Beim vorletzten Länderspiel des Jahres in der Ukraine probierte Bundestrainer Löw personell einiges aus. Überzeugen konnte sein Team dabei allerdings nicht.
Bundestrainer Joachim Löw hat die restlichen Länderspiele bis zur Fußball-Europameisterschaft für Experimente freigegeben. Am Freitagabend öffnete er erstmals seinen Chemiebaukasten und suchte nach der Titelformel. Gegen die Ukraine kam dabei ein torreiches, aber aus deutscher Sicht wenig erbauliches 3:3 (1:3) heraus. Immerhin: Der große Knall blieb aus, auf den die deutsche Mannschaft in der ersten Halbzeit zuzusteuern schien.
Was Löw offenbar schon gefunden hat, sind die Zutaten für die ewige Jugend – jedenfalls in seinem Kader. 22,72 Jahre betrug das Durchschnittsalter der Startformation, jünger ging in der Nachkriegsgeschichte kein deutsches Team auf das Feld. Allerdings wird die Mannschaft in dieser Konstellation wohl auch nicht mehr auflaufen, denn es war schon reichlich zusammengewürfelt, was Löw da im Nationalstadion von Kiew präsentierte – dort, wo 2012 das EM-Finale stattfinden wird.
Für Manuel Neuer stand der Hannoveraner Ron-Robert Zieler im Tor und geht als 50. Debütant der Löw-Ära in die Statistik ein. Die Abwehrkette reduzierte der Trainer von vier auf drei Verteidiger, dafür fanden sich im Sechser-Mittelfeld neben den Stammkräften Mesut Özil, Toni Kroos und Sami Khedira auch Mario Götze, Dennis Aogo und Christian Träsch wieder. Und im Sturm durfte Mario Gomez stolz die Kapitänsbinde spazieren tragen – zum ersten Mal überhaupt.
Das Experiment ging allerdings ziemlich in die Hose. Zwar erarbeitete die deutsche Mannschaft sich ein optisches Übergewicht. Aber wenn sie vorne die Bälle verlor – und das geschah häufig –, starteten die Ukrainer überfallartige Konter. Erst traf Andrej Schewtschenko nach drei Minuten das Außennetz, dann legte Artem Milevsky von der Grundlinie quer zu Andrej Iarmolenko, der den Ball über die Linie drücken konnte (28.). Neun Minuten später verlor Toni Kroos am gegnerischen Strafraum den Ball, Yevhen Konoplyanka sprintete über das gesamte Feld und an Zieler vorbei – 0:2 (37.).
Nachdem Toni Kroos mit einem feinen Fernschuss den Anschlusstreffer erzielt hatte (39.) zog der kurz zuvor eingewechselte Serhiy Nazarenko in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit aus 30 Metern ab und versenkte den Ball im linken Winkel.
1:3 zur Pause, es bahnte sich eine Schmach an. Vor allem für den bemitleidenswerten Ron-Robert Zieler, der in seinem ersten Länderspiel bis zur Pause drei Ballkontakte hatte – jeweils beim Ball-aus-dem-Netz-holen. Wie schön, dass er wenigstens nach dem Wiederanpfiff noch Produktives beisteuern konnte: Als Schewtschenko dem überforderten Aogo enteilt war und abzog, rettete der deutsche Schlussmann mit einem schönen Reflex (50.). Nach 65 Minuten beendete Löw einen Versuch, der unter besonderer öffentlicher Beobachtung gestanden hatte: Er wechselte Özil und Götze aus. Die Fusion der beiden Mittelfeldgenies muss vorerst als gescheitert bezeichnet werden, von beiden war wenig zu sehen. Dafür aber von dem Leverkusener Simon Rolfes, der zur Pause für Khedira gekommen war und eine Minute vor dem Doppelwechsel zum 2:3 getroffen hatte.
Löws Experiment mag über 90 Minuten betrachtet wenig ansehnlich gewesen sein, doch selbst ein so mäßiges Spiel verliert die deutsche Mannschaft nicht mehr, dafür ist die Qualität ihrer Spieler einfach zu hoch. Thomas Müller, für Özil auf das Feld gekommen, schoss in der 77. Minute von halblinker Seite wenig gefährlich auf das ukrainische Tor, erwischte Oleksandr Rybka aber offenbar auf dem falschen Fuß. Der haltbare Ball schlug zum 3:3 hinter dem Torwart ein.
Und dann hatte der arme Ron-Robert Zieler doch noch seinen großen Auftritt. Als kurz vor Schluss Marko Devic allein vor ihm aufkreuzte, wehrte er dessen Flachschuss per Fußabwehr ab und rettete der deutschen Nationalmannschaft ein Remis.
Für Löw war es das 13. Unentschieden im 74. Länderspiel. Dem gegenüber stehen 51 Siege und zehn Niederlagen. „Ich bin nicht unzufrieden. Natürlich war nicht alles gut in unserem Spiel, aber ich habe wichtige Erkenntnisse gewonnen“, sagte Löw. Am kommenden Dienstag wird seine Mannschaft sich steigern müssen. Dann kommen die Niederländer zum Duell nach Hamburg.