chisora ist jung, wild und hungrig. Er wurde noch nie ausgeknockt.“

Und so verströmte die Entourage Chisoras vor dem Fight naturgemäß überborderndes Selbstbewusstsein. Sein Promoter Warren versprach vollmundig das Ende der Klitschko-Ära. Chisora selbst kündigte an „mit 100 Meilen pro Stunde“ von der ersten Runde bis zum Ende zu kämpfen und den Weltmeister in der achten Runde niederzuschlagen. Der 28 Jahre alte Gebrauchtwagenhändler wird daher bei seinem Einmarsch symbolisch mit dem Titel „Mama Said To Knock You Out“ von Rapper LL Cool J zum Ring kommen.

Doch obwohl der letzte britische Schwergewichts-Champ Lennox Lewis eine Überraschung für möglich hält und seinem Landsmann die nötige Schlaghärte attestiert, um Klitschko auf den Boden zu schicken: Chisoras Kampfrekord ist nicht wirklich furchteinflößend.

Er gewann zwar 15 seiner 17 Kämpfe, siegte neunmal durch Knockout. Doch zwei der letzten drei Auftritte endeten mit einer Niederlage, zunächst deutlich gegen Landsmann Tyson Fury und dann höchst umstritten gegen den Finnen Robert Helenius.

Klitschko klarer Favorit

So steigt Klitschko trotz all der extravaganten Aufführungen Chisoras als klarer Favorit in den Ring . Bei einem Sieg des Ukrainers ist in den Wettbüros kaum etwas zu verdienen. Ein Erfolg bei seiner neunten WBC-Titelverteidigung, womit Klitschko mit Mike Tyson gleichzieht, gilt als nahezu sicher.

„Dr. Eisenfaust“ ist seit knapp neun Jahren ungeschlagen und hat 43 seiner 45 Profikämpfe gewonnen - 40 davon vorzeitig. Seine K.o.-Quote liegt bei überragenden 89 Prozent. Klitschko-Trainer Fritz Sdunek, der Chisora seit langem kennt, hatte er ihn doch vor Jahren im Sparring, hat ebenfalls keinen Zweifel am Ausgang: „Witali ist der alte Weltmeister und wird auch der neue Weltmeister sein.“

Immer wieder hatten Gegner vor den Kämpfen mit markigen Sprüchen getönt, Klitschko endlich in Rente schicken zu wollen. Geschafft hat es bisher keiner. Die Psychospielchen des Briten amüsieren Sdunek deshalb auch eher. „Dereck ist ein netter Mensch. Das andere ist alles nur gespielt, er könnte eigentlich nach Hollywood“, sagt Sdunek milde lächelnd.

Offensiver Herausforderer

Aufmerksam müsse Klitschko aber ohne Frage sein, denn der in Simbabwe geborene Chisora boxe außergewöhnlich offensiv. Der Nahkampf ist ohnehin wohl die einzige Chance für den Herausforderer, hat er doch bei 1,87 Meter Körpergröße erhebliche Reichweitennachteile gegenüber Zwei-Meter-Mann Klitschko. „Dereck springt regelrecht in den Mann, da ist schon was dahinter“, sagt Sdunek.

Er sei sogar mutiger und kampfstärker als David Haye, den sich Klitschko gegen Ende seiner Karriere noch vor die Fäuste wünscht. Der kann sich am Samstag als TV-Kommentator live am Ring von Klitschkos Stärke überzeugen.